Wohnzimmer

Montag, 20. Mai 2013

Sessel

Vor einigen Tagen hatte ich einen bemerkenswerten Traum. Ich träumte, dass ich auf der Suche nach einem Sitzplatz war. Ich trug ein Buch bei mir, das ich lesen wollte, aber dazu musste ich eben erst mal in Ruhe irgendwo sitzen. Gelegenheiten dazu gab es reichlich. Ich ging an schlichten Holzbänken vorbei, die an einer Strandpromenade standen, schön mit Blick aufs Meer. Ich sah einladende Sofas und Sessel auf Wiesen unter Bäumen stehen. Sie hatten farbige Stoffbezüge und hohe, gepolsterte Rückenlehnen mit verschnörkelten Holzrahmen. Versuchshalber ließ ich mich auf einem Sessel in der einladenden Halle eines Hotels nieder. Aber ich fühlte mich nicht wohl dort. Ich steuerte andere Sitzmöbel an, aber keines sagte mir richtig zu. Das eine wirkte zu unbequem. Vom nächsten hatte man keinen schönen Ausblick. Ein Sessel, auf dem ich kurz Platz nahm, stand zwar wunderschön unter einem großen Baum, aber zu dicht neben anderen Sesseln, auf denen lauter Leute saßen, die mich neugierig musterten. Kein guter Platz, um ungestört zu lesen. Also stand ich wieder auf und irrte weiter umher – bis ich aufwachte.

Nie hat mein Unterbewusstes wohl bessere Bilder für mein Lebensthema gefunden: Ich finde meinen Platz nicht. Was ich auch tue, wo ich auch bin, immer ist da ein Gefühl von nicht angekommen sein, nicht dazu zu gehören, weiter suchen zu müssen. Ich bin seit ewigen Zeiten auf der Suche. Nach der Arbeit, die mich ganz und gar erfüllt. Nach dem Mann, der mich so liebt, wie ich bin. Nach Geborgenheit und Nähe. Nach dem Leben, das endlich mal meins ist und sich nicht wie ferngesteuert anfühlt. Ich weiß nicht, woher dieses Gefühl kommt, ich weiß nur, dass es mich seit meiner Kindheit begleitet. Ich fühte mich schon als Zehnjähre in meiner Familie fehl am Platz, hatte in mir drin eine ganz tiefe Sehnsucht nach einer Geborgenheit, die ich nie fand. Als Kind verdrängte ich diese Orientierungslosigkeit mit zornigem Aktionismus, der in späteren Jahren einer beständigen Traurigkeit und Lähmung wich. Was ich auch tat, ich kam nie irgendwo an. Immer, wenn sich etwas ein Weilchen gut anfühlte, drängte es mich, weiterzuziehen, in der Hoffnung, die ganz große Erfüllung noch zu finden. Aber ich konnte mich nie entscheiden, mich nie ganz einlassen, setzte mich immer nur probehalber auf den einen oder anderen Platz, ohne jemals anzukommen.

Mit den Jahren bin ich ruhiger geworden. Ich merke immer öfter, dass das innere Ankommen entscheidend ist, nicht das äußere. Ich finde Heimat in mir drin, unabhängig von den Menschen um mich herum. Aber ich habe auch immer wieder Rückschläge. So wie im Moment. Da renne ich völlig orientierungslos durch mein Leben. Ich sehe viele Sitzgelegenheiten, aber ich schaffe es nicht, mich auch nur mal für ein paar Minuten auf einer von ihnen niederzulassen. Ich bin so erschöpft, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann, aber kein Sessel sieht einladend genug aus, um mich einfach fallen zu lassen, darauf zu vertrauen, dass ich in den weichen Polstern wunderbar entspannen kann, dass alles gut wird. So renne ich weiter, mit wachsender Verzweiflung und Erschöpfung. Bis ich nicht mehr kann.

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Montag, 13. Mai 2013

Verwandtschaft

Mein Bruder hat sich angekündigt. Mit Frau und zwei Kindern (5 und 7) will er sich vier Tage in meiner kleinen Zweizimmerwohnung einquartieren. Ich kriege schon Wochen vorher Panik, schrubbe die ganze Wohnung wie blöd (die Verwandten sind immer viel pingeliger als alle Freunde), fülle den Kühlschrank und beziehe Betten. „Was soll ich denn kochen, wenn ihr ankommt?“, frage ich meinen Bruder. „Am besten Nudeln, das geht schnell“, lautet die Antwort.

Tag 1: Die Sippe rückt an.
Ich hole sie am Bahnhof ab, die kleine Karawane strebt, beladen mit Bergen von Gepäck, vergnügt meiner Wohnung entgegen. Daheim werde ich in rasender Geschwindigkeit enteignet. Bis in den hintersten Winkel wird meine Wohnung von fremden Koffern, Kleidungsstücken, Handys, Büchern, Schlafsäcken, Kuscheltieren und Kulturbeuteln besetzt. Selbst das Treppenhaus wird erobert und zu einem riesigen Schuhlager umfunktioniert. Die Kinder haben Hunger. Ich koche Spaghetti für sie. Die Eltern wollen lieber später essen. „Und bitte keine Nudeln, die hatten wir die letzten Tage schon so oft.“ Aha. Nach dem Essen gehen wir zum Hafengeburtstag. Es ist schon abends, das Kinderprogramm fast vorbei, die meisten Familien streben heimwärts. Unsere Kinder kullern in riesigen Kugeln durch ein Plantschbecken. Direkt nebenan beginnt auf einer Bühne ein Metalkonzert. Uns fliegen fast die Ohren weg. Die Kinder hüpfen auf einem Trampolin. Ich stehe herum, trinke Caipirinha, warte ab. Freunde meines Bruders kommen dazu. Wir stehen herum, trinken Caipirinha und Bier. Ich langweile mich und bin dankbar, als meine Nichte laut sagt: „Ich bin müde, ich will heim.“ Aber wir bleiben weiter stehen, gehen ein paar Schritte, stehen, gehen, stehen. Ich langweile mich noch mehr. Die Rufe meiner Nichte werden lauter, mein Neffe schläft auf dem Arm meines Bruders halb ein. Wir bleiben stehen. Und gehen. Und stehen. Als wir uns endlich im Schneckentempo heimwärts bewegen, sehne ich mein Bett herbei. Aber, ach, da kann ich ja gar nicht rein. Während meine Lieben es sich in meinem großen Bett gemütlich machen, breite ich die Gästematratze auf dem Fußboden im Wohnzimmer aus. „Ich will bei dir schlafen“, sagt meine Nichte. Wer kann einer süßen Siebenjährigen schon so einen Wunsch ausschlagen? Also legen wir einen Schlafsack neben meine Matratze. Nachts rückt die Kleine immer dichter an mich heran. An Schlaf ist kaum zu denken. Wenn schon schlaflose Nächte, dann bitte mit ihm und nicht so, finde ich und verfluche den Tag, an dem ich diesem Besuch zugestimmt habe.

Tag 2: Hafengeburtstag – das Hardcoreprogramm.
Mittags ziehen wir los. Wieder die Hafenmeile rauf, Hüpfburg, Torwandschießen, Bratwurst essen, Riesenrad fahren, Schiffe gucken, Freunde treffen, durch den alten Elbtunnel wandern, Schiffe gucken (sehen ja auch von der anderen Elbseite total anders aus) und stehen, stehen, stehen. „Mir ist langweilig“, sagt meine Nichte. Ich liebe dieses Kind! Wie langweilig mir erst ist, kann ich gar nicht in Worte fassen. Leider beachtet uns aber niemand. Also ergeben wir uns in unser Schicksal, bis wir durch den Elbtunnel zurücklaufen. Anschließend trennen wir uns. Meine Sippe geht Freunde treffen, eine Schiffstour machen. Ich gehe nach Hause. Völlig ermattet sinke ich auf mein Sofa. Viereinhalb Stunden nonstop gehen, stehen, Menschenmassen und Lärm bewältigen. Nur im Riesenrad haben wir gesessen. Ich kann nicht mehr. Die Stille in meiner Wohnung erscheint mir paradiesisch. Und wenn ich die Augen zumache, sehe ich auch das Chaos nicht, das die Besatzer in meinen vier Wänden angerichtet haben. Am späten Abend rücken sie wieder an. Die Eltern überlassen mir ihre lieben Kleinen und ziehen weiter – Party, Party, Party. Ich kann es kaum glauben. Wo nehmen die diese Energie her? „Ich habe Hunger“, sagt mein Neffe, und wieder koche ich Nudeln, bevor ich zwei völlig übermüdete Kinder ins Bett bringe und mich selber auf der Gästematratze zusammenrolle. Immerhin habe ich in dieser Nacht ein Zimmer für mich alleine.

Tag 3: Die Invasion.
Meine Schwester hat sich angekündigt, samt Mann und vier Kindern. Mein Bruder und seine Frau wollen vorher schnell noch zum Hafengeburtstag. Sie haben ihrem Sohn eine Besichtigung des U-Boots versprochen. Da müssen sie unbedingt heute noch hin. Aber sie haben sich verplant und verlassen das Haus erst genau in dem Moment, in dem der andere Verwandtschafsteil anrückt. Hektische Begrüßung im Treppenhaus - „Wir müssen noch mal dringend weg“. Nur meine Nichte bleibt bei mir. Sie hat keine Lust mehr auf Schiffe. Hach, dieses Kind ist mein Blut! Kaffeetrinken mit der neu angereisten Sippschaft. Mein Schwager ist müde und sucht sich in dem Chaos meiner Wohnung einen Schlafplatz. Mein großer Neffe langweilt sich und holt Handy und Tablet aus dem Rucksack. Wir Frauen gehen mit den Kindern zum Spielplatz. Dann findet endlich die glückliche Familienzusammenführung statt. Laute Gespräche. Die Kinder lachen. Das Baby brüllt. Mein Schwager ist müde und genervt. Eine Pizza fällt auf den Boden, dann noch eine. Warum habe ich eigentlich geputzt, bevor diese Invasion über mir hereinbrach? Als der Spuk vorbei ist, beseitigen meine Schwägerin und ich die gröbsten Spuren der Verwüstung. Mein Bruder bringt die Kinder ins Bett. Dann zieht er mit seiner Frau von dannen. „Das Wetter ist plötzlich so super. Da können wir einfach nicht zuhause bleiben.“ Ob es mir recht ist, dass ich erneut den Babysitter mime, fragt niemand.

Tag 4: Brunch und Freunde.
Wir gehen zum Muttertagsbrunch. Freunde kommen kurzfristig noch dazu. Man hatte ihnen am Telefon gesagt, dass es für sie keine Sitzplätze mehr im Restaurant gebe. Daher haben sie bereits zuhause gefrühstückt. Wider Erwarten wurden aber doch genug Stühle und Tische für sie bereitgestellt. Die Frau des Freundes, eine Russin, die von allen gefürchtet wird, am meisten von ihrem Mann, verhandelt mit den Kellnern. Sie sei dank dieser Fehlauskunft ja schon satt, wolle daher nicht den vollen Preis für den Brunch zahlen. Fünf Minuten vergehen. Zehn Minuten. Danach hat sie die armen Kerle besinnungslos geredet und darf sich für ein Fünftel des offiziellen Preises am Buffet bedienen. Sie kommt mit einem Teller zurück, auf dem sich Speisen in sechs Lagen türmen. So viel haben wir anderen alle zusammen verdrückt – zum vollen Preis. Wir staunen. Nach dem Essen gehen wir – natürlich! - zum Hafengeburtstag. Wieder in der Riesenkugel im Plantschbecken herumrollen, Trampolin springen, Musik hören, Schiffe gucken. Stehen, gehen, aufeinander warten. Die Russin verschwindet an einem Telekomstand und verhandelt mit den Verkäufern, bis sie anfangen zu weinen. Wir stehen und warten. Es ist kalt. Es fängt an zu regnen. Mir reicht es. „Ich gehe nach Hause“, sage ich. „Das ist langweilig hier.“ Entgeisterte Blicke. „Du Verräterin“, höre ich sie alle denken. „Du obertotal langweilige Spaßbremse.“ Egal. Was schert mich, was diese Leute denken? Vermutlich wurde ich sowieso bei meiner Geburt vertauscht. Das hier können unmöglich meine Verwandten sein. Es ist später Abend, als sie endlich auch alle heimkehren. Die Kinder wirken noch erstaunlich vergnügt. Ich bin beeindruckt von ihrer Kondition. Sie haben acht Stunden Gehen, Stehen und Eindrücke sammeln hinter sich. An diesem Abend geht niemand mehr aus. Für den nächsten Morgen steht die Abreise auf dem Programm.

Tag 5: Auszug.
Die lieben Verwandten packen. Ich staune, wie leer meine Wohnung aussieht, wenn all diese Koffer und Wäscheberge nicht mehr darin herumliegen. Der Abschied wird rührselig, wie sich das gehört. Meine Nichte ist traurig, sie möchte noch länger hierbleiben. Ihre Mama umarmt mich begeistert: „Das war so toll hier. Wir kommen jetzt jedes Jahr zum Hafengeburtstag zu dir.“ Dann zieht die Karawane weiter. Ich habe Halsschmerzen und bin total erledigt, aber mein Zuhause gehört endlich wieder mir.

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Samstag, 11. Mai 2013

Hippie-WG

Ich: "Damals, als ich noch in einer WG wohnte ..."
Mein Neffe (15): "Haha, ich stelle mir dich gerade in einer Hippie-WG vor, in der alle in der Ecke sitzen und die Shisha rauchen."
Ich: "Ähm, nee, bei uns war das alles ganz harmlos. Obwohl ich mal eine Mitbewohnerin hatte, die tatsächlich gern mal Haschkekse gebacken hat."
Ich gehe zum Schrank, wühle in alten Fotoalben, weil ich ein paar Bilder von damals zeigen will. Aber die WG-Bilder finde ich nicht. Stattdessen haufenweise Fotos von Männern.
Ich: „Oh, ähm, falsches Album.“
Meine Nichte (13): „Wer ist das denn?“
Ich: „Mein Exfreund.“
Meine Nichte: „Du hattest mal einen Freund???“
Mir scheint, so langsam ist es an der Zeit, dass ich den „lieben Kleinen“ mal ein wenig mehr Einblick in mein Leben gebe.

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Donnerstag, 25. April 2013

Diese Tage

Es gibt diese Tage, an denen stehe ich völlig neben mir. Mein Körper kämpft sich wie ferngesteuert durch den Tag, aber Herz und Seele sind ihm irgendwie abhanden gekommen. Sie stehen nackt nebenan, schauen dem Körper zu, wie er sich aus dem Bett müht, wie er würgt und hustet, weil er das Leben nur zum Kotzen findet, wie er sich steif macht und schon morgens um acht ganz erschöpft fühlt, weil er sich so anstrengen muss, die ganze Welt abzuwehren. Sie stehen und schauen und schütteln mitleidig den Kopf, während der Körper wie durch einen dichten Nebel stapft, sich wahllos ein paar Klamotten aus dem Schrank greift, die Haare nicht richtig frisiert, das Schminken zur Hälfte vergisst, alle Konzentration benötigt, um Schlüssel und Geld nicht zu vergessen, bevor er das Haus verlässt, und auf der Straße hofft, dass er keinem bekannten Gesicht begegnet, weil es ihm heute schwer fällt, zu lächeln und Smalltalk zu halten.

Das sind die Tage, an denen ich dankbar bin, wenn ich keine Kundentermine habe, an denen ich zu Fuß gehe, weil ich fürchte, mit dem Fahrrad einen Unfall zu bauen, und an denen ich lieber bei Edeka als bei Aldi einkaufe, weil es mir dort leichter fällt, hübsche Verpackungen aus dem Regal zu nehmen, wohl wissend, dass ich das alles nie essen werde. Es sind die Tage, an denen ich essen gehe, weil ich nicht für mich selber sorgen kann (sofern ich es überhaupt bis auf die Straße schaffe). Vor allem aber sind es die Tage, an denen ich die Geister verfluche, denen ich diese Zustände zu verdanken habe.

An diesen Tagen renne ich zu meiner Zauberin und bitte sie, mir ein neues Leben zu schenken. Aber sie zuckt jedes Mal nur mitleidig mit den Schultern. Ich kriege nichts geschenkt, mir wird nichts weggezaubert, ich muss mich immer wieder neu damit auseinandersetzen. Das klappt manchmal gut, und manchmal überhaupt nicht. Immerhin, ich mache Fortschritte. Während diese Zustände früher manchmal monatelang anhielten, schaffe ich es heute tatsächlich oft schon nach wenigen Tagen, wieder aufzutauchen aus diesem Sumpf. Und doch ist mir das längst nicht genug, würde ich das alles gern für immer abstellen, würde ich stets fröhlich und ausgeglichen sein, lebenslustig und energiegeladen, optimistisch und dem Leben zugewandt – so, wie es mir ja zum Glück an den meisten Tagen des Jahre auch gelingt.

Meine Seele und mein Herz liegen an solchen Tagen vollkommen bloß. Die wenigen Menschen, die die Gabe besitzen, richtig hinzuschauen, können dann meine tiefsten Abgründe erblicken, sehen den Schmerz, den ich gerade aushalte, alle Ängste, alle Verzweiflung. Aber das kommt höchst selten vor. In der Regel kriegt niemand mit, wenn ich diese Zustände habe. Falls ich unter Leute muss, reiße ich mich zusammen (und wundere mich später oft, dass offenbar niemandem was aufgefallen ist). Falls keiner auf mich wartet, lasse ich mich gehen – hinter verschlossenen Türen. Immerhin habe ich mittlerweile ein paar Notfallnummern, sehr gute Freundinnen, die um mich wissen und einfach da sind. Ohne plumpe Aufmunterungssprüche, ohne kluge Ratschläge, ohne die Erwartung, dass es mir am nächsten Tag wieder super geht, weil so wild war das ja doch alles nicht. Das ist ein großer Fortschritt: sprechen zu können, das Vertrauen zu haben, dass da Menschen sind, die mich auffangen. Denn das ist das einzige, was mich trägt.

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Freitag, 15. Februar 2013

Gevatter Tod

In dieser Woche lief der Tod nebenher.

Der Vater meiner ältesten Freundin, die ich seit der Grundschule kenne, ist gestorben. Er war schwer krank, die Überraschung war nicht, dass er starb, sondern dass er das erst nach so vielen Jahren tat. Dennoch kam die Todesnachricht wie immer unerwartet und löste in mir vielfältige Gefühle aus – vor allem Erinnerungen. Ich hatte den Vater meiner Freundin seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, folglich erinnerte ich mich vor allem an meine Kinder- und Jugendzeit, in der diese Familie eine wichtige Rolle in meinem Leben spielte. Und ich sprach mit Menschen, mit denen ich seit damals nicht mehr gesprochen hatte, zu denen aber, wie ich feststellte, eine wunderbar vertraute Verbindung besteht.

Dann gab es den öffentlichen Tod eines großen Mannes. Ein Kollege war ihm im vergangenen Sommer noch begegnet, jetzt war er zutiefst bewegt. Obwohl wir eigentlich aus beruflichen Gründen über das Ereignis mailten, spürte ich seine große Betroffenheit, und die Art, wie er seine Trauer öffentlich zeigte, berührte mich sehr. Wir, die wir uns eigentlich gar nicht kennen, dankten einander mit wenigen, aber sehr warmen Worten für das Verstehen und die Offenheit des anderen.

Es ist seltsam, dass der Tod nicht nur trennt, sondern auch zusammenführt. Dass wir Dinge sagen und tun, die wir sonst nie sagen und tun würden. Dass wir einander verbunden fühlen und Nähe spüren, wo sonst keine ist. Der Tod ist grausam und unverständlich. Aber eben nicht nur. Er ist auch Erlösung und Gnade, Veränderung und Neubeginn. Das ist ein großer, schöner Trost.

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Samstag, 26. Januar 2013

Aufschrei

Die Sexismusdebatte, die seit Tagen im Netz brodelt, beschäftigt mich sehr und fasst mich emotional stark an. Ich schrieb gestern einen sehr langen Blogtext dazu. Nach einer fast schlaflosen Nacht habe ich ihn so sehr überarbeitet, dass ein völlig neuer Text daraus geworden ist. Ich könnte ihn morgen noch mal überarbeiten. Und übermorgen. Und überübermorgen. Einfach, weil es sooo viel zu diesem Thema zu sagen gibt. Nach langem Überlegen habe ich mich für die persönlichste Variante entschieden. Allgemeine Debatten über Sexismus werden andernorts dieser Tage zuhauf geführt, da muss ich nicht Dinge zum hundertsen Mal wiederholen.

Gestern schrieb ich auf Twitter, wo Frauen zurzeit unter dem Hashtag #aufschrei sexistische Erlebnisse posten:

„Dafür, dass ich immer nervös werde, wenn zu später Stunde aus der S-Bahn außer mir nur ein oder zwei Männer aussteigen, ein #Aufschrei“

Daraufhin fragte mich ein Mann mit ernsthafter Neugier, worin ich die Ursache für meine Nervosität sähe. Ich antwortete ihm spontan zweierlei:

„Weil mir schon als Kind eingeredet wurde, dass ich mich vorsehen muss - es gäbe so viel Böses da draußen.“

„Und weil ich mehrmals tatsächlich in brenzligen Situationen war, in denen mich Männer unangenehm belästigt und bedroht haben.“


Hinterher fragte ich mich selber, warum ich eigentlich nicht nur nervös werde, sondern oft richtig Angst habe, wenn ich nachts allein unterwegs bin. Weil mir vor über zwanzig Jahren mal ein Busfahrer, der mein Vater hätte sein können, an einer einsamen Haltestelle folgte und mich in der Dunkelheit eines kleinen Waldstückchens küssen wollte – bloß, weil ich zuvor ein freundliches Gespräch mit ihm geführt hatte? Weil mir mal ein Mann am hellichten Tag in einem Park mit einem Messer gegenüber stand, das er rasch sinken ließ, als andere Passanten um die Ecke kamen? Weil in meiner direkten Nachbarschaft mal nachts, als ich mit einer Freundin aus einem Club nach Hause ging, ein Exhibitionist mit seinem entblößten Geschlecht vor uns herumgewedelt hat? Weil eine gute Freundin von mir als Studentin nachts auf offener Straße von zwei Männern so schlimm vergewaltigt wurde, dass sie jahrelang unter den körperlichen Folgen litt – von den seelischen ganz zu schweigen? Ja. Aber nicht nur.

Die Angst fing viel früher an. In den ewigen, körperlich aggressiven Auseinandersetzungen mit meinem großen Bruder, der sich noch in einem Alter mit mir prügelte, in dem man das längst nicht mehr tun sollte. Er ist fünf Jahre älter als ich und war mir körperlich immer haushoch überlegen. Das änderte sich auch im Erwachsenenalter nicht. Ich bin 1,58 groß und 51 Kilo schwer. Ich habe keine Kampfsportausbildung und bin auch sonst nicht sonderlich sportlich. So ziemlich jeder Mann ist mir körperlich überlegen. Von meinem Bruder lernte ich, diese Überlegenheit zu fürchten. Und erwachsene Frauen taten ihr Übriges dazu. Meine Mutter und alle anderen Frauen, die ich kannte, trichterten mir so lange ein, dass ich niemals im Dunkeln alleine unterwegs sein dürfe, bis ich ihnen glaubte. In mir setzte sich eine tiefe Angst fest. Ich war freilich trotzdem alleine nachts unterwegs und bin es auch heute noch. Vielleicht aus Trotz. Ich wollte mich nicht ständig in meiner Freiheit beschneiden lassen. Aber die Angst ging nie weg. Es ist eine Angst, von der ich mal behaupte, dass sie den meisten Männern total fremd ist.

Aber meine Angst bezog sich nicht nur auf körperliche Unterlegenheit. Ebenfalls zuhause lernte ich, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich behandelt werden, dass die einen mehr Chancen als die anderen haben. Meine Brüder lernten, sich durchzusetzen, sich Freiheiten zu nehmen, zu diskutieren und sich intellektuell zu behaupten. Ich wollte auch Freiheit haben, wollte mich durchsetzen und machen, was mir gefiel. Ich war ein kleiner Wirbelwind, ein Hitzkopf, der alles sagte, was er dachte. Meine Brüder tun das bis heute. In mir hingegen zerbrach etwas, als ich begriff, dass mein Temperament nicht als klug galt, sondern als frech und unverschämt. „Du hast eine spitze Zunge“, sagte mein Vater, und von da an glaubte ich, ihm nur zu gefallen, wenn ich schwieg. „Du hast davon keine Ahnung“, sagte mein großer Bruder – ich glaube das heute noch. Er selbst hatte von allem Ahnung, zumindest bildete er sich das ein. Wie hätte es auch anders sein können? Meine Eltern übertrugen ihm Verantwortung, sie trauten ihm deutlich mehr zu als mir und duldeten es, dass er mich permanent beleidigte, erniedrigte und bevormundete. Wenn er später als Student nach Hause kam, schleppte meine Mutter tonnenweise all seine Lieblingsspeisen heran und umsorgte ihn, als habe er Jahre im Exil in Nordkorea verbracht. Meine Schwester und ich mussten ihr, sofern wir zugegen waren, dabei helfen. Als wir selber nicht mehr bei meinen Eltern lebten und zu Besuch nach Hause kamen, wurde nicht ein Bruchteil dieses Aufwandes für uns betrieben. Im Gegenteil, bei Familientreffen – vorzugsweise an Weihnachten – ackerten wir Frauen in der Küche, während meine Brüder auf dem Sofa herumlungerten. Weder meine Mutter noch mein Vater sagten etwas dazu.

Mich machte diese Ungleichbehandlung sehr zornig. Ich habe gebrüllt, geschrien, geweint. Es verging kaum ein Tag, an dem ich diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht lautstark thematisierte. Geändert hat sich kaum etwas. Und je älter ich wurde, desto mehr resignierte ich. Ich ging meiner eigenen Wege, zog mich aus dem Familienleben innerlich zurück. Ich suchte Frieden statt Kampf. Nur leider fand ich den nie. Das Gefühl, Männern körperlich und intellektuell unterlegen zu sein, ließ mich nie mehr los. Gewiss, auf eine Art hatte ich gelernt, mich zu wehren. Weder verbale noch körperliche Zudringlichkeiten ließ ich zu. Wer mich plump anmachte, erhielt eine giftige Abfuhr. Ich strahlte gelegentlich eine Stärke aus, die mir gar nicht bewusst war. Kein Mann kam mir je wirklich zu nahe. Leider auch nicht im positiven Sinne. So sehr ich mich nach Nähe sehnte, so wenig konnte ich sie zulassen. Ich war auch beruflich nicht sonderlich erfolgreich. Zu schnell ließ ich mich von dem Imponiergehabe vieler Männer einschüchtern. Zu tief saß und sitzt der Glaube, weniger gut zu sein als ein Mann.

Wo hätte ich auch das Gegenteil lernen sollen? Meine Mutter und meine Großmutter waren beide starke Frauen – und doch gaben ihre Männer die Richtung vor, in der sich ihr Leben zu bewegen hatte. Mein Vater hatte gleich zwei Studiengänge absolviert, meine Mutter hatte nicht mal Abitur. Ihren Traum, zusätzlich zu ihrem erlernten Beruf eine Heilausbildung zu absolvieren, unterband mein Vater. Er fand es unpassend, dass eine Mutter von vier Kindern berufstätig war. Und obwohl meine Eltern uns Kindern die gleichen Bildungsschancen zuteil werden ließen und wir alle studierten, machten nur meine Brüder beruflich Karriere. Meine Schwester entschied sich (immerhin ganz freiwillig) dafür, Hausfrau zu sein. Ich selber hatte alle Freiheiten, aber ich hatte nicht gelernt, sie zu nutzen.

Ich weiß, dass es viele Frauen gibt, die eine ähnliche Geschichte erlebt haben wie ich, die sich heute mit ähnlichen Minderwertigkeitsgefühlen herumplagen. Bei den meisten ist es der Vater, der ihnen das Gefühl gab, nichts wert zu sein. Später wird dieses Gefühl durch andere Männer bekräftigt, die abfällige Bemerkungen über ihr Äußeres, ihre Kompetenzen, ihre Art zu denken und zu handeln machen. Männern ist vermutlich gar nicht bewusst, was sie da anrichten. „Ach, das war doch gar nicht so gemeint. So einen Spruch muss man doch ab können.“ Mann kann den auch ab. Frau nicht. Aus oben beschriebenen Gründen.

Und darum finde ich diese #Aufschrei-Geschichte so gut. Da kommen Frauen zu Wort, die ein Leben lang nicht den Mut dazu fanden. Und Männer hören hin, die nie geahnt haben, wie massiv Frauen bedrängt, bedroht, beleidigt werden. Wie alltäglich sexistische Bemerkungen für uns Frauen sind. Wie oft weitere Grenzen überschritten werden und es zu sexuellen Übergriffen kommt. Wie selbstverständlich es für uns ist, mit Angst zu leben. Und warum viele von uns sich so wenig dagegen wehren.

Gerade am Anfang solch einer Debatte müssen erst mal alle Luft ablassen. Dann atmet man durch und fängt an zu sortieren. Und dann, irgendwann, findet man hoffentlich auch Lösungen. Von Hysterie halte ich gar nichts. Natürlich ist das ein sehr emotionales Thema, aber nichts liegt mir ferner, als Männer pauschal zu verurteilen und eine Atmosphäre völlig überzogenen Misstrauens zu schaffen. Die Männer, mit denen ich heute privat und beruflich verkehre, verhalten sich mir gegenüber alle respektvoll und auf Augenhöhe. Sie achten und schätzen mich, und ich schaffe es endlich, ihr Anderssein nicht mehr als Bedrohung zu empfinden. Sexismus habe ich persönlich schon länger nicht mehr erfahren. Dennoch leide ich bis heute unter den Folgen vergangener Erlebnisse. Darum ist mir eine Sensibilisierung für dieses Thema wichtig – und zwar bei beiden Geschlechtern. Es gibt nämlich immer noch (oder wieder) auch viel zu viele Frauen, die Sexismus bagatellisieren. So kommen wir aber nicht ans Ziel, Ladies. Hört gefälligst auf, euch gegenseitig zu bezicken und lernt mal von den Männern. Die verbünden sich nämlich, um ein Ziel zu erreichen. Darum waren und sind sie auch so erfolgreich.

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Sonntag, 6. Januar 2013

Fehlstart

Ich kann nicht grade behaupten, dass das neue Jahr schwungvoll beginnt. In der Woche vor Weihnachten hatte mich eine fiebrige Grippe so komplett dahingerafft, dass ich das Fest um ein Haar einsam im Bett verbracht hätte. Nur mit letzter Kraft habe ich mich zum Bahnhof geschleppt und bin in einem hoffnungslos überfüllten, total verspäteten Zug zu meiner Familie gefahren. Dort lag ich die ganzen Feiertage mehr oder weniger komatös auf dem Sofa und ließ mich bekochen und verwöhnen. Ich kämpfe bis heute mit den letzten Resten dieser Grippe, vor allem mit einer fürchterlichen Erschöpfung. Jeder Schritt ist zu viel, und beim Treppensteigen schnaufe ich wie eine Hundertjährige. Als ich vorhin beim Abwaschen Schweißausbrüche bekam, stellte ich fest, dass ich wieder leichtes Fieber habe. Weil mich auch noch eine Kieferentzündung plagt, nahm ich zwischenzeitlich ein Antibiotikum – und habe nun, vermutlich als Folge davon, eine Blasenentzündung. Tagsüber liege ich also erschlagen mit Wärmflasche auf dem Sofa, während ich nachts schlaflos ins Dunkel starre und mir tausend Sorgen um meine Zukunft mache. Vor allem fällt mir dann alles ein, was ich in diesen Tagen ganz dringend erledigen wollte und was nun weiterhin liegen bleibt. Das Jahr ist ja noch jung, und es kann viel geschehen, aber dieser Fehlstart ist nicht gerade ermutigend.

Während ich sehr nüchtern Bilanz ziehe, tobt um mich herum übertriebener Positivismus. Das geht mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven. Natürlich muss man sich nicht gerade in seinem Elend suhlen, und es ist immer gut und wichtig, den Mut nicht zu verlieren. Aber den Glauben, dass man immer alles erreichen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt, finde ich fatal. Gewiss, es gibt Menschen, denen scheint tatsächlich alles mühelos zu gelingen – weil sie klug sind, weil sie begabt sind, weil sie einfach Glück haben. Und es gibt Menschen, denen gelingt ganz oft nichts – obwohl sie klug sind, obwohl sie begabt sind. Aber ihnen fehlt leider das letzte Quentchen Glück. Ich gehöre eindeutig zur zweiten Gruppe. Natürlich hat das Misslingen immer auch ganz viel mit mir zu tun. Wenn ich hartnäckiger, mutiger, überzeugender, selbstbewusster wäre, dann, ja, dann sähe alles ganz anders aus. Behaupten jedenfalls Esoteriker und Weltverbesserungs-Coaches, um die ich einen immer größeren Bogen mache. Leider habe ich mein Glück nämlich ganz oft überhaupt nicht in der Hand. Wenn ich krank werde, zum Beispiel. Oder wenn Kunden Rechnungen nicht begleichen und mich damit in große Bedrängnis bringen. Wenn Dinge einfach misslingen, so sehr ich mich auch anstrenge.

Wie gesagt, den Mut sollte man nie verlieren. Und darum hoffe auch ich darauf, dass meine Energie in den nächsten Tagen wiederkehrt, dass ich all das erledigen kann, was es zu erledigen gilt – und dass mal ein bisschen Glück vom Himmel fällt und genau in meinen weit geöffneten Armen landet.

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Dienstag, 18. Dezember 2012

Liebes Jahr 2012,

mit Verlaub, aber Du kannst mich mal. Boah, echt jetzt! Mir ist ja wohl selten ein Jahr untergekommen, das so fies und hinterhältig drauf war wie Du. Und ich habe schon einige richtig miese Jahre kennengelernt, Jahre, die genau genommen viel übler waren als Du. Aber diese Jahre waren aufrichtig. Die haben mir ganz deutlich ins Gesicht gesagt: „Hey, Kleine, ich bin einer von den ganz bösen Jungs und ich will nicht nur mit dir spielen. Ich meine es ernst, wenn ich dir sage, dass ich dich jetzt richtig ficken werde.“ Und dann haben sie mich … na ja … umgehauen. Aber das war dann eben so. Ich wusste, woran ich war und habe mich nicht darüber beklagt.

Du aber, 2012, Du bist boshaft und hinterhältig. Und das ist etwas, was ich überhaupt nicht leiden kann. Du bist so fröhlich und friedlich daher gekommen, hast mich angestrahlt, Dich gleich zu Beginn mit sonnigem Urlaub und Geld eingeschleimt und mich in Sicherheit gewogen. Du hast so getan, als seiest Du einer von den Guten, eins der Jahre, an die man später mit leisem Lächeln zurückdenkt: „Ach ja, 2012, das war ein wirklich gutes Jahr.“

Aber dann ging's los: Nicht eine Sekunde lang hast Du mir mein Glück und meine Entspannung gegönnt. Jeder Tag, der gut war, wurde mit zehn Tagen bestraft, die eine Katastrophe waren. Du hast mir heimlich ein Bein nach dem anderen gestellt, mich links liegen lassen, wenn ich dachte, jetzt sei ich endlich mal an der Reihe, mir Hoffnungen gemacht, die sich nie erfüllt haben, mich immer wieder zu Fall gebracht. Und das alles mit diesem boshaften, falschen Grinsen im Gesicht. Ekelhaft!

Und immer, wenn ich dachte, jetzt sei alles wieder gut, hast Du noch einen drauf gepackt. So wie jetzt, ganz am Ende. Da habe ich endlich, nach gefühlten 100 Jahren wieder ein Date mit dem Lover, freue mich wie blöd darauf – und was ist? Einen Tag vorher schickst Du mir eine böse, kleine Erkältung. Nichts wirklich Schlimmes, aber schlimm genug, um mit triefender Nase und fiebriger Stirn auf dem Sofa zu sitzen und genau zu wissen: Auch beim besten Willen bin ich heute nicht imstande, hemmungslosen Sex zu haben. Ich bin nicht mal für ein gepflegtes Beisammensein und gemeinsames Teetrinken zu gebrauchen. Ich bin durch. Total. Vor allem mit Dir, Du dämliches Jahr. Weißte was, 2012? Fick Dich doch selber. Ich will mit Dir nix mehr zu tun haben. Hau gefälligst ab und komm um Himmels Willen nie mehr wieder.

Ich werde mir jetzt in aller Ruhe das Jahr 2013 angucken. Die 13 hat ja keinen besonders guten Ruf weg. Aber das finde ich nicht schlimm. Die bösen Jungs weiß ich nämlich zu nehmen. Mit denen komme ich erheblich besser klar als mit so verlogenen Leuten, die glauben, was Besseres zu sein und sich am Ende als die letzten Arschlöcher entpuppen. Echt jetzt!

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Sonntag, 11. November 2012

Das tollste Erlebnis

Meine neunjährige Nichte fragte mich heute: „Was war das tollste Erlebnis in deinem Leben?“ Ich wusste darauf keine Antwort. Nicht etwa, weil mein Leben so arm an tollen Erlebnissen ist, sondern weil ich nicht auszuwählen vermochte. Das Allertollste? DER Moment in meinem Leben? Das ist schwierig.

Es gibt Leute, die können diesen einen großartigsten Augenblick ihres Lebens genau benennen – vorzugsweise bei Dankesreden auf Oscar-Verleihungen. Ich habe aber noch nie einen Oscar erhalten und auch keine anderen Preise, nicht mal den 1. Preis beim Schülerlesewettbewerb. Ich bin immer die, die auf dem 4. oder 5. Platz landet. Gaaanz knapp vorbei. Auch Hochzeiten sollen ja für viele Leute das schönste Ereignis ihres Lebens sein. Ich habe aber bis jetzt nicht geheiratet. Kinder habe ich auch keine. Die ganz großen Ereignisse habe ich bis jetzt wohl ausgelassen.

Spontan fielen mir ein paar Reisen ein. Nichts Spektakuläres, aber doch besondere Momente. Wandern in den Bergen mit sensationellem Ausblick auf Täler und Schluchten. Ein Galopp auf einem struppigen Pony am Meer, bei dem mir der Wind die Tränen in die Augen trieb und mein Herz weiter war als der endlos breite Strand. In Südschweden zu nachtschlafender Zeit in den Sonnenaufgang radeln. In Frankreich vor einem Zelt sitzen und einen unfassbaren Sternenhimmel bestaunen.

Dann fiel mir der Moment ein, als ich erfuhr, dass ich eine Eins in meiner Magisterarbeit geschrieben hatte. Nach einem endlos langen Studium, in dem ich mich ständig fehl am Platz fühlte, und einer ebenso endlosen, quälenden Prüfungszeit war das ein unbeschreibliches Geschenk, ein intensiver Moment des Glücks. Ich dachte daran, wie ich mal in einem Segelflugzeug über der Fischbeker Heide schwebte und staunte, wie waldreich der Süden Hamburgs doch ist. Mir fielen Momente mit guten Freunden, mit meiner Familie, mit den Kindern ein. Intensive Minuten und Stunden voller Wärme, Lachen, Geborgenheit. Augenblicke mit Männern, die ich liebte, kamen mir in den Sinn. Innigkeit, Leidenschaft, eins werden – nur für ein paar Wimpernschläge vielleicht, aber unendlich kostbar und auf ewig festgehalten.

Fazit: Es gab in meinem Leben bisher nie diesen einen ganz großen Moment, dieses umwerfende Ereignis, das mir mehr bedeutet als alles andere. Vielmehr gibt es viele kleine Augenblicke des Glücks, wunderbare Momente intensiven (Er-)Lebens. Das tollste Erlebnis, könnte ich sagen, ist vielleicht das Leben an sich. Einen Oscar gewinnt man damit natürlich nicht, ich weiß. Aber das ist auch gar nicht wichtig.

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Mittwoch, 31. Oktober 2012

Süßes und Saures

An meiner Tür klingelt es. Ich verkrieche mich und öffne nicht – ein wenig mit schlechtem Gewissen, ein wenig genervt. „Süßes oder Saures“ ist so dämlich, dass ich mich nicht damit anfreunden kann, ich blöde Spielverderberin. Früher, da haben wir an diesem Tag Reformationslieder geschmettert. Ob das besser war, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Aber es hatte zumindest einen Sinn.

Dabei bin ich alles andere als schlecht gelaunt, nur ein wenig müde. Mein Leben ist voll im Moment, und bunt. Es passiert viel Süßes. Das jüngste Kind in meiner Familie ist da. Und ich, die ich im Vorwege überhaupt kein Interesse an diesem Neuzugang hatte, bin natürlich hingerissen und total verliebt in das niedliche Fräulein. Genauso wie die großen Geschwister, die sich regelrecht darum prügeln, wer die Kleine im Arm halten darf. Außerdem habe ich ein Herzensprojekt in die Welt gebracht, das nun laufen lernen muss. Ich bin sehr, sehr glücklich darüber. Genauso wie über intensive Freundschaften, die ich zurzeit mit besonders großer Innigkeit pflege.

Das, was mir sauer aufstößt, wird davon regelrecht überdeckt. Es ist der ewige Überlebenskampf, den ich momentan erstaunlich gelassen nehme, genauso wie Enttäuschungen, Ablehnung, Absagen. Und auch mein Herzweh hält sich in Grenzen. Vielmehr begreife ich immer mehr, dass es andere Dinge sind, auf die es ankommt. Fürs Bloggen bleibt da wenig Zeit, obwohl ich ständig online bin. Aber andere Projekte haben momentan Vorrang. Das ist irgendwie schade, und manchmal träume ich davon, den ganzen Tag nichts anderes zu machen als schreiben, schreiben, schreiben. Eines Tages werde ich das auch tun. Ich glaube, das ist ein schönes Fernziel. Bis dahin mache ich gelegentlich auch mal wieder die Tür auf und verteile Süßes. Ich bin ja gar nicht so.

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