Samstag, 5. Mai 2012

Chemie

„Ich würde keine Frau von meiner Bettkante schubsen“, pflegt mein Schwager zu sagen. Andere Männer verstehen auch nicht, warum ich gelegentlich über fehlenden Sex klage: „Du musst doch bloß auf die Straße gehen, schon bieten sich dir hundert Gelegenheiten.“ Das sagen sie nicht, um meine (ohnehin nur spärlich vorhandenen) weiblichen Reize zu preisen, sondern um mir klar zu machen, dass jeder Mann, wirklich jeder mit mir ins Bett gehen würde, wenn ich es nur wollte. Tatsächlich? Sind Männer so?

Die Sache ist nur die: Ich bin nicht so. Ich will nämlich keineswegs mit jedem Mann ins Bett, ganz im Gegenteil. „Ihr Frauen seid aber auch immer wählerisch“, sagen die Männer dann, und manchmal schwingt dabei ein leicht beleidigter Unterton in ihren Stimmen mit. Nun ja, vermutlich ist das noch so ein evolutionäres Überbleibsel. Während Männer von dem Drang beseelt sind, ihren Samen fleißig über die Welt zu verteilen, schauen Frauen doch noch mal genauer hin, wessen Brut sie da später eigentlich aufziehen sollen.

Ich schaue nicht unbedingt, ich fühle und rieche und schmecke. Und dabei geschehen Dinge, die ich nicht vorhersehen kann. Ob ich Lust auf einen Mann habe, hängt erst mal davon ab, ob er mir sympathisch ist, ob da etwas zwischen uns in Schwingungen gerät. Ob es dann aber im Bett auch passt, ob die Chemie stimmt, das weiß ich erst, wenn es zur Sache geht. Und da erlebe ich immer wieder Überraschungen.

Mit ihm hat es auf Anhieb geklappt. Dabei hatte ich auf zwischenmenschlicher Ebene zunächst große Mühe mit ihm, fühlte mich unsicher und unwohl und hätte im Leben nicht gedacht, dass ich so viel Lust für diesen Mann empfinden könnte. Aber sobald wir intim werden, sprechen wir eine andere Sprache miteinander. Vom ersten Kuss an fühlte sich alles so vetraut, so richtig an, als hätte ich schon hundertmal mit ihm Sex gehabt. Und je länger wir uns kennen, desto größer werden meine Zuneigung und Leidenschaft für ihn, unabhängig von allen emotionalen Spannungen zwischen uns. Für ihn war ich auch sofort Feuer und Flamme. Wir kannten uns keine zwei Stunden, als wir bereits Arm in Arm auf meinem Sofa lagen und ich ihn am liebsten nie mehr losgelassen hätte. Er hätte in jener denkwürdigen Nacht alles mit mir machen können, das war Leidenschaft pur.

Er ist mir auch sofort sympathisch. In seiner Nähe fühle ich mich wohl und entspannt. Er ist attraktiv, freundlich, humorvoll, gebildet. Auch bei unserem zweiten Date haben wir uns viel zu erzählen, lachen gemeinsam, gibt es eine Verbindung zwischen uns. Wir gehen bald zu mir nach Hause und machen jede Menge aufregende Dinge miteinander. Zu aufregend vielleicht, mit zu wenig Vorlauf für vertrauensbildende Maßnahmen. Wie auch immer, nach einer Weile geschieht etwas, das mir immer wieder mit Männern passiert: Ich entwickele eine zunehmende körperliche Abneigung gegen ihn. Alles Orale wird mir von Minute zu Minute mehr zuwider, beim Küssen angefangen, von anderen Dingen ganz zu schweigen. Während wir uns so wild durch die Laken wälzen, dass ich fürchte, das Bett werde zusammenkrachen, frage ich mich, wie lange er wohl noch zu bleiben gedenkt. Ich muss die Augen schließen, weil ich ihn nicht anschauen mag, und – das ist mir überhaupt noch nie im Bett passiert – ich denke plötzlich über andere Männer nach.

Die innere Distanz, die zwischen uns entsteht, lässt sich nicht mehr rückgängig machen, so sehr er sich auch um mich bemüht und mir Lust bereitet. So lange ich nichts machen muss, ist alles gut. Aber sobald ich ihn anschauen, berühren, riechen und schmecken soll, ist es vorbei. Nun könnte ich natürlich sagen: Ist doch okay, das muss ja auch alles nicht so intim werden. Und beim ersten Mal läuft eh nicht viel, man braucht einfach Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Darum verabschiede ich ihn auch freundlich. Mit ein, zwei Nächten Abstand werde ich sicher alles anders sehen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Je mehr ich über diesen Abend nachdenke, desto deutlicher spüre ich meine Abneigung, die sich bis zum Ekel steigert. Ich verabschiede mich aus dieser Affäre wieder, bevor sie richtig in Gang kommt.

Ich glaube, das sind tatsächlich pure chemische Prozesse, die dafür verantwortlich sind, irgendwelche Enzyme, Hormone, was weiß ich. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich einem Mann total verfalle, obwohl das Miteinander mit ihm so schwierig und kompliziert ist, dass ich es manchmal leid bin, während ich einen anderen fortschicke, mit dem alles ganz leicht und unkompliziert sein könnte. Es liegt nicht an der Attraktivät dieses Mannes und nicht an der Sympathie, die ich für ihn empfinde, und auch nicht an seinen Talenten als Liebhaber. Wenn die Chemie nicht stimmt, können die Männer sich noch so sehr um mich bemühen, dann geht einfach nichts. Darum würde ich, im Gegensatz zu meinem Schwager, viele Männer von meiner Bettkante schubsen, egal wie bedürftig ich wäre. Mein Körper trifft da Entscheidungen, die mein Kopf nicht beeinflussen kann. Ja, ich bin wirklich sehr wählerisch. Da kann man(n) nichts machen.

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Montag, 23. April 2012

Blind Date

Ich habe ein Date. Es ist ein halbes Blind Date – ich weiß kaum was über ihn, wir hatten nur einen sehr kurzen Mailkontakt. Er hat nicht mal ein Foto von mir. „Ich lasse mich gern überraschen“, schreibt er, und das gefällt mir. Handynummern haben wir nicht getauscht, ich gebe meine nie vor solchen Dates raus, und er hat, wie sich später rausstellt, überhaupt kein Handy. So was gibt’s – und es gefällt mir, weil es von einem sehr eigenen Charakter zeugt.

Das ganze Wochenende hänge ich in den Seilen, eine Erkältung bahnt sich an. Am Sonntagmorgen denke ich: Boah, nee, das wird nix, ich fühle mich so krank und erschöpft, dass ich niemanden sehen will. Schon gar nicht einen fremden Mann. Aber dann raffe ich mich abends doch auf, und frisch geduscht fühlt sich alles auch gar nicht mehr so schlecht an.

Ich gehe zur Bushaltestelle und warte. Und warte. Und warte. Irgendwann ist klar, dass hier was nicht stimmt. Aus Gründen, die niemand kennt, kommt der Bus nicht. Nervös schaue ich auf die Uhr. Bis zur Verabredung sind es noch fünfzehn Minuten. Das schaffe ich nicht mehr, egal was ich unternehme. Ich gehe zu Fuß los, in der Hoffnung, bei einer der nächsten Bushaltestellen einen anderen Bus einer anderen Linie zu erwischen. Aber Fehlanzeige. In der Gegenrichtung sind alle möglichen Busse unterwegs, nur in meiner nicht. An einer Haltestelle parkt ein Taxi, doch vom Fahrer ist zunächst nichts zu sehen. Per Taxi zu einem Blind Date? Ich wäge ab. Ist es mir das überhaupt wert? Warum drehe ich nicht um und setze mich mit einem heißen Tee auf mein Sofa. Da gehöre ich doch eigentlich hin. In dem Moment kommt der Taxifahrer aus einem Café, und die Würfel sind gefallen.

„Warum haben Sie denn keine Handynummern getauscht?“, fragt der Taxifahrer erstaunt. „So was muss man doch machen.“ Nein, muss man nicht. „Aber“, beruhigt er mich, “der ist bestimmt noch da.“ Ich schiele auf meine Uhr. Mittlerweile bin ich fast eine halbe Stunde zu spät. „Nein“, sage ich, „der ist weg. ICH wäre jedenfalls weg.“ „Ja, Sie vielleicht, aber kein Mann. Der wartet.“ Ist das so? Warten Männer länger als Frauen? „Er ist weg“, seufze ich, während wir im Schneckentempo durch die Stadt kriechen. Wo kommen all diese Autos her? Am Sonntagabend ist doch sonst nie was auf den Straßen los. „Er wartet“, beharrt der Taxifahrer. „Eine Stunde sollte man immer warten. Es kann doch jederzeit was passieren, das sehen Sie ja jetzt selbst.“ Aber nicht bei einem Blind Date, denke ich, da glaubt man immer gleich, der andere habe es mit der Verabredung nicht so ernst gemeint und einen hängen gelassen. Als ich aussteige, bleibt der Taxifahrer mit seinem Wagen vor dem Café stehen. „Ich will wissen, ob er noch da ist.“

Das Café ist groß und verwinkelt, ich gehe von Raum zu Raum und mustere alle Gäste gespannt. In der letzten Ecke sitzt er. Ich erkenne ihn sofort, obwohl er den Kopf gesenkt hat und in ein Buch vertieft ist. Wir begrüßen uns, als würden wir uns schon ewig kennen. „Sorry, dass du so lange warten musstest“, sage ich. „Wieso?“, fragt er. „Wie spät ist es denn?“ Er hatte sich so in seinem Buch festgelesen, dass er die Zeit völlig vergessen hatte. Das bringen auch nur Männer fertig. Ich springe lachend zum Fenster und winke dem Taxifahrer zu. Er winkt zurück. Alles ist gut!

Und dann erlebe ich einen überraschend schönen Abend.

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Samstag, 21. April 2012

Herzensmänner

Er steht plötzlich in der Tür, und ich freue mich riesig. Es ist so schön mit ihm, so vertraut, so nah. Und vor allem so unkompliziert. Ich erzähle von meinen Männerproblemen, er von seinen Frauenproblemen. Wir verstehen uns fast ohne Worte, und kurz denke ich: Warum haben wir uns eigentlich nie zusammengetan? Komplizierter als alles, was ich bisher hatte und habe, wäre das auch nicht geworden. Er vermisst seine Wohnung, und ich bin begeistert, als er erzählt, dass er im Herbst definitiv in meine Nachbarschaft zurückkehren will. Das ist die schönste Nachricht des Tages, wenn nicht gar der Woche. Alles wird gut!

Einem anderen Mann erzähle ich von dem feinen Riss, den ich zwischen ihm und mir seit ein paar Tagen spüre. Er gibt Deutungen ab, die mich nachdenklich machen. Aber stimmt das wirklich alles so? Keine Ahnung. Wir kuscheln miteinander auf seinem Sofa, und ich genieße das und denke gleichzeitig: Hä, was mache ich denn hier? Behutsam löse ich mich von ihm, und als er sagt: „Schön zu wissen, dass du jetzt wieder auf dem Markt bist“, schüttele ich energisch den Kopf. „Nein, bin ich nicht.“ Jedenfalls nicht so. Nicht für ihn.

Ich habe Verabredungen mit fremden Männern. Ich fühle mich zehn Jahre jünger, wie damals, als ich in einer haltlosen Zeit von einem Mann zum nächsten gezogen bin, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne mich auf Nähe einlassen zu können. Noch habe ich keinen der Männer getroffen, und ich bin eher skeptisch. Vielleicht kneift ja noch einer oder hat das Foto seines besten Freundes ins Netz gestellt. Alles schon erlebt. Aber ich merke, wie sehr mich der Gedanke an fremde Haut und Sex mit einem Unbekannten beschäftigt. Ich bin neugierig, und gleichzeitig spüre ich ein Unbehagen, das ich früher nicht hatte. Eigentlich will ich das alles doch gar nicht. Im Grunde ist das nur eine Art Trotzreaktion. „Was du kannst, kann ich schon lange“, möchte ich Mr. Obercasanova zurufen. Und dann wird mir sehr weh ums Herz, und ich denke darüber nach, was Menschen alles anstellen, nur, um sich ihren eigenen Gefühlen nicht stellen zu müssen. So verschieden er und ich auch sein mögen, aber diese Kunst beherrschen wir beide in Vollendung.

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Dienstag, 17. April 2012

Distanz

Er sitzt da auf meinem Sofa, als sei er nie weggewesen. Und doch schaue ich ihn an wie einen Fremden. Irgendwas ist anders, auch anders als all die Male, bei denen wir uns zwischendurch trafen, in Cafés und Kneipen. Ich weiß nicht, was es ist, aber sein überraschender Besuch bringt mich total aus dem Konzept. Er hingegen ist mir sehr zugewandt, liebevoll, zärtlich, mit ungewohnter Fröhlichkeit. Unser letztes Gespräch muss einen Schalter in ihm umgelegt haben. Ich bin sprachlos. Und weiterhin irritiert. Behutsam erwidere ich seine Küsse, taste mich zögernd vorwärts. Es ist ein bisschen wie beim ersten Mal, nur dass ich diesmal nicht so aufgeregt bin. Trotz allem ist da schließlich eine große Vertrautheit. Wir schauen uns im Spiegel an, eng umschlungen stehen wir da, er berührt mich zärtlich und beobachtet meine Reaktionen. Überrascht stelle ich fest, wie gut wir zusammenpassen, viel besser als ich immer dachte. Der Sex ist intensiv und wild, wir umklammern einander wie Ertrinkende, immer enger, immer fester, schmerzhaft. Zwischendrin reden wir, leicht und ungezwungen, ich bin dabei viel entspannter als früher. Und doch fehlt etwas. Die Monate währende Kluft zwischen uns haben wir überwunden, aber ein kleiner, feiner Riss ist zurückgeblieben. Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit aus früheren Tagen habe ich nicht mehr, und als er von seinen anderen Frauen erzählt, bin ich eifersüchtig. Wie immer geht er irgendwann nach Hause, und ich liege die halbe Nacht wach und spüre ihm nach. Am nächsten Tag bin ich nicht satt und ausgeglichen wie früher immer, sondern einfach nur leer.

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Sonntag, 15. April 2012

Frauengespräche

Wir sitzen zusammen bei Pasta, Wein und Sekt. Es ist ein entspannter, gemütlicher Abend unter Frauen. Das Gespräch dreht sich bald nur noch um Männer. Je länger wir reden, desto intimer werden die Themen. „Ich hab da mal ne Frage“, sagt meine Freundin, und ich antworte scherzhaft: „Also, mit den Bienen und den Blumen ist das folgendermaßen ...“. Aber dann sind wir plötzlich mittendrin im sehr Privaten. Welche Techniken magst du? Stehst du auf Analsex? Und wie geht das, ohne dass es wehtut und unangenehm ist? Ich versuche, die Sache mit den dominanten Männern zu erklären. „Mit denen macht Sex einfach viel mehr Spaß, weil es ihnen nie nur darum geht, ihre eigene Lust zu befriedigen. Ich als Frau stehe im Mittelpunkt, alles dreht sich um mich. Da wird Sex zum Ereignis, das ist toll.“ Meine Freundin schaut mich zweifelnd an. Ich hole noch mal aus, versuche es deutlicher. „Es ist ein Spiel, das nur bei großem gegenseitigem Vertrauen funktioniert. Dadurch wird es automatisch sehr intim. Das ist wohl das Besondere.“ Ich weiß, viele Frauen setzen Dominanz gleich mit Unterdrückung, mit brutalem Machogehabe. Dabei ist es genau das Gegenteil. Aber es ist schwer, das begreiflich zu machen, man muss es wohl einfach fühlen. Wir trinken noch mehr Wein und reden und reden. „Sprichst du häufiger so offen über Sex?“, fragt meine Freundin. Nein, das tue ich nicht. Gelegentlich schreibe ich anonym im Internet darüber. Aber drüber reden, meine privatesten Neigungen preisgeben? Das kommt sehr selten vor. Und auch nur, wenn ich weiß, dass die Andere ähnlich tickt wie ich. Oder schlichtweg den Mut findet, zu fragen.

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Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
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steppenhund - 11. Feb, 22:02
Ja, ich erinnere mich...
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feinstrick - 11. Feb, 20:08
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