Wohnzimmer

Donnerstag, 10. April 2014

Blut und Schmerz

Kürzlich habe ich „Gladiator“ auf DVD angesehen. Eigentlich sind solche Filme nichts mehr für mich. Ich bin in den letzten Jahren so empfindlich geworden, dass ich nur noch harmlose Komödien und Herzschmerzromantik aushalte. Alles, was mit Blut, Gewalt und Abgrund zu tun hat, geht (fast) nicht mehr. Keine Ahnung, ob das ein Altersphänomen ist, oder nur eine spezielle Macke von mir persönlich.

Und nun also „Gladiator“. Vor ein paar Monaten lief der Film im Fernsehen, aber ich habe keinen Fernseher mehr und der Stream klemmte und außerdem dachte ich nach der (recht langen) Ouvertüre, in der sich Römer und Germanen gegenseitig abschlachten: Nein, das brauche ich nicht mehr, und ich schaltete ab.

Aber nun fiel mir die DVD in die Hände, und da dachte ich auf einmal: Hach, Mensch, Russell Crowe ist so großartig, und ich erinnerte mich daran, wie beeindruckt ich damals war, nachdem ich den Film im Kino gesehen hatte (da war ich noch nicht so eine Zimperliese). Und diesmal hielt ich durch und war von Minute zu Minute mehr in der Geschichte drin und erlag erneut ihrer Faszination. Wie in allen guten Geschichten ist die Botschaft simpel, aber grandios verpackt, wobei es nicht um historische Genauigkeit geht. Dennoch erhält man eine Ahnung davon, was sich für Dramen in den römischen Amphitheatern abspielten.

Was mich vor allem die ganze Zeit beschäftigte, war aber die Frage: Wie konnten die Menschen damals so leben? Wie konnten sie so kultiviert sein und gleichzeitig so grausam? Wie konnten sie es zulassen, dass Menschen sich gegenseitig niedermetzelten, während ihnen Tausende zujubelten? Wie konnten Menschen Ängste und Schmerzen ertragen, die ich mir nicht mal vorzustellen vermag?

Das Schöne an DVDs ist ja, dass man oft noch einen Haufen Hintergrundinformationen mitgeliefert bekommt, und so war es auch hier. In einem Special gehen Historiker dem Phänomen der Gladiatorenkämpfe nach. Und ich war baff. Diese Leute wurden nicht nur, wie ich bisher dachte, als Sklaven und Kriegsgefangene zum Kämpfen gezwungen, viele von ihnen machten das freiwillig. Für Ruhm, Ehre und Geld. Sie rangierten einerseits gesellschaftlich ganz unten, andererseits wurden sie umjubelt wie Popstars. Dieser ganze Zauber war auch keine flüchtige Angelegenheit. Rund 700 Jahre lang praktizierten die Römer ihre Spiele, die manchmal bis zu 150 Tage am Stück dauerten und neben den Gladiatorenkämpfen auch öffentliche Hinrichtungen und Tiershows enthielten. Ich saß da, hörte die Berichte über all diese unvorstellbaren Grausamkeiten, gruselte mich und war dankbar, dass ich in einer anderen Zeit lebe. Und ich stellte mir erneut einen Haufen Fragen dazu, wie Menschen diese Brutalität ertragen konnten. Spannend fand ich die Ausgangsfrage eines Historikers: „Waren die Menschen damals anders als wir? Waren sie Bestien, weil sie derartige Grausamkeiten zuließen?“ Seine Antwort am Ende des Films: „Nein, sie waren genauso wie wir.“

Stimmt das? Sind wir auch alle Bestien, die sich am Leid anderer weiden? Hat sich die Welt in den letzten 2000 Jahren wirklich so wenig verändert? Ist nicht vieles humaner und zivilisierter geworden? Natürlich kämpfen auch heute noch Leute für Geld bis aufs Blut (beim Boxen zum Beispiel). Aber sie sterben nicht dabei. Ist das nicht ein enormer Unterschied? Und was ist mit den Zuschauern, die mitfiebern und jubeln, die gerade im Sport immer riskantere Spektakel erleben wollen? Sind sie anders als die Besucher von Gladiatorenkämpfen im alten Rom? Oder wie ist es mit dem Phänomen der Schaulustigen, die am besten noch Rettungskräfte behindern, damit sie hautnah dabei sein können, während jemand - etwa nach einem Unfall - um sein Leben ringt? Ist das etwas anderes, als einer Hinrichtung beizuwohnen?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber manchmal erschreckt mich der Gedanke schon, dass wir nicht halb so zivilisiert und human sind, wie wir immer denken, dass in uns allen ein Stück altes Rom steckt – schwankend zwischen Zivilisation und Barbarei.

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Donnerstag, 6. Februar 2014

Ruhe

Es ist zurzeit recht still hier, ich weiß. Mein Alter Ego hat sich zur Ruhe gesetzt – jedenfalls vorübergehend. Das liegt nicht daran, dass ich keine Zeit zum Schreiben finde, ich habe nur so wenig zu sagen. Ich denke sehr viel nach, brüte vor mich hin, grübele, träume, plane, schwelge in Erinnerungen, gebe Sehnsüchten Raum, die ich längst nicht mehr haben wollte - und genieße auf eine stille, unproduktive, anspruchslose Art das Leben. Vielleicht ist es die große Ruhe vor dem Sturm, oder auch nach dem Sturm, je nachdem, wie man es betrachtet. Ich räume auf oder wappne mich, verdaue oder schaffe Platz für Neues. Oder auch alles zusammen.

Wie auch immer, der Januar war so schnell rum, dass es mir fast den Atem nahm, angefüllt mit schönen Begegnungen voller Lachen und Intensität, mit kleinen Erfolgen, Arbeit und Trödelei. Eine gute Mischung, die ich gern noch eine Weile beibehalten würde. Herzensprojekte gedeihen, Freundschaften tragen mich, ich bin so sehr bei mir, wie schon lange nicht mehr. Leider weiß ich auch, woran das liegt, und das wiederum ist kein so schöner Gedanke. Aber Fakt ist: Es geht mir erheblich besser, wenn keine Männer durch mein Leben geistern. Dann kann ich mich voll und ganz auf meine beruflichen und privaten Projekte konzentrieren und mein Leben fließen lassen, langsam und gleichmäßig, gelegentlich auch mal etwas schneller, nie aber so, dass es mich umwirft.

Das klingt ein bisschen langweilig, und das ist es wohl auch. Vor allem aber ist es natürlich deprimierend. Denn es ist ja nicht so, dass ich es wirklich toll finde, alleine zu sein. Ich vermisse so viel, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen und wo aufhören soll mit Aufzählen. Und doch bin ich nicht unglücklich, sondern genieße diese stille Zufriedenheit sehr, die sich in mir ausgebreitet hat. Kein Gefühlschaos, keine Angst, zu wenig geliebt zu werden, keine unsinnigen und ungewollten Erwartungen. Herrlich! Ja, doch. Nein, natürlich nicht. Ach je, was soll ich sagen? Es ist, wie es ist, und im Moment ist es gut so, dass ich zur Ruhe gekommen bin. Wie lange diese Ruhe anhält, weiß ich natürlich nicht. Denn eins ist ja klar: Das Leben ist zu kurz, um sich jetzt schon aufs Altenteil zurückzuziehen.

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Mittwoch, 1. Januar 2014

Neustart

Gestern Mittag hatte ich noch das Gefühl, die Erschöpfung eines ganzen Jahres mache sich breit und ich könne nichts mehr tun außer ins Bett zu gehen und bis ins neue Jahr zu schlafen. Das alte Jahr war lang und anstrengend, und jede Sekunde davon schien ich in meinen Knochen zu spüren. Einen Teil des geplanten Silvesterprogramms sagte ich daher ab, den Rest hätte ich am liebsten auch abgeblasen. Das tat ich nur nicht, weil ich keine Lust auf Konflikte und doofe Fragen hatte („Ist nicht dein Ernst? Du willst nicht wirklich Silvester alleine auf dem Sofa verbringen?“). Ein wenig feige, das gebe ich zu.

Aber dann wurde es doch noch ein schönes Silvester. In liebenswerter Gesellschaft habe ich sehr fürstlich gespeist, geredet, gelacht, über Mode nachgedacht, das alte Jahr mit viel Champagner fortgespült und das neue fröhlich bei Feuerwerk und noch mehr Champagner begrüßt. Nach überraschend viel Schlaf habe ich den Tag heute so unverkatert und ausgeschlafen verbracht wie kaum je zuvor einen 1. Januar. Die erste Lernerfahrung im neuen Jahr: Man kann problemlos viel Alkohol trinken, er muss nur qualitativ sehr gut sein.

Nun fange ich noch mal von vorne an. 364 unverbrauchte Tage warten - frisch, neu, herausfordernd. Ich sage mal möglichst wertfrei: Ich bin gespannt!

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Montag, 23. Dezember 2013

Müde

Mein letzter Jahresrückblick fiel recht zornig aus. Dieses Mal fehlt mir die Power zum Brüllen, ich bin einfach nur müde. Erschöpft von einem Jahr, das mir in vielerlei Hinsicht einiges abverlangt hat, das unbarmherzig und hässlich war, traurig und anstrengend, warm, fröhlich und heiter, vor allem aber still und nachdenklich. Es war ein Jahr der leisen Töne, der stillen Auseinandersetzungen mit mir selbst, meinem Dasein, dem Leben an sich.

Beruflich war es ein überraschend gutes Jahr, jedenfalls, wenn ich auf meine Zahlen schaue. Außerdem habe ich ein Herzensprojekt sehr erfolgreich auf den Weg gebracht. Das macht mich dankbar und glücklich. Wirklich gefühlt habe ich den Erfolg komischerweise jedoch nur selten, dafür war ich innerlich zu sehr an anderen Orten.

Privat war es ein Jahr der intensiven Freundschaften und des kleinen Glücks. Das jüngste Kind in meiner Familie habe ich (natürlich!) sehr ins Herz geschlossen und finde es nur zauberhaft. Ich begegne ihm mit einer Gelassenheit, die ich bei seinen großen Geschwistern nicht immer hatte. Und dabei hätte ich erwartet, dass es genau anders herum sein würde.

Es war aber auch ein Jahr des Abschieds. Ich habe auf einer ungewöhnlichen Trauerfeier Abschied von einem großen Stück Familiengeschichte genommen. Und ich habe einen Herzensmenschen losgelassen, nicht, weil ich ihn nicht mehr liebte, sondern weil ich unser Miteinander nicht ertrug.

Ich habe sehr viel Zeit zuhause verbracht, manchmal freiwillig, manchmal gezwungenermaßen. Dabei sind Erkenntnisse gewachsen und Ideen gereift. Was sich daraus ergibt, werden die kommenden Jahre zeigen. Am Ende dieses stillen Jahres ging mir noch mal richtig fett die Puste aus und ich lag wochenlang krank im Bett. Jetzt finde ich, dass es allmählich reicht mit der Stille, dass es höchste Zeit ist für Abwechslung, für Neues und Abenteuerliches, für Veränderungen und Entdeckungen. Wohin die Reise geht? Keine Ahnung. Ich lasse mich überraschen.

An dieser Stelle möchte ich all meinen Lesern danken, von denen mir manche seit vielen Jahren die Treue halten. Ich weiß all Eure nachdenklichen, anregenden oder witzigen Kommentare sehr zu schätzen, genauso wie Euer stummes Mitlesen oder auch die gelegentlichen kleinen flattr-Beiträge, die mich immer wieder erfreuen. In letzter Zeit war hier nicht besonders viel los, das gebe ich zu. Das heißt nicht, dass ich nichts zu erzählen habe. Es findet nur häufiger an anderen Orten, mit anderen Medien statt. Aber ich nehme mir vor, diesem kleinen Blog im neuen Jahr wieder etwas mehr Leben einzuhauchen.

Frohe Weihnachten und ein gutes, lebendiges neues Jahr Euch allen!

PS: Und nächstes Jahr wird es endlich mal einen granatenmäßigen, begeisterten Jahresrückblick geben, das schwöre ich. So kann es ja nicht weitergehen.

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Dienstag, 3. Dezember 2013

Dezemberstille

Hier ist es momentan ein wenig still, ich weiß. Aber mein Leben findet zurzeit an anderen Orten statt – online wie offline. Der Herbst war bunt und anstrengend. Nun wird es ruhiger, was ich mit gemischten Gefühlen betrachte. Einerseits ist der Winter für mich immer eine Zeit des inneren Stillstands. Da möchte ich nicht viel mehr tun, als auf dem Sofa liegen, dicke Schmöker lesen und von sonnigen Tagen am Meer träumen. Andererseits benötigen ein paar Projekte noch kräftigen Anschub, damit sie im neuen Jahr gedeihen können. Ab und zu muss ich also doch mal das Sofa verlassen.

Ich schiele schon ein wenig zum neuen Jahr hinüber, aber noch habe ich überhaupt keine Meinung dazu. Selbst über den Jahresabschluss habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Zum ersten Mal seit Jahren habe ich noch keine Silvesterpläne und nicht mal den Hauch einer Idee, wie ich diesen Tag verbringen könnte. Zurückschauen mag ich auch nicht recht. Das alte Jahr war lang, anstrengend, verworren. Einiges lief gründlich schief, anderes war großartig. Ich habe viel über mich selbst gelernt, bin an meine persönlichen Grenzen gelangt und stelle fest, dass ich mich gelegentlich immer noch wie eine Zwanzigjährige fühle – ratlos, orientierungslos, unsicher.

Ein wenig befinde ich mich im Niemandsland, Altes ist noch nicht abgeschlossen, Neues noch nicht greifbar. So neblig und trüb wie dieser Dezembertag erscheint, fühlt sich auch in mir einiges an. Nun warte ich auf die Sonne, die den Nebel vertreibt und den Blick freigibt auf alles, was bisher im Verborgenen lag.

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Mittwoch, 9. Oktober 2013

Leben, unbedingt!

Ich mache einen spontanen Besuch bei meiner Nachbarin Frau W., die 83 ist – ungefähr so alt, wie meine Mutter heute wäre. Ich war ewig nicht bei ihr, hatte schon ein schlechtes Gewissen und dachte oft: Herrje, eines Tages ist sie tot, und du hast es nicht mal mehr geschafft, die paar Stufen zu ihr hinauf zu steigen. Frau W. freut sich riesig, sie hat gerade Plätzchen gebacken, die ich nun unbedingt probieren muss.

Sie sagt zu mir: „Sie sehen großartig aus – so ausgeruht und entspannt. Ich habe immer das Gefühl, dass Sie sehr in sich ruhen.“ Ich sage nicht, dass ich nur so ausgeruht wirke, weil ich vorhin erschöpft auf dem Sofa eingenickt bin. Im Grunde bin ich zurzeit ständig müde. Und dass ich in mir ruhe, ist ohnehin ein Witz. Gerade in den letzten Monaten stand ich oft komplett neben mir und beobachtete hilflos, wie mir mein Leben zu entgleiten schien. Jedenfalls in emotionaler Hinsicht. Erstaunlich, dass ich auf Außenstehende offenbar gelassen und kompetent wirke. Innerlich bin ich ängstlich, unsicher und ratlos. Und unfassbar träge.

Kürzlich sprach ich mit einer Freundin darüber. Wir treffen uns regelmäßig, um uns über Berufliches auszutauschen, uns gegenseitig zu motivieren und Probleme gemeinsam zu meistern. In letzter Zeit fiel uns auf, dass wir uns oft etwas vornehmen, das wir nicht einhalten. So Sachen wie: „Ich gehe zum Sport.“ Oder: „Ich mache richtige Arbeitspausen und einen Tag pro Woche den Computer nicht an.“ Wir grübeln immer wieder darüber, woran es liegt, dass wir diese Vereinbarungen nicht einhalten. Wieso sind wir so inkonsequent? Wieso tun wir alles, um uns selbst auszubeuten und uns schlecht zu fühlen, aber nur sehr wenig, damit es uns gut geht?

„Man muss sich einfach dafür entscheiden, etwas zu tun“, behaupten die Erfolgstrainer gern. „Man muss sich nur vorstellen, wie toll es sich anfühlt, ein Ziel zu erreichen, dann klappt das auch.“ Es gibt genug Techniken und Methoden, die uns genau das vorgaukeln: Klare Ziele vor Augen, klare Entscheidungen treffen – und schwuppdiwupp ist man super erfolgreich. Mag sein, dass es Leute gibt, die für derartige Methoden sehr empfänglich sind. Ich bin es leider überhaupt nicht. Ich kann mir gewisse Dinge hundertmal vornehmen und kriege sie trotzdem nicht hin.

Nun sagte meine Freundin: „Ich glaube, das ist ein sehr grundsätzliches Problem. Mir scheint, es hat mit der Frage zu tun, ob man überhaupt leben will.“ Ich war entsetzt. Natürlich will ich leben, das ist doch gar keine Frage. Also protestierte ich: „Das ist mir zu radikal. Ich glaube, es hat eher damit zu tun, wie ich leben will.“ Meine Freundin sehr energisch: „Nein. Du willst nicht ungesund leben, krank sein, weil du keinen Sport treibst, erschöpft, weil du dir keine Pausen gönnst, überfordert, weil du dich ständig unter Druck setzt. Das willst du gar nicht. Aber das gute Leben, in dem du für dich sorgst, in dem du auf dich acht gibst, in dem du genießt, das willst du offenbar auch nicht haben. Also – willst du überhaupt leben?

Diese recht provokante Frage lässt mich seitdem nicht mehr los. Hat meine Freundin recht mit ihrer Behauptung? Will ich überhaupt leben? Verweigere ich mich dem Leben, indem ich nicht für mich sorge? Oder ist es nicht doch auch völlig in Ordnung, ein „Sparflammenleben“ zu führen? Wer sagt denn, dass man unbedingt Sport treiben muss? Hängt davon mein persönliches Glück ab? Oder haben die Erfolgstrainer doch recht, und ich habe bisher nie wirklich bewusste Entscheidungen getroffen?

Nach einigem Grübeln wird mir eins klar: Dass ich leben will, habe ich vor sehr langer Zeit sehr bewusst entschieden, in einem äußerst finsteren Moment meines Daseins. Seitdem ist für mich klar: Ich bleibe hier, bis mein Körper nicht mehr mitmacht. Für mich geht es nicht um das Ob, sondern nur um das Wie. Und da hat meine Freundin natürlich recht: Im Grunde ist mir dieses schluffige Sparflammenleben zuwider. Ich möchte rausgehen, mir den Sturm um die Nase fegen lassen, an meine Grenzen gehen – und vielleicht auch darüber hinaus. Andererseits – was heißt denn das nun wieder? Tobte in meinem Inneren in der letzten Zeit nicht ein recht ordentlicher Orkan? Reicht das nicht an Abenteuern? Fallschirmspringen, Nobelpreise gewinnen und Männer vernaschen kann ich doch immer noch später. Und falls dieses Später nicht mehr kommt, ist mein Leben dadurch doch nicht weniger lebenswert.

Während wir Tee trinken und frischgebackene Plätzchen essen, erzählt Frau W., meine biedere, alte Nachbarin, dass sie in den nächsten Tagen mit ihrer Malgruppe zu einer Ausstellung in die Boutique Bizarre auf der Reeperbahn gehen will. Und sie beklagt sich über ihre langweiligen alten Freundinnen, mit denen sie immer weniger anzufangen weiß, weil sie sich für nichts mehr interessieren. Das zeugt von so viel Lebensfreude, dass ich mir wünsche, mit 80 ähnlich gut gelaunt zu sein. Ja, denke ich, es hat doch was mit dem Wollen zu tun, mit der bewussten Entscheidung, ein Leben auf diese oder jene Weise zu führen. Warum man allerdings das eine will und das andere tut, weiß ich trotzdem noch nicht.

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Freitag, 9. August 2013

Anspannung

Mein Urlaub beginnt nicht gerade entspannt. Ein großes Herzensprojekt von mir lernt laufen. Nach vielen Niederlagen und Zurückweisungen ist das für mich unfassbar. Noch bewegt sich alles in einem bescheidenen Rahmen – aber mir genügt es. Aufgeregt verfolge ich jeden Schritt, den mein Baby macht und freue mich, weil sich andere Menschen so sehr an ihm erfreuen. Das ist ein unfassbar schönes Geschenk. Aber vor lauter Aufregung komme ich gar nicht zur Ruhe.

Dazu kommt der Tod eines Onkels. Er war alt und krank und sein Sterben keine Überraschung. Wir hatten kaum Kontakt, in den letzten zehn Jahren habe ich ihn ganze drei Mal gesehen – zweimal auf einer Beerdigung, einmal auf einer Hochzeit. Und doch bin ich nun mitten drin im Trauerwirrwarr. Die nächsten Angehörigen wollten, überfordert und gesundheitlich selbst schwer angeschlagen, zunächst keine offizielle Trauerfeier organisieren. Irritation bis hin zu Empörung seitens der Verwandtschaft. („Wir haben doch auch ein Recht auf Abschiednehmen.“). Ich streite mich mit meinem Bruder, der sehr herrisch und besitzergreifend vorgeht und auf meine Einwände hin den Chef raushängen lässt: „Ich weiß genau, was ich zu tun habe.“ Wirklich? Weiß überhaupt irgendwer, was zu tun ist, wenn ein anderer Mensch Vater oder Ehemann verliert? Oft wissen es doch die Betroffenen nicht mal selbst.

Es wird nun doch eine Feier geben. Wie sehr der Druck der Sippschaft bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat, vermag ich nicht zu sagen. Mein Urlaub wird jedenfalls zerschnitten von einer Reise nach Süddeutschland, die weder erfreulich noch entspannt sein wird. Bis dahin suche ich dringend nach Ruheinseln, die ich bisher kaum finde – vor allem, weil ich innerlich so unruhig bin. Entspannung, so merke ich, entsteht nicht auf Knopfdruck, schon gar nicht, wenn man zuvor monatelang unter Hochspannung stand.

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Sonntag, 4. August 2013

Wunderliche Entscheidungen

So, nun habe ich eine Reise gebucht. Für das Hotel, in das ich seit Jahren fahre. Und das, nachdem ich mir gefühlte hundert andere Urlaubsziele und Hotels im Netz angesehen habe. Mir scheint, ich werde wunderlich. Falls ich es nicht schon bin. Wenn ich dereinst im Altenheim verweile, werde ich vermutlich auch zu den Leuten gehören, die einen tierischen Aufstand machen, wenn beim Essen mal jemand anderes auf ihrem angestammten Platz sitzt.

Wie auch immer – seit die Buchung raus ist, geht es mir besser. Jetzt habe ich den Kopf endlich wieder frei für andere Dinge. Zwei Arbeitstage noch, dann beginnt laut Plan mein Urlaub – vier unfassbar lange, luxuriöse Wochen, in denen ich erst noch den heimischen Sommer genießen werde, um dann, sozusagen als finalen Höhepunkt, in den Süden zu fliegen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal in meinem Leben vier Wochen am Stück Urlaub hatte. Ich glaube, da war ich noch Studentin.

Dass ich mir diese Auszeit ausgerechnet jetzt gönne, nach einem in vielerlei Hinsicht katastrophalen ersten halben Jahr, ist ohnehin höchst verwunderlich. Ich kenne mich selbst gar nicht wieder. Sollte ich tatsächlich endlich gelernt haben, im richtigen Moment unvernünftig zu sein?

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Samstag, 3. August 2013

Ladehemmung

Ich bin nicht gut darin, Entscheidungen zu treffen. Ganz besonders schlimm ist es, wenn es darum geht, Geld auszugeben. Ich werde dann auf seltsame Weise sehr vernünftig und sehr geizig – und zwar im Kleinen wie im Großen. Brauche ich diese Schuhe wirklich unbedingt? Muss ich zum Essen auch noch ein Getränk kaufen? Macht es Sinn, einen teuren Urlaub zu buchen, wo es doch auch kostengünstigere Erholungsmöglichkeiten gäbe? Ich umkreise das Objekt meiner Begierden endlos. Manchmal kaufe ich es, manchmal nicht. Meistens nicht. Für die Sachen, die ich schlussendlich kaufe – und das ist der Witz dabei - entscheide ich mich nämlich oft recht spontan.

Urlaubsentscheidungen treffe ich besonders ungern. Immer ist da so ein leises Gefühl von schlechtem Gewissen: „So viel Geld willst Du fürs Nichtstun ausgeben?“ „Ja, will ich“, sagt in mir drin ein trotziges Kind. „Nein, nein, war nur ein Scherz“, erklingt eine andere Stimme. „Natürlich gebe ich nicht so viel Geld fürs Faulenzen aus, ich bin doch nicht bescheuert. Das Geld werde ich in nützliche Dinge investieren. Einen neuen Kühlschrank zum Beispiel. Oder ich spare es für Notzeiten. Die kommen garantiert immer irgendwann.“

Auch in diesen Tagen ist meine Stimme der Vernunft sehr laut. Heute habe ich zweimal beinah eine Reise gebucht. Zweimal hat mich diese Stimme buchstäblich in letzter Sekunde davon abgehalten. Kleinlaut machte ich einen Rückzieher – bis das Angebot nicht mehr verfügbar war. Wenn ich mich dann endlich dazu durchgerungen habe, bin ich meistens sehr glücklich mit der Entscheidung und genieße den Urlaub oder die neuen Schuhe oder was auch immer sehr. Aber vorher? Schlimm.

Ich werde morgen einen neuen Anlauf für meine Urlaubsplanung unternehmen. Mal sehen, ob er erfolgreicher ist.

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Sonntag, 30. Juni 2013

Entscheidungen

Bei mir stehen größere Veränderungen an. Das ist ein mühsamer Prozess. Ich war noch nie gut darin, Entscheidungen zu treffen. Immer überlege ich hundertmal, zögere und gehe eher zwei Schritte rückwärts als eine vorwärts. Aber irgendwann ist dann immer der Punkt erreicht, an dem ich merke: Nein, so geht es nicht, ich will VORWÄRTS! Und dann sehe ich die Richtung klar vor mir und weiß, was zu tun ist.

Auch jetzt ist es so: Wochenlang hing ich in einem Loch und wusste nicht mehr weiter. Das Wetter war mehr als passend dazu. Während der Himmel nicht aufhörte zu weinen, ging mein ganzes Leben den Bach runter. Scheinbar jedenfalls. In Wahrheit war ja alles gar nicht so schlimm, es fühlte sich nur kurzzeitig so an. Und nun stehen Entscheidungen an, große und kleine. Die ersten habe ich bereits getroffen. Eine trug ich monatlang mit mir umher. Seit ich mich endlich entschieden habe, geht es mir – wen wundert's? - viel besser.

Die zweite Entscheidung trage ich noch länger mit mir herum. Vor ihr habe ich Angst, und ich spüre, dass ich sie immer wieder hinausschiebe und denke: Gibt es nicht noch einen anderen Weg? Muss ich wirklich so einen radikalen Schnitt machen? Warum stelle ich mich bloß so an? Warum bin ich so unentspannt? Aber ich begreife immer mehr, dass ich die Antworten alle längst kenne.

Eine weitere Entscheidung ist nicht mit Angst verbunden, sondern eher mit Ratlosigkeit. Wohin soll die Reise gehen? Was will ich mit dem Rest meines Lebens anfangen? Das ist keine große, endgültige Entscheidung, sondern eine, die ich nur schrittchenweise vollziehen kann.

Anstrengend ist das alles, aber irgendwie auch befreiend. Nach all dem Stillstand der letzten Monate bewege ich mich wieder. Wie gut! Freilich drücke ich mich auch jetzt immer wieder vor der einen oder anderen Auseinandersetzung. Lieber eröffne ich Nebenschauplätze, investiere jede Menge Zeit in unsinnige Projekte, statt nachzudenken und weiche immer wieder den eigentlichen Fragen aus. Aber ich bin inzwischen zuversichtlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich loslege. Die Richtig ist jedenfalls längst klar.

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Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
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feinstrick - 11. Feb, 20:08
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