Wohnzimmer

Dienstag, 6. Dezember 2011

Mädchen

Sie schlendert frisch geduscht ins Wohnzimmer, steht einen Moment im Raum wie ein Model auf dem Laufsteg, die langen Haare unter einem Handtuchturban versteckt, was die orientalischen Züge in ihrem Gesicht wunderbar betont und sie mindestens fünf Jahre älter aussehen lässt. Lässig wirft sie sich aufs Sofa und streckt die langen, nackten Füße auf dem Wohnzimmertisch aus. Da sitzt sie, denke ich, meine Zukunft, unsere Zukunft. Gerade mal zwölf Jahre alt, unschuldig, ahnungslos, aber sehr neugierig, sehr wach, zickig, wie es sich für eine Zwölfjährige gehört, mitfühlend, wie es manche Erwachsenen kaum hinkriegen, bildschön, ohne dass sie sich dessen bewusst ist, ein Mädchen auf dem Weg zur Frau. Ich denke daran, wie ich selbst mit zwölf aussah. Jung und unschuldig, ja, aber nicht halb so fraulich, da bin ich mir sicher. Ich war noch ein Kind, durch und durch. Bei mir hat es lange gedauert mit dem Älterwerden. Genau genommen bin ich bis heute nicht richtig erwachsen geworden – innerlich wie äußerlich.

Später stehen wir im Garten beim Meerschweinchenstall. Es ist lausig kalt. Sie trägt immer noch den Handtuchturban, und die nackten Füße stecken in offenen Sandalen. „Das sind meine Hausschuhe“, protestiert ihre Mutter. „Wieso ziehst du die hier draußen an?“ Sie zuckt gleichgültig die Schultern und konzentriert sich ganz darauf, eins der Meerschweinchen einzufangen. Die Diva vom Laufsteg ist wieder das kleine Mädchen geworden, das, vollkommen frei von Eitelkeiten, nur für den Moment lebt. Ich bin fast erleichtert. Ganz verschwunden ist das Kind also doch noch nicht. Die Kleine, die ich seit dem Tag ihrer Geburt kenne, die immer viel zu mager war und kein Kind, bei dem man vor Entzücken in Ohs und Ahs ausbrach. Nicht so intelligent wie der große Bruder. Nicht so niedlich wie die kleine Schwester. Dafür aber von unbändiger Energie und mit einem eisernen Willen, mit dessen Hilfe sie ihre Geschwister regelmäßig abhängt.

Und heute? Heute sieht man, wie sich das kleine Entlein in einen schönen Schwan verwandelt. Ich bin stolz auf sie. Wir waren uns immer besonders nah, sie ist, im selben Sternzeichen wie ich geboren, eine kleine Seelenverwandte von mir. Ja, ich bin stolz darauf, wie sie ihre Ängste überwindet und sich Schritt für Schritt hinaus in die Welt traut. Und wehmütig. Wie lange noch wird sie so unschuldig auf dem Sofa zwischen Mutter und Tante sitzen, sich an uns kuscheln und uns alles anvertrauen, was sie beschäftigt? Wie lange noch wird sie mit ihrer kleinen Schwester spielen, sich mit dem großen Bruder erst streiten, um dann einvernehmlich mit ihm am Computer zu sitzen? Wie lange wird es noch dauern, bis aus ihr und ihren Geschwistern Erwachsene geworden sind und sie davonfliegen? Die Zeit des innigen Familienlebens ist, so scheint es mir, erschreckend überschaubar geworden.

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Montag, 28. November 2011

Die pure Langeweile

Da hab ich mich ja in was reingeritten … Weil ich bei Frau Rosmarin vollmundig behauptet habe, mein Leben sei total langweilig, halten mich natürlich nun alle für eine Übertreiberin – und ich muss den Beweis antreten, wie langweilig ich tatsächlich bin. Also dann: Hier kommen sieben Dinge über mich, die (fast) noch niemand weiß, der dieses Blog liest und die eigentlich alle überhaupt nicht der Rede wert sind:

1. Ich bin sehr religiös erzogen worden. Jeden Abend habe ich als Kind ein Gebet gesprochen, und ich war überzeugt, schwer von Gott bestraft zu werden, wenn ich es mal vergessen sollte. Irgendwann kamen mir jedoch arge Zweifel an meinen eigenen Überzeugungen. Eines Tages stellte ich Gott auf die Probe und ließ mein Abendgebet ganz bewusst ausfallen. Und siehe da – ich wachte am nächsten Morgen gesund und munter auf und es passierte rein gar nichts. Seitdem stecke ich in einer tiefen, religiösen Sinnkrise.

2. Ich bin sehr treu in Freundschaften. Meinen ältesten Freund habe ich im Kindergarten kennengelernt, meine älteste Freundin in der Grundschule. Zu beiden habe ich immer noch Kontakt. Manchmal sehen wir uns jahrelang nicht und hören kaum etwas voneinander. Dann wieder sind wir sehr innig miteinander. Was ich an diesen Freundschaften besonders liebe: Wir wissen voneinander, wie wir aufgewachsen sind, kennen Eltern und Geschwister der anderen und verstehen, warum wir alle so sind, wie wir sind.

3. Ich bin die Frau der vielen Frisuren. Ich sehe fast immer anders aus, wenn ich vom Friseur komme. Kurz, lang, rot, blond, kunterbunt – alles war schon dabei. Als ich mir meine erste Digitalkamera kaufte, habe ich nach jedem Friseurbesuch ein Foto von mir gemacht. Zurzeit gibt es nicht so große Veränderungen. Aus Kostengründen gehe ich nicht mehr so oft zum Haareschneiden wie früher, die Haare wachsen unordentlich vor sich hin. Außerdem habe ich beschlossen, meine Naturfarbe so lange zu tragen, bis die Haare für meinen Geschmack zu grau werden (was überraschenderweise sehr auf sich warten lässt).

4. Ich habe schon drei Romane geschrieben, aber keinen veröffentlicht. Mir fehlten immer der Mut und die Entschlossenheit, meine Geschichten in die Welt hinaus zu schicken. Und wohl auch das Glück, als ich es dann doch mal halbherzig versuchte. Roman Nummer drei soll jedoch nicht das traurige Dasein seiner Vorgänger fristen. Das ist sozusagen mein vorzeitiger Neujahrswunsch.

5. Ich war früher ziemlich schusselig und habe mich mehrmals heftig verletzt. Davon zeugen zwei Zahnkronen (ausgerechnet die Frontzähne, saublöd), eine kleine, fast unsichtbare Narbe auf meinem Oberschenkel, eine ebenfalls kaum sichtbare Narbe überm Auge, und zwei große, sehr hässliche Narben auf meinem rechten Oberarm. Früher habe ich mich für sie geschämt und keine ärmellosen Shirts getragen. Inzwischen sind sie jedoch so sehr Teil meines Körpers geworden, dass ich mich meistens erst wieder an sie erinnere, wenn ich die Blicke der Leute spüre. Neuerdings trage ich auch eine Blinddarmnarbe. Von wegen minimal-invasive Chirurgie, nach der man nix mehr sieht - wenn die Naht unterm Bauchnabel so dilettantisch wie bei mir zusammengeflickt wird, bleibt eben doch was zurück.

6. Ich liebe Pferde. Schon als Kind bin ich auf verrückten, schlecht eingerittenen Ponys durch die Wälder meiner Heimat galoppiert und habe mich auch nicht davon abschrecken lassen, wenn ich mal runtergefallen bin (was damals oft passierte). Später waren die Ponys dann besser erzogen und ich eine bessere Reiterin. Die Begeisterung an diesem Sport hat mich mein Leben lang nicht mehr losgelassen. Dass ich das Reiten aus finanziellen Gründen aufgeben musste, schmerzt mich sehr. Es gibt vieles, auf das ich mühelos verzichten kann. Bei den Pferden fällt mir das schwer. Aber es ist immer gut, Ziele zu haben, und ich bin sicher, dass ich eines Tages wieder durch die Wälder galoppieren werde.

7. Mir ist Lachen extrem wichtig. Albernes Lachen, fröhliches Lachen, ausgelassenes Lachen, freches, verführerisches, boshaftes Lachen. Ich verliebe mich nur in Männer, die einen sehr ausgeprägten Humor haben und bin auch nur mit Menschen befreundet, mit denen ich lachen kann. Selbst in den miesesten Phasen meines Lebens habe ich es immer noch geschafft, wenigstens schwarzen Humor zu entwickeln. Wenn ich mal tage- oder gar wochenlang überhaupt nicht lache, dann steht es schlecht um mich. Sehr schlecht.

So. Wer auch immer meine langweiligen Berichte mit seinem eigenen langweiligen Kram toppen mag, greife sich den Preis da unten, schreibe sieben Dinge auf, die noch niemand über ihn weiß und reiche den Preis an eine unübersichtliche Anzahl Leser weiter – oder so ähnlich.


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Dienstag, 18. Oktober 2011

Tagebuchnotizen

Hier passiert zurzeit so wenig, weil auch in meinem Leben kaum etwas passiert. Jedenfalls nichts, was sich zu berichten lohnte. Es sei denn, ich würde zur Chronistin des banalen Alltagslebens werden. Aber das langweilt mich immer so sehr.

Obwohl ich neulich von mir selbst überrascht war: Auf der Suche nach einem bestimmten Ereignis, das ich zeitlich nicht mehr richtig einordnen konnte, wühlte ich in alten Tagebüchern. Also nicht in so einem Online-Archiv, sondern in richtigen Büchlein aus Papier, in die ich viele Jahre lang fein säuberlich mit Tinte eintrug, was mich bewegte und beschäftigte. Ich hatte völlig vergessen, wie wunderbar solche Tagebuchtexte sein können, wenn man sie viele Jahre später liest und sich plötzlich nicht nur an damalige Gedanken und Gefühlslagen erinnert, sondern auch an ganz alltägliche Ereignisse, die eher nebenbei erwähnt wurden, nachträglich aber einen unschätzbaren Wert erhalten.

Seit ich blogge, führe ich nur noch selten so ein privates Tagebuch. Meine Texte haben sich verändert, sind publikumswirksamer geworden und weniger privat. Details aus meinem Privatleben gibt es nur marginal, verschlüsselt, allgemeingültig irgendwie, so intim manche Berichte auch wirken mögen. Vielleicht sollte ich das wieder ändern und mehr für mich selber schreiben, für meine ganz persönlichen Erinnerungen.

Aber momentan ist es eigentlich wurscht – ich habe weder Muße zum Bloggen noch zum Tagebuchschreiben. Mein Job füllt mich zurzeit so aus, dass wenig Energie für privates Geschreibsel bleibt. Gut so einerseits, denn die Arbeit erfüllt und beglückt mich immer wieder neu. Andererseits bin ich energiemäßig mal wieder am Bodensatz gelandet und denke, dass etwas nicht stimmt, wenn ich es nicht mal mehr schaffe, abends einfach noch ein paar Sätze aufzuschreiben, ganz entspannt, nur für mich. Aber solange dieser Zustand anhält, gibt es hier leider auch nichts Neues zu lesen. Hoffen wir auf einen geruhsamen Winter voller Inspirationen – oder doch lieber auf turbulente Zeiten mit vielen Aufträgen …

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Freitag, 16. September 2011

Auf und ab

Der Sommer ist rum, die Urlaubszeit auch, und ich bin – urlaubsreif. Das liegt einerseits daran, dass ich viel arbeite und wenig schlafe, vor allem aber daran, dass ich ewig keinen Urlaub mehr hatte. Ja, ich weiß, work-life-balance und so. Aber es passte einfach immer nicht. Entweder hatte ich kein Geld oder keine Zeit oder beides fehlte. Und jetzt liegt ein langer Herbst vor mir, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn überstehen soll. In jeder Hinsicht.

Mein Roman ist im ersten Entwurf fertig, die Figuren belagern mich immer noch und leben ihre Geschichte weiter, obwohl ich längst entschieden habe, dass das nicht geht. Aber in dieser Geschichte scheint sich niemand an Regeln zu halten. So habe ich auch entgegen meiner Gewohnheit, Halbfertiges eisern unter Verschluss zu halten, das Manuskript großzügig im Freundes- und Verwandtenkreis verteilt, nachdem ich von allen Seiten bedrängt wurde. All jene, die mir besonders hartnäckig in den Ohren lagen, sie würden gaaaanz unbedingt lesen und konstruktive Kritik üben wollen, erhielten ein Exemplar. Die Hälfte von ihnen tauchte danach ab, und auf vorsichtiges Nachfragen erhielt ich automatisch erstellte Schreiben mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“. Von den anderen selbsternannten Lektoren vertrösteten mich einige auf unbestimmte Zeit. Momentan passe es zeitlich irgendwie so überhaupt nicht mit dem Lesen. Eine einzige Leserin meldete sich sehr schnell wieder und klang wunderbar begeistert. Ein Leser war zunächst sehr angetan, brach aber nach hundert Seiten ab, als ihm klar wurde, dass die Geschichte „ein Frauenroman sei“. Den weiter zu lesen war offenbar unter seiner Würde. Eine Leserin machte mich nach den ersten fünf Seiten total nieder - „viel zu viele Adjektive, ich bin Minimalistin und hasse Bücher voller Adjektive“. Einige Tage später rief sie wieder an: „Ich habe die zweite Manuskripthälfte in einem Rutsch durchgelesen. Boah, war das plötzlich spannend.“ Na bitte, geht doch. Die weltbeste Schwester verriss das Manuskript komplett – jedenfalls die Teile, an die sie sich noch erinnern konnte: „Ach, weißt du, ehrlich gesagt war ich letzte Woche schon fertig mit dem Lesen. Irgendwie habe ich ganz vergessen, dir davon zu erzählen. Und stimmt, du hattest ein paar Fragen mitgeschickt, aber ich weiß nicht, ob ich die noch beantworten kann, ehrlich gesagt erinnere ich mich schon gar nicht mehr so genau an die Geschichte.“ Ich denke über Enterben nach und schwöre, ihr nie wieder einen Text zum Lesen zu geben. Überhaupt werde ich in Zukunft meine Geschichten wieder unter Verschluss halten und nur sehr ausgewählten, bewährten Testlesern zur Verfügung stellen.

Wenigstens läuft es mit den Männern erfreulicher. Sie umschwirren mich auf freundliche Weise, keiner von ihnen will und soll bleiben, aber ich genieße das Gefühl, dass sie da sind und sich für mich interessieren. Gleich zwei rücken mir immer dichter auf die Pelle, ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll, das kann niemals gut gehen. Die stetig wachsende Nähe und die liebevolle Fürsorge überraschen mich. So war das gar nicht gedacht. Doch ich weiß, dass es ab einem gewissen Punkt nicht weiter gehen wird, nicht weiter gehen kann. Mit dem einen Mann wird es enden, sobald er mit mir ins Bett will. Das geht leider auf keinen Fall. Mit dem anderen Mann geht das sehr wohl, läuft auch schon seit einiger Zeit überraschend gut. Aber neuerdings verändert sich etwas zwischen uns, diese Affäre erhält eine ganz neue Qualität. Verblüfft stelle ich fest, dass ich ihm offenbar wichtiger bin, als ich bisher immer dachte. Das verwirrt und verunsichert mich. Dieses fragile Gebilde kann jederzeit einstürzen, ich weiß das und schütze mich vorsichtshalber rechtzeitig - sofern das überhaupt geht. Aber vorerst genieße ich dieses kleine Glück. Seltsam, was das Leben manchmal für Überraschungen bereit hält. Darüber könnte man glatt ein Buch schreiben. Eins, das vielleicht auch Verwandte interessiert.

Dass ich in all diesem Trubel nicht zum Schlafen komme, wundert mich genau genommen nicht. Wenn doch bloß mal ein Urlaub in Aussicht wäre. Aber dafür muss das Buch wohl ein Bestseller werden. Oder doch noch mal der Mann mit dem dicken Konto auftauchen. Nichts davon ist jedoch in Sicht. Also läuft alles so weiter wie bisher.

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Dienstag, 9. August 2011

Herbst im August

Ich verabschiede den Sommer, der kein Sommer war. Betrogen fühle ich mich um laue Nächte, lange Spaziergänge an endlos hellen Abenden, glühende Hitze auf meiner Haut, die meinen Körper und meine Seele auf Wohlfühltemperatur bringt. In diesem Jahr wird es damit sicher nichts mehr. Mag sein, dass wir wieder einen wunderschönen Oktober bekommen, aber der kann sich anstrengen wie er will, er wird immer nach Abschied schmecken und nicht nach Sommer.

Trotz meiner Herbstdepression bin ich allerdings seltsam wach. Tagsüber arbeite ich wie verrückt, in der Hoffnung, irgendwann in hundert Jahren vielleicht auch mal finanziell dafür entlohnt zu werden. Ich versinke so sehr in meinen Projekten, dass die Tage an mir vorbei rauschen, ohne dass ich es merke. „Man muss jeden Tag etwas völlig Neues machen, so wie Kinder, dann vergeht die Zeit nicht so schnell“, behauptet Lover Number One. Mag sein, dass das stimmt. Leider klappt es bei mir nur nicht. Ich lebe so viel in meiner Innenwelt, da gibt es wenig Spiel, um Neues zu entdecken. Oder etwa doch?

Nachts liege ich in meinem Bett und lausche der Nachbarin über mir, die auch wach ist, aber nicht brav unter ihrer Decke liegt und die Dunkelheit anstarrt, sondern stundenlang ihre Wohnung umzuräumen scheint. Ich habe keine Ahnung, was genau sie da veranstaltet, aber es ist mit viel Gepolter und Gelärme verbunden. In den besonders unruhigen Nächten macht mich das so rasend, dass ich drauf und dran bin, aufzuspringen und ihr mal ein paar Takte zu erzählen. Aber dann erinnere ich mich daran, was für eine einsame, verlorene Seele sie ist und lasse es bleiben. Ich schalte seufzend das Licht wieder an, lese in albernen Büchern, an denen mich am meisten ärgert, dass sie sich so gut verkaufen und irre durchs Internet, das auch nie zur Ruhe kommt und nie schläft.

Und ich begebe mich auf die Suche nach ihm. So ganz durch bin ich also doch noch nicht damit. Aber alles, was ich von ihm finde, ist Erinnerung. Flüchtig, bruchstückhaft, verschwommen. Vermutlich muss ich ihn erst richtig loslassen, bevor er wiederkommt. Bei Lover Number One klappt das doch auch prima. Je weniger ich mich mit ihm befasse, je seltener ich mich bei ihm melde, desto häufiger taucht er auf, unvermittelt, überraschend liebevoll und mir zugewandt. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich das begriffen habe, und vor allem, bis ich selbst nicht mehr das Bedürfnis verspürt habe, ihm hinterher zu rennen. Aber ich will ja auch nicht mehr von ihm. Das, was ich bekomme, reicht mir, und wenn es darüber hinaus noch ein paar Extras gibt, ist das großartig. Das ist beim Tornado natürlich anders. Und genau darin liegt vermutlich der Haken bei der Geschichte. Ich habe etwas erwartet, das weder er noch ich tatsächlich einlösen könnte. Jedenfalls nicht so, wie ich es mir in meinem Kleinmädchenhirn eingebildet habe. Nun heißt es, weiter gehen und daraus lernen.

Irgendwann nachts um drei beschließe ich, dass nun eh alles egal ist und stelle meinen Wecker aus. Ich habe am nächsten Tag keine Termine, da kann ich ja mal so tun, als sei Sonntag. An den Sonntagen bin ich nämlich immer besonders produktiv, trotz Ausschlafen und gemütlichem Frühstück. Ich rätsele immer noch, woran das liegt. Ein bisschen hängt es wohl damit zusammen, dass ich einen anderen Zeitplan im Kopf habe und andere Erwartungen. Ich schaue nicht auf die Uhr und denke: „Oh je, schon mittags und ich habe noch nichts geschafft.“ Vielmehr denke ich: „Zwölf Uhr? Gute Zeit, um den Frühstückstisch abzuräumen und mal ein Stündchen an den Schreibtisch zu gehen, bevor ich einen langen Spaziergang an der Elbe mache.“ Und prompt schaffe ich in einer Stunde so viel wie sonst kaum in der dreifachen Zeit. Ob das an einem Dienstag genauso klappt, weiß ich noch nicht. Ich werde es ausprobieren. Morgens um elf am Küchentisch zu sitzen und einen Blogtext zu schreiben, ist schon mal nicht der schlechteste Start. Wenn es nur nicht so novembrig dunkel wäre, dass ich am liebsten wieder ins Bett gehen würde, wäre fast alles gut.

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Freitag, 17. Juni 2011

Unter Wert

Ich schufte und schufte und schufte. Aber mein Konto sieht trotzdem schlimm aus. Meine kollegialen Berater sagen einstimmig: „Du musst höhere Honorare nehmen. Du musst dir selbst was wert sein.“ Ich nicke brav und spreche mit ihnen durch, was realistisch ist. Dann gehe ich nach Hause, kriege beim Schreiben eines Angebots eine mittlere Krise – und entscheide mich am Ende wieder für zu wenig. So wird das nie was mit dem Reichtum.

Ich unterhalte mich mit zwei Kolleginnen über Singlebörsen. Eine sagt: „Ich würde mich das nie trauen, mich mit wildfremden Männern zu verabreden.“ „Ach“, sage ich, „so wild ist das gar nicht. Ich bin eigentlich nie einem begegnet, der mir unheimlich war. Schlimmstenfalls waren sie verklemmte Langweiler. Aber die meisten sind einfach nur nette Kerle.“ Und plötzlich geht mir auf, dass ich schon Dutzende dieser netten Kerle fortgeschickt habe. Weil ich fand, sie seien nicht gut genug für mich. Oder weil ich Angst hatte – vor ihren Sehnsüchten, ihren Ansprüchen, ihren Verbindlichkeiten. Je unverbindlicher, desto besser. Für billigen Sex bin ich schnell zu haben. Aber das Teure, Kostbare, das horte ich bis zum Sankt Nimmerleinstag. Gerade neulich bin ich wieder panisch vor einem dieser gut situierten Männer geflüchtet, der viel Interesse an mir hatte, der mir große Sicherheiten bieten könnte. Aber ich kriegte eine Krise, ähnlich wie beim Schreiben meiner Angebote – und zog mich zurück. So wird das nie was mit den Männern.

Manchmal ist es wichtig, sich nicht unter Wert zu verkaufen. Manchmal aber braucht man eine Weile, um die eigentlichen Werte von etwas oder jemandem zu entdecken und sollte ein Angebot nicht sofort ablehnen. Aber manche Fehler macht man wohl ein Leben lang. Aus anderen lernt man allerdings doch ein bisschen. Meine Honorare werden besser. Sie sind noch lange nicht gut, aber ich bin auf dem richtigen Weg. Immerhin. Und mit den Männern? Ich weiß nicht. Es ist so leicht, sich mit diesem Mann abzugeben, der ein Meister des Unverbindlichen ist und es gleichzeitig fertig bringt, den Kontakt nie abreißen zu lassen. Wenn es nach ihm geht, wird unsere Affäre vermutlich die nächsten zwanzig Jahre überdauern. „Das ist doch endlich mal eine gewisse Kontinuität“, stellt eine Freundin fest, der ich davon erzähle. Wir lachen beide. Eine langfristige Affäre ohne tiefere Gefühle scheint für mich leichter zu sein als eine dauerhafte Liebe. Aber wer weiß, vielleicht lerne ich eines Tages auch in dieser Hinsicht noch dazu.

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Dienstag, 7. Juni 2011

Aua!

Seit ich denken kann, leide ich unter Rückenschmerzen. Der Frauenarzt verkündete damals bei meiner Geburt, ich sei ein ausgesprochen bindegewebsschwaches Baby. Meinen jüngeren Bruder bezeichnete er ein Jahr später als ausgesprochen muskulös. Im Klartext heißt das: Mein Bruder hatte sein Leben lang nie Rückenprobleme, er kann noch heute eine Nacht auf dem harten Fußboden verbringen und steht morgens total locker auf. Ich dagegen jammere und jaule ständig, mal zwickt es hier, mal klemmt es da. Eine schiefe Wirbelsäule, stressbedingte Blockaden, Muskelverspannungen, abgenutzte Bandscheiben. Ich habe alles, was man so haben kann. Verschonen Sie mich jetzt aber bitte mit Tipps. Ich habe ganze Heerscharen an Orthopäden, Physiotherapeuten, Osteopathen, Körpertherapeuten, Masseuren und, und, und verschlissen. Jeder hatte eine andere Theorie, woher meine Probleme stammten und andere Tipps parat, wie ich sie wieder loswerden könnte. Dauerhaft hat nichts geholfen. Ich habe mich irgendwie arrangiert, mit viel Sport alles einigermaßen unter Kontrolle gehalten und hingenommen, dass ich gelegentlich mal einen Totalausfall hatte und mich ein paar Tage kaum bewegen konnte.

Vor einigen Jahren hatte ich eine sehr extreme Phase in meinem Leben. Nichts ging mehr. Beruflich und privat hatte ich mein Leben komplett gegen die Wand gefahren. Als ich beschloss, mich aus dieser Sackgasse zu befreien, begann mein Rücken zu rebellieren. So schlimm war es noch nie. Während ich früher vor allem mit den Lendenwirbeln zu kämpfen hatte, machten sich nun plötzlich die Brust- und Halswirbel bemerkbar – und zwar auf wirklich üble Weise. Ich konnte nichts mehr machen. Nach einer Stunde Sitzen war ich durch, nach ein bisschen Sport erst recht. Das einzige, was ich dauerhaft ertrug, war Liegen, am besten mit einer Wärmflasche unterm Rücken. Totaler Stillstand. Ich verstand das nicht. Gerade jetzt war doch so viel Positives in meinem Leben geschehen, alles war in Bewegung – und mein Körper zwang mich zur Bewegungslosigkeit.

Mittlerweile bin ich an fast keinem Tag mehr schmerzfrei. Es gibt Tage, an denen ist es so schlimm, dass ich ohne Schmerzmittel nicht auskomme. Das ist natürlich eine enorme Beeinträchtigung der Lebensqualität, jeder, der schon mal über einen längeren Zeitraum Schmerzen hatte, weiß, wovon ich spreche. Aber es wird besser. Mein regelmäßiges Trainingsprogramm, das ich mir zusammengestellt habe, und das anfangs nur fünf Minuten pro Tag dauerte (behaupte niemand mehr, man müsse mindestens eine halbe Stunde rumtoben, um Erfolge zu erzielen; totaler Unfug!), zeigt Wirkung. Ich kann an guten Tagen schon wieder zwanzig Minuten schwimmen, ohne am nächsten Tag am Stock gehen zu müssen. Dieses Rentnerprogramm ist natürlich trotzdem total unbefriedigend, und ich registriere sehr frustriert, wie mein Körper immer mehr auseinanderfällt, meine Muskeln schlaff und weich werden, ich so wenig Kondition wie noch nie in meinem Leben habe und nicht weiß, ob ich das jemals wieder ändern kann.

Aber ich fange an, meinen Rücken zu verstehen. Er ist einfach sehr sensibel geworden und reagiert sofort auf feinste Störungen in meinem Inneren. Ich fühle mich unwohl, bin angespannt, genervt, gestresst, habe Angst und Sorgen – prompt tut mir alles weh. Wenn es mir jedoch richtig gut geht, ist alles egal. Dann kann ich im unbequemsten Bett schlafen, stundenlang in einer totalen Fehlhaltung am Computer hocken – ich fühle mich trotzdem leicht und entspannt. Diese Tage voller Leichtigkeit sind sehr selten, aber sie sind da. Und sie geben mir Hoffnung. Ich hätte gern mehr von ihnen.

Vor allem aber begreife ich eins immer mehr. Die Bindegewebsschwäche und meine ganzen daraus bedingten Fehlhaltungen sind der Grund, warum ich gerade meinen Rücken so spüre und nicht etwa den Magen oder das Herz. Am Ende wird mir aber tatsächlich kein Therapeut dieser Welt helfen können, denn der Schmerz entsteht irgendwo in meinem Kopf. Er schützt mich vor unnötiger Anspannung, vor zu viel Stress und vor meinem Perfektionismus, der mich oft viel zu viel machen lässt. Er zeigt mir auch deutlich, wenn etwas nicht gut läuft. Ich würde das sonst vielleicht gar nicht bemerken. Ich will damit nicht sagen, dass es toll ist, Schmerzen zu haben, ich bin schließlich keine Masochistin (na ja, höchstens ein klein wenig, aber das gehört hier nicht her ...). Aber sie sind nun mal da, und ich weiß inzwischen, dass sie nur weggehen, wenn ich vieles einfach leichter nehme, wenn ich locker und entspannt bin. Das allerdings ist alles andere als leicht. Leider.

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Donnerstag, 5. Mai 2011

Kurioses

„Deine Brüste sehen irgendwie lustig aus.“
„Lustig??? Warum denn das?“
„Keine Ahnung. Die von Mami sehen jedenfalls ganz anders aus. Deine sind lustig.“
„Ah. Ja.“

„Was sind denn das für Tabellen?“
„Da erfasse ich den Größenwachstum unserer Kinder. Wie du siehst – es geht alles schön bergauf.“
„Und diese Grafik da mit dem Zickzack-Verlauf – was ist das?“
„Ähm, ja, da dokumentiere ich meinen Bauchumfang.“

„Ich brauche dringend mehr Geld.“
„Hast du mal darüber nachgedacht, als Prostituierte zu arbeiten?“
„Wie bitte???“
„Na ja – ficken kannst du jedenfalls.“
„Oh, danke. Und diese großartige Geschäftsidee gibt mir gleich so ein wahnsinnig beruhigendes Gefühl, nie mehr Geldsorgen haben zu müssen.“

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Donnerstag, 21. April 2011

Augenblicke

Die Männer geben sich zurzeit so launenhaft, wie man es sonst nur vom Monat April erwartet. Er ist nicht da – und dabei habe ich diesmal extra ein größeres Handtuch eingepackt. Er schreibt mir erst haufenweise sehnsüchtige Mails, doch dann kneift er und schützt Krankheit vor. Darauf stehe ich ja so richtig gar nicht. Und dann ist da noch der Herr, der mir ein zauberhaftes Ostergeschenk gemacht hat, ansonsten aber auch mit Terminproblemen kämpft. Pft, denke ich, dann genieße ich den Frühling eben alleine, so wie immer. Und ich sitze mit einer Schale Erdbeeren und einem Glas Sekt auf meinem Balkon und pfeife auf die Männer. Die wissen ja gar nicht, was sie verpassen.

Später stehe ich bei weit geöffneter Balkontür am Herd. Die Abendsonne scheint direkt in meine Töpfe und lässt die Spaghetti mit Ziegenkäse golden schimmern. Ich hatte ganz vergessen, was für ein wundervolles Gefühl von Freiheit und Glück es ist, wenn meine kleine Küche sich dem Frühling öffnet. Frischer Schnittlauch vom Balkon zum Tomatensalat – himmlisch!

Pünktlich zu Ostern habe ich zwei größere Projekte beendet und genieße nun die Entspannung nach der großen Anstrengung. Nach Ostern geht es hoffentlich mit einem noch größeren Projekt weiter. Ich wage nicht darüber nachzudenken, was passiert, wenn nicht. Immer noch stricke ich alles mit ganz heißer Nadel – ein Auftrag, der platzt, ein Kunde, der nicht zahlt, und dieses wackelige Gebilde stürzt zusammen. Nicht drüber nachdenken, ermahne ich mich selbst, positiv denken, optimistisch vorwärts schauen, dann klappt das schon. Und ich esse Spaghetti, trinke Chardonnay und übe mich darin, im Augenblick zu leben.

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Montag, 7. März 2011

Zentrale Fragen

„Ohne eigene Wohnung habe ich mein Zentrum verloren. Das ist es wohl, was mich zurzeit so belastet.“ Er wirkt kläglich, als er das sagt, und einen schrecklichen Moment lang fürchte ich, er könne anfangen zu weinen. Doch sein Blick ist fest, als er den Kopf hebt. „Was ist denn das Zentrum deines Lebens?“ fragt er mich. „Deine Wohnung?“

Das ist eine Frage, auf die ich so schnell keine Antwort weiß. Das Zentrum meines Lebens? Die Achse, um die sich alles dreht? Die Mitte? Meine Wohnung ist auf jeden Fall mein Ruhepol, mein Rückzugsort, meine Höhle, in der ich mich verkriechen kann und in der ich mich immer wohl fühle, auch nach all den Jahren noch, in denen ich jetzt hier lebe. Es ist nicht alles optimal hier, und es gibt durchaus Tage, an denen ich mich nach einer anderen Bleibe sehne. Aber dann wieder ist alles so gut, so schön, so perfekt, dass ich über einen Umzug nicht mal nachdenke. Ja, meine Wohnung könnte man als das äußere Zentrum meines Lebens bezeichnen.

Aber mein inneres Zentrum ist meine Familie. Diese Erkenntnis überrascht mich selbst, denn das war viele Jahre keineswegs so. Aber es hat sich viel verändert. Heute sind meine Geschwister und ihre Kinder die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie stützen und stärken mich (und machen mich manchmal auch nieder – ja, auch das, aber sie tun das nie mit Absicht, ich weiß das), zu ihnen pflege ich den intensivsten, beständigsten Kontakt. Die Kinder lieben mich auf eine selbstverständliche, innige Weise, die mich immer wieder rührt und mir zeigt, dass ich zumindest als Tante einen richtig guten Job mache. Natürlich ist es nicht so, dass meine Geschwister immer alles von mir erfahren. Es gibt sicher Menschen, denen ich viel intimere Details über meine Ängste und Nöte, meine Sehnsüchte und Begierden erzähle. Aber das ist nicht wichtig. Entscheidend ist das Gefühl von Geborgenheit, von Vertrautheit, das mich umgibt, wenn ich mit meiner Familie zusammen bin. In ihrer Nähe fühle ich mich nie fremd (auch das war früher ganz anders). Dort muss ich mich nicht verstellen, muss weder cool, noch fröhlich, noch klug tun. Es nimmt mir niemand übel, wenn ich zu Besuch komme und das ganze Wochenende nur abhänge, weil mir so danach ist. Oder wenn ich mich mal eine Weile nicht melde, weil ich zu viel um die Ohren oder einfach keine Lust habe. Und dabei weiß ich genau, dass ich in Notzeiten auf niemanden so gut zählen kann wie auf meine Geschwister. Am Ende scheint Blut doch dicker als Freundschaft. Das ist ein gutes Gefühl.

Er hört meiner Erklärung aufmerksam zu. „Mit einem meiner Brüder geht es mir auch so“, sagt er nachdenklich. Mit seinen anderen fünf Geschwistern offenbar nicht. Dann richtet er sich etwas auf. „Aber weißt du was? Vermutlich brauche ich einfach nur dringend eine Frau.“ Ich halte seinem Blick stand, hoffe aber gleichzeitig, dass er nicht findet, ich könne diese Frau sein – trotz all der liebevollen Gefühle, die ich für ihn hege. „Mit einer Frau verschwinden aber auch nicht automatisch alle Probleme“, gebe ich zu bedenken. „Oft wird es dann erst richtig kompliziert.“ „Aber nicht nur.“ Er wirkt fast trotzig, als er das sagt. Und ich frage mich, ob es jemals in meinem Leben einen Mann geben wird, von dem ich sagen kann, er sei mein Zentrum. Und ob das überhaupt erstrebenswert ist.

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Gäste

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Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
Hat ja geklappt :)
steppenhund - 11. Feb, 22:02
Ja, ich erinnere mich...
Ja, ich erinnere mich gut daran. Ich mache mich mal...
feinstrick - 11. Feb, 20:08
Ich hab meine Statistik...
Ich hab meine Statistik ewig nicht angeschaut, aber...
feinstrick - 11. Feb, 20:08

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