Donnerstag, 19. Juni 2008

Schweigen

Ich habe grade gar nicht viel zu sagen. Nur zu denken und zu fühlen. Gestern sagte mir jemand, den ich länger nicht gesehen hatte, ich würde so entspannt und erholt wie seit Ewigkeiten nicht mehr aussehen. Seltsam, wo ich mich doch selbst sehr müde und erschöpft fühle. Ich weiß, das hat viel mit dem Wetter und dem Mond zu tun, und auch mit inneren Befindlichkeiten. Aber es hängt auch damit zusammen, dass ich mir zu wenig Raum für körperliche Erholung nehme. Ich bin so unsäglich disziplinlos und ärgere mich deswegen immer wieder über mich selbst.

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Ich glaube, ich weiß jetzt, was diese Träume zu bedeuten hatten, was da zuende gegangen ist. Ich wollte es erst nicht wahrhaben, habe mich viel zu lange an etwas geklammert. Aber da ist ein Schweigen, das mir täglich klarer wird und das ich mittlerweile sehr gut kenne. Es tut nicht mal mehr sonderlich weh, wie seltsam. Aber vielleicht gab es einfach schon zu viele Abschiede, tränenreich, schmerzhaft, so dass diesmal nur noch diese Erschöpfung ist, wie wenn man nach einer sehr langen, beschwerlichen Reise endlich angekommen ist und feststellt, dass das Wirtshaus, in dem man einkehren wollte, mittlerweile abgebrannt ist und man auf freiem Feld nächtigen muss.

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Sonntag, 15. Juni 2008

Gespenster

Glider Gestern machte ich einen Ausflug in die Vergangenheit. Ich fuhr hinaus aus der Stadt, an einen Ort, an dem ich seit vielen Jahren nicht mehr gewesen war. Ich ging Wege entlang, von denen mir einige so vertraut waren, als hätte ich sie gestern zuletzt betreten, andere kamen mir fremd vor. Ein paarmal verirrte ich mich, einmal so sehr, dass ich eine ganze Weile durchs Gebüsch kriechen musste. Aber das lag vielleicht daran, dass ich von meinen alten, vertrauten Routen abgewichen war und neue Wege gewählt hatte. Das verwirrte wohl meinen ohnehin schlecht ausgeprägten Orientierungssinn.

Mein Hund sprang um mich herum. Er flitzte vor mir her, entzog sich immer mal wieder meiner Kontrolle und ließ mich nervös umherschauen, ob auch niemand kam und der Hund keinen Schaden anrichten konnte. Dann nahm ich ihn an die Leine, ich spürte das weiche Leder zwischen meinen Fingern, den Zug der Laufleine, den Ruck in meiner Schulter, wenn der kleine Kerl abrupt stehen blieb und noch mal drei Meter zurück lief, weil er eine ganz heiße Spur entdeckt hatte. Meine Schwester stand oben an einem sandigen Abhang, der in die Heide hinunter führte. Sie winkte mir zu, bevor sie den Hund losließ und er aus purer Lust am Laufen diesen Hang hinunterflitzte, schneller, immer schneller, wie eine kleine Kugel auf Beinen. Am Segelflugplatz stand mein Vater und schaute den Flugzeugen hinterher, die mit leisem Surren am Himmel ihre Kreise zogen. Mein großer Bruder stapfte durch den Matsch und fluchte, weil er die falschen Schuhe angezogen hatte. „Immer, wenn ich herkomme, ist schlechtes Wetter“, sagte er und klang so beleidigt, als ob die kühle Luft und der Regen ihn persönlich angegriffen hätten. Mir machte der Regen nichts aus. In Gummistiefeln und mit einem großen Schirm bewaffnet, genoss ich die Stille im Wald. Bei diesem Wetter war ich hier mit dem Hund und meinen Gedanken alleine. Der Wind trug die Stimme meiner Mutter von unserem Haus herüber. Sie ermahnte meinen kleinen Bruder, sich zu beeilen, damit er den Bus nicht verpasste. Er hörte nicht auf sie, las stattdessen lieber weiter seine Zeitschriften, bis der Bus ohne ihn abfuhr und meine Mutter sich verärgert ins Auto setzte und ihn wohin auch immer fuhr. Später deckte sie auf der Terrasse den Kaffeetisch und servierte uns ihren selbstgebackenen Apfelkuchen.

Feine Regentropfen fielen auf meine Brille und ließen meinen Blick verschwimmen. Eine Familie mit vier Kindern spielte im Heidekraut am Rand des Flugplatzes. Sie erinnerte mich an meine eigene Familie und ich blickte mich suchend um, doch alle waren verschwunden, der Hund, meine Eltern, meine Geschwister. Ich nahm die Brille ab und wischte die Gläser trocken. Als ich wieder klar sehen konnte, hatte der Regen aufgehört. Die Segelflieger kreisten immer noch am Himmel. Die Luft roch würzig nach Kiefern und feuchter Erde. Die fremde Familie begab sich auf den Heimweg, und meine Schuhe gruben sich in den dunklen Sandboden. Ich fühlte mich einen Moment lang sehr verloren, denn mir wurde bewusst, dass meine eigene Familie fast nur noch aus Gespenstern besteht.

Meine Eltern sind schon lange tot, der Hund auch. Mein großer Bruder hat mit der Vergangenheit, mit uns gebrochen. Ich weiß nicht, wo und wie er lebt. Mein jüngerer Bruder lässt sich heute von seiner Frau zur Eile antreiben (was sie genauso wenig schafft wie damals meine Mutter) und meine Schwester spielt inzwischen nicht mehr mit mir und dem Hund, sondern mit ihren eigenen Kindern. Und ich? Ich bin die Hüterin meiner Familiengeschichte, die Einzige von uns allen, die gelegentlich an alte Orte zurück kehrt, die Erinnerungen lebendig hält, die bewusst all dem nachspürt, was damals war, an Schönem, aber auch an Schrecklichem. Ich berufe immer mal wieder den Familienrat ein, und dann kommen sie alle und versammeln sich mit mir an diesen vergessenen Orten, sie bringen mich zum Lachen und zum Weinen und wecken eine große Sehnsucht in mir. Ich bin dankbar, dass ich das alles hatte und wehmütig, dass es nun vorbei ist.

Ich warf einen letzten Blick auf meine Vergangenheit, stieg in den Bus nach Hause, und während Wald und Heidelandschaft immer mehr der Großstadt wichen, machte sich eine zufriedene Erleichterung darüber breit, dass ich im Jetzt und Hier lebe und nicht in der Vergangenheit stehen geblieben bin, so kostbar auch all die Erinnerungen sind, und so traurig sie mich gelegentlich stimmen.

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Mittwoch, 11. Juni 2008

Gestorben

Dreimal träumte ich in den letzten Wochen kurz hintereinander vom Tod. Erst starben meine Geschwister, dann bereitete ich mich auf meinen eigenen Tod vor. Das Sterben meiner Schwester und meines Bruders erschütterte mich zutiefst und ließ mich völlig verstört aufwachen, und angesichts meiner eigenen Endlichkeit vergoss ich noch im Schlaf verzweifelte Tränen.

Irgendetwas scheint in mir abzusterben, sich zu verändern, zu erneuern. Ist das ein Zeichen dafür, dass ein langer Lebensabschnitt zu Ende geht? Eine Zeit, die mit einer großen Suche verbunden war. Suche nach Glück, nach Erfüllung von Sehnsüchten, nach Liebe und Geborgenheit. Ich habe an Illusionen festgehalten, mich in Sackgassen manövriert, mich beruflich ins Aus geschossen und privat viel riskiert, aber noch mehr verloren.

Und jetzt? Was wird jetzt kommen? Noch hat sich nicht viel geändert. Gut, beruflich schon, aber innerlich scheine ich immer noch die Alte zu sein mit den gleichen Ängsten und Unsicherheiten, der gleichen Sehnsucht und Suche wie eh und je. Ich schleppe noch eine Menge Altlasten mit mir herum, ungeklärte Geschichten, die mich quälen und lähmen. Ich schleppe MICH mit mir herum. Aber das lässt sich nicht ändern. Vielleicht sollte ich stattdessen lernen, mich mehr zu akzeptieren, so wie ich bin, und nicht ständig versuchen, mich umzuformen, damit ich in die Normen passe, die man mir vorgibt. Mir scheint, vor mir liegt noch ein sehr, sehr langer Weg. Aber Veränderung findet nur statt, wenn man sich bewegt. Und seien die Schritte noch so winzig, die man macht, die Rückschläge noch so groß. Irgendwann wird man irgendwo ankommen. Oder?

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Samstag, 7. Juni 2008

Fluss der Zeit

Der Augenblick, in dem ich erkenne, dass der Frühling vorbei ist, fühlt sich von Jahr zu Jahr schmerzhafter an. Im stummen Erschrecken registriere ich, dass sattes Grün üppig bunte Blüten abgelöst hat, dass die Wiesen verdorrt sind und an den Bäumen bereits die Früchte reifen. Und wenn ich die schwüle, staubige Luft des Sommers atme und nicht mehr die frische Leichtigkeit des Frühlings, weiß ich, dass die Zeit auch in diesem Jahr nicht stehen bleibt.

Wenn nach dem Winter die Tage länger werden, wächst die Sehnsucht in mir und mit ihr die Hoffnung, sie in diesem Jahr endlich stillen zu können. Sie breitet sich aus, setzt sich in meinem Herzen fest und gleitet mit leiser Melancholie mit mir in den Sommer hinüber. Doch ich ahne bereits in jenen Momenten, in denen ich das Ende des Frühlings entdecke, was sich später im Herbst bestätigen wird: Die Zeit geht ihren Gang und ich mit ihr, ohne dass mein Herz sich beruhigt, dass es endlich da angekommen ist, wo es sich ausruhen und wachsen kann. Ich vermag nichts festzuhalten, weder den Frühling noch meine Vergänglichkeit oder die Liebe. Ich atme einfach nur weiter, mal leichte Frühlingsluft, mal vertrockneten Sommer oder bitterkalten Winter, bis ich im Herbst angekommen bin und erkenne, auf welchen Feldern ich eine üppige Ernte einfahren kann und wo die Sehnsucht wie Unkraut gewachsen ist und alles Fruchtbare verdrängt hat.

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Dienstag, 3. Juni 2008

Endlosschleife

Anruf im Elektrogroßmarkt. Zunächst hänge ich in der Warteschleife, in der sich Frei- und Besetztzeichen mit einer Bandansage und Musik abwechseln. So wird es wenigstens nicht langweilig.
„Blöd-Markt, guten Tag, ich bin die Auskunftstussi, was kann ich für Sie tun?“
„Käthe Feinstrick, guten Tag. Ich möchte etwas umtauschen, das ich bei Ihnen gekauft habe. Geht das nur in Ihrer Filiale oder kann ich die Ware auch in andere Filialen zurück bringen?“
„Also, wenn Sie den Kassenbon noch haben, ist ein Umtausch innerhalb von vierzehn Tagen überall möglich.“
„Nun, die vierzehn Tage sind lange rum. Das ist ein Elektrogerät, was kaputt gegangen ist. Aber da ist auf jeden Fall noch Garantie drauf.“
„Ja, Garantie ist da sicher drauf. Das können Sie umtauschen.“
„Und geht das dann auch in anderen Filialen?“
„Wie gesagt, innerhalb von vierzehn Tagen, wenn Sie den Kassenbon noch haben.“
„Die vierzehn Tage sind aber ja längst rum. Kann ich das Gerät trotzdem in eine andere Filiale bringen?“
„Also…äh….nun ja, wenn Sie den Kassenbon haben, innerhalb von vierzehn Tagen…“
„Jaha, ich weiß. Und wenn die vierzehn Tage rum sind?“
„Äh…nun…also…wenn Sie den Kassenbon noch haben…“, Stimme wird immer dünner, „…versuchen Sie es mal…“
„Danke für die Auskunft. Sie war sehr aufschlussreich.“

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