Sonntag, 6. Januar 2013

Fehlstart

Ich kann nicht grade behaupten, dass das neue Jahr schwungvoll beginnt. In der Woche vor Weihnachten hatte mich eine fiebrige Grippe so komplett dahingerafft, dass ich das Fest um ein Haar einsam im Bett verbracht hätte. Nur mit letzter Kraft habe ich mich zum Bahnhof geschleppt und bin in einem hoffnungslos überfüllten, total verspäteten Zug zu meiner Familie gefahren. Dort lag ich die ganzen Feiertage mehr oder weniger komatös auf dem Sofa und ließ mich bekochen und verwöhnen. Ich kämpfe bis heute mit den letzten Resten dieser Grippe, vor allem mit einer fürchterlichen Erschöpfung. Jeder Schritt ist zu viel, und beim Treppensteigen schnaufe ich wie eine Hundertjährige. Als ich vorhin beim Abwaschen Schweißausbrüche bekam, stellte ich fest, dass ich wieder leichtes Fieber habe. Weil mich auch noch eine Kieferentzündung plagt, nahm ich zwischenzeitlich ein Antibiotikum – und habe nun, vermutlich als Folge davon, eine Blasenentzündung. Tagsüber liege ich also erschlagen mit Wärmflasche auf dem Sofa, während ich nachts schlaflos ins Dunkel starre und mir tausend Sorgen um meine Zukunft mache. Vor allem fällt mir dann alles ein, was ich in diesen Tagen ganz dringend erledigen wollte und was nun weiterhin liegen bleibt. Das Jahr ist ja noch jung, und es kann viel geschehen, aber dieser Fehlstart ist nicht gerade ermutigend.

Während ich sehr nüchtern Bilanz ziehe, tobt um mich herum übertriebener Positivismus. Das geht mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven. Natürlich muss man sich nicht gerade in seinem Elend suhlen, und es ist immer gut und wichtig, den Mut nicht zu verlieren. Aber den Glauben, dass man immer alles erreichen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt, finde ich fatal. Gewiss, es gibt Menschen, denen scheint tatsächlich alles mühelos zu gelingen – weil sie klug sind, weil sie begabt sind, weil sie einfach Glück haben. Und es gibt Menschen, denen gelingt ganz oft nichts – obwohl sie klug sind, obwohl sie begabt sind. Aber ihnen fehlt leider das letzte Quentchen Glück. Ich gehöre eindeutig zur zweiten Gruppe. Natürlich hat das Misslingen immer auch ganz viel mit mir zu tun. Wenn ich hartnäckiger, mutiger, überzeugender, selbstbewusster wäre, dann, ja, dann sähe alles ganz anders aus. Behaupten jedenfalls Esoteriker und Weltverbesserungs-Coaches, um die ich einen immer größeren Bogen mache. Leider habe ich mein Glück nämlich ganz oft überhaupt nicht in der Hand. Wenn ich krank werde, zum Beispiel. Oder wenn Kunden Rechnungen nicht begleichen und mich damit in große Bedrängnis bringen. Wenn Dinge einfach misslingen, so sehr ich mich auch anstrenge.

Wie gesagt, den Mut sollte man nie verlieren. Und darum hoffe auch ich darauf, dass meine Energie in den nächsten Tagen wiederkehrt, dass ich all das erledigen kann, was es zu erledigen gilt – und dass mal ein bisschen Glück vom Himmel fällt und genau in meinen weit geöffneten Armen landet.

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testsiegerin - 6. Jan, 14:35

Die Arme offen zu halten ist ja schon mal ein guter Anfang ;-)
Und bitte, treten Sie nicht zur Seite, wenn das Glück vom Himmel fällt.

Ich wünsche gute Besserung und erspare mir ein "dann kanns ja nur besser werden".

feinstrick - 6. Jan, 15:53

Danke. :-)
Ja, da ist nach oben noch seeehr viel Luft.
kittykoma - 6. Jan, 14:46

Diesen krank und allein-Zustand kenne ich, der macht mich so verzweifelt, dass es bei mir richtig exizentiell wird. Auch wenn ich jetzt in wunden Stellen popele: "Die erfolgreichen Menschen" gibt es nicht. Die haben genauso Pech, Rückschläge hinzunehmen, bauen Scheiße, scheitern mit Pauken und Trompeten, werden ignoriert und erreichen bei weitem nicht alles, was sie sich vornehmen. Es ist ene Frage der Sicht auf de Dinge.
Vielleicht gehört zu einem zufriedenen Leben auch, zu akzeptieren, dass man die Gabe hat, bestimmte Dinge nicht zu wollen und vorbeiziehen zu lassen und manches, was man gerade aufgebaut hat, mit dem A... wieder einzureißen. Und Anstrengung allein macht kein Gelingen, nur, wenn man die Dinge tut, die man kann und - will.
Das, was wir leben, denn wir haben nur noch wenige Zwänge und enorme Wahlfreiheit in unserer Gesellschaft, ist selbst bestimmt. Das macht es bei weitem nicht einfacher, weil wir nicht mal mehr jemand anders die Schuld geben können.
Wären Sie als arme Bauersfrau mit 6 Kindern und einem grobschlächtigen Mann vor 100 Jahren glücklicher gewesen?

Lassen Sie die Ohren nicht hängen und gute Besserung!

feinstrick - 6. Jan, 16:04

Ja, Kranksein kann in der Tat eine sehr existenzielle Angelegenheit werden - zumal ich seit mittlerweile einem halben Jahr mit angezogener Handbremse fahre und das inzwischen deutlich spüre - körperlich, seelisch, finanziell.

"Und Anstrengung allein macht kein Gelingen, nur, wenn man die Dinge tut, die man kann und - will."
Und genau das stimmt eben nicht immer: Dinge können auch misslingen, obwohl man sie kann und obwohl man sie gern macht.

Und nein, natürlich wäre ich als Bauersfrau mit sechs Kindern nicht glücklicher. Darum geht es aber auch nicht.
Regine (Gast) - 6. Jan, 15:59

Also, verehrte Frau Feinstrick, 2013 kündigt sich möglicherweise erstmal als ehrlicher Bösewicht an - und das war, wenn ich mich recht entsinne, bis vor kurzem noch gewünscht :-)
Nein, Ironie beiseite, ich kenn das auch. Was diese Menschen angeht, denen anscheinend das Glück so zufällt - ich hatte ja im letzten Jahr das Vergnügen einer solchen Bekanntschaft und durfte erleben, wie skrupellos solche Charaktere auf ihrer unerbittlichen Glücksjagd werden können, wieviel an Qualität des Moments sie nicht bemerken und daher auch Vieles nicht wissen. Dabei können sie ganz herzlich und intelligent auftreten, bis man mal an der Oberfläche kratzt und es einem ganz schlecht werden kann. Sobald ihr Selbstbild in Gefahr ist, rennen sie weg, wenn sie nicht entkommen, treten sie sicherheitshalber nochmal nach.
Ich weiss, nicht alle sind so, aber ein gesundes Mißtrauen ist nicht fehl am Platze und ich wünsche, dass Frau Feinstrick weiter der Mensch bleibt, der seine Narben stolz vorzeigen kann, so dass Gleichgesinnte sich erkennen und verstehen können. Das ist nämlich ein Glück, das selten ist, aber umso zufriedenstellender. Weil es Empathie mit sich bringt und Vertrauen schafft.
Übrigens eine schöne Erklärung, warum das mit der Glücksindustrie nicht wirklich befriedigt (und auch die guten Vorsätze zum Neuen Jahr nicht klappen können), habe ich hier gefunden: https://pilgrimage-of-failure.info/?q=die-guten-vorsaetze-zum-neuen-jahr

feinstrick - 6. Jan, 16:15

Haha, sehr gut aufgepasst! Der Bösewicht ist schon recht munter. ;-) Und ja, er darf das auch. Aber ich möchte bitte nicht von anderen Leuten ständig hören, dass ich den Bösewicht problemlos in einen Engel verwandeln kann, wenn ich nur fest genug dran glaube.

Und für den Rest: Danke! :-)
Regine (Gast) - 6. Jan, 16:44

Ja, da fällt mir noch einer der besten guten Vorsätze zum Neuen Jahr ein, die ich überhaupt kenne: höflich zur Seite treten, wenn etwas am Allerwertesten vorbeigehen möchte.
Kann man sich nicht oft genug vornehmen.
feinstrick - 6. Jan, 16:48

Klasse!!! :-)))

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