Samstag, 1. Januar 2011

Neujahr

Um es vorweg zu nehmen: Mein Jahreswechsel war grandios. Abgesehen vielleicht von den fünf Tonnen Raclette-Käse, die ich vertilgt habe und die mir die ganze, lange Nacht über eine gewisse … hm, Bodenhaftung verliehen haben. Aber sonst stimmte alles: Ich hatte wunderbaren, liebenswerten, fröhlichen Besuch. Wir hatten ein üppiges Essen mit viel Wein, Sekt und natürlich Käse. Wir waren auf einer großen Party und haben die ganze Nacht getanzt. Als wir heimgingen, waren bereits die Männer von der Stadtreinigung damit beschäftigt, den Silvestermüll auf den Straßen zu beseitigen. Wir haben einen Frosch in einen Prinzen verwandelt – jedenfalls im Wasserglas. Und einige andere Frösche haben wir ausgelacht – sie werden nie Prinzen werden, nicht mal im Wasserglas. Wir haben an einem wunderschönen Platz an der vereisten Elbe das Feuerwerk angeschaut und uns daran erinnert, was für ein gesegnetes Leben wir doch oft haben – trotz all der Täler, die wir gelegentlich durchwandern müssen. Aber vielleicht kann man den Zauber so einer Silvesternacht auch erst richtig erkennen, wenn man nicht nur ein sehr bewegtes Jahr, sondern überhaupt bereits ein sehr buntes, bewegtes Leben hinter sich hat, in dem es viel Lachen, aber auch jede Menge Tränen, Einsamkeit, Verluste gab – nur, um am Ende zu erkennen, dass all das einen nicht umbringt, sondern dem eigenen Leben eine wunderbare Tiefe und Fülle gibt.

Es hat mich getröstet, zu sehen, wie viele attraktive, selbstbewusste Frauen letzte Nacht allein unterwegs waren, und mit wie viel Vergnügen sie sich ins Getümmel gestürzt und ausgelassen getanzt haben. Die Single-Männer hingegen strömten alle erst mal an die Bar, um sich Mut anzutrinken – mit dem Ergebnis, dass etliche von ihnen bereits um Mitternacht kaum noch ihren Namen wussten. Jungs, ich gebe euch mal einen kleinen Tipp: So wird das auch in diesem Jahr nichts mit den Frauen. Ihr werdet weiterhin zu den Fröschen gehören, über die ich lache, und ich werde es weiterhin vorziehen, allein zu sein, statt mich mit einem von euch zusammen zu tun.

Aber es waren auch nette Männer da. Einer schenkte mir ein wirklich zauberhaftes Lachen, und danach haben wir einander immer wieder verstohlen beobachtet - wie man das eben so macht, wenn man sich nicht richtig traut. Und dann gab es da diesen magischen Moment auf der Tanzfläche, als wir uns viel zu lange in die Augen sahen. In einem Film hätte sich die restliche Welt in Slow Motion um uns herum bewegt, während wir wie magisch angezogen aufeinander zugegangen wären. In echt drehte sich die Welt sehr lebendig weiter, und wir standen da und starrten – verlegen, verwundert, überrascht, bis wir beide hilflos woanders hinguckten. Er ist übrigens – und das ist der Clou an der Geschichte! - zufällig auf einem Foto gelandet, das meine Freundin gemacht hat. Falls er sich also in der Menge wiedererkennen sollte … (Was bin ich doch für eine elende Träumerin, hach, aber das Leben wär doch sonst zu öde …).

Silvester 2010

Nächste Woche habe ich noch Urlaub und verreise ein wenig. Danach geht mein täglicher, einsamer Existenzkampf weiter. Es kommen ein paar Dinge auf mich zu, vor denen ich solche Angst habe, dass ich sie momentan total verdränge. Stattdessen gebe ich mich dem Gefühl von Lebendigkeit und Glück hin, das mich in der letzten Nacht erfasst hat. Und der Einbildung, dass vieles im Leben möglich ist, wenn man es nur zulässt. Der Illusion, dass ich längst noch nicht so alt bin, wie mein Ausweis behauptet. Der Hoffnung, dass 2011 ein grandioses Jahr wird und alle meine Sorgen überflüssiges Gedöns sind.

Übrigens: Das Wort des Jahres 2011 heißt Samenfaden. Fragt bitte nicht, warum.

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Donnerstag, 23. Dezember 2010

Frohe Feiertage

Eigentlich sollte dies ein Jahresrückblick, Jahresausblick, Jahresdurchblick werden - aber wer blickt schon wirklich durch? Ich jedenfalls nicht. Und im Moment steht mir der Kopf nach anderen Dingen als besinnlicher Nabelbeschauung. Also wünsche ich euch kurz und knapp frohe Feiertage.

Elbe2-1

Ich begebe mich jetzt auf eins der letzten großen Abenteuer in der zivilisierten Welt: eine Fahrt mit der Deutschen Bahn durch das tief verschneite Norddeutschland. Das Überlebenspaket ist bereits geschnürt. Wünscht mir Glück!

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Sonntag, 19. Dezember 2010

Seltsam

Ein Junge, dunkelhäutig, vielleicht mit indischen oder pakistanischen Wurzeln, spricht mich auf der Straße an, oben in St. Pauli, in diesem merkwürdig toten Brauviertel. Er hat ein Bündel Supermarktprospekte in der Hand und sagt in seltsamer Hilflosigkeit, er wisse nicht, wohin damit, er habe keine Tasche dabei. Nach einigem Hin und Her stopfe ich ihm das Zeug in die Jackentasche und frage mich, warum er das nicht selbst gemacht hat, und was dieser ganze Zirkus überhaupt soll.
„Sie sind sehr nett“, sagt er und blickt mich mit großen, ernsten Augen an. Er ist vielleicht zwölf Jahre alt, wirkt gepflegt, spricht akzentfrei Deutsch. „Darf ich Sie noch etwas fragen?“
„Ja, klar.“ Ich schaue ihn aufmerksam an.
„Kann ich Sie begleiten?“
Scheiße, denke ich alarmiert, und ich sage eine Spur zu laut „Nein!“
Er lässt nicht locker. „Wohin gehen Sie denn?“
„Nach Hause.“
„Und warum darf ich nicht mitkommen? Nur ein Mal?“
„Weil ich das nicht möchte. Fertig.“
Ich stapfe durch den Schnee davon und hoffe, dass der Junge mir nicht folgt. Erst nach etlichen Metern drehe ich mich noch mal um. Ich atme auf. Er ist in die andere Richtung weiter gegangen.
Den ganzen Heimweg über frage ich mich jedoch, ob ich richtig reagiert habe. Ich fühle mich unbehaglich. Die Geschichte war zu schräg, zu uneindeutig. Vielleicht war der Junge ein mieser kleiner Gauner, vielleicht aber auch nur ein Kind in Not. Ich hätte ihm wenigstens noch ein paar Fragen stellen können. Keine Ahnung, ob ich dann mehr Klarheit erhalten hätte, aber irgendwie hätte es mein Herz beruhigt.

Einige Tage später sehe ich vom Fenster aus den Jungen durch meine Straße rennen. Ich erkenne ihn an seiner orangen Jacke. Dass er durch diese Straße läuft, hat sicher nichts mit mir zu tun. Vielmehr scheint er auf der Flucht zu sein. Vor wem oder was auch immer. Mein mulmiges Gefühl wächst.

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Dienstag, 7. Dezember 2010

Befindlichkeiten

Vielleicht liegt es am Winter. Oder an der Weihnachtszeit. Zu viel schwere Lebkuchen, klebriges Marzipan und süßliche Musik verkleistern das Hirn. Alle Welt scheint ein wenig aus den Fugen geraten zu sein und nicht mehr so recht zu wissen, was sie tut. Die Einen werden immer dreister, besonders, wenn sie sich am Frauentag in der Sauna tummeln. Ich habe mir schon beim letzten Mal geschworen, mich dieser Meute rücksichtsloser Schnattergänse nicht mehr auszusetzen, die sämtliche Liegen und Handtuchhaken besetzen, in den Ruhebereichen lauthals telefonieren und den gesamten Außenbereich zur Raucherzone erklären (nichts gegen Raucher, aber wenn ich gerade aus der 90 Grad heißen Sauna komme, in der es einen Eukalyptus-Aufguss gab, ist Nikotin das Letzte, was ich einatmen möchte). Diesmal war es so unerträglich, dass ich nächste Woche nach langer Zeit mal wieder in die gemischte Sauna gehen werde. Zumindest das Gänseschnattern werde ich dort nicht ertragen müssen.

Die Männer sind in diesen seltsamen Tagen allerdings auch nicht besser. Immerhin sind sie unberechenbar, das macht den grauen Winter schon wieder recht bunt. Die einen suhlen sich in ihren Befindlichkeiten und geben mir am Ende auch noch die Schuld daran, dass sie mit ihrem Leben nicht zufrieden sind. Ich übe mich in Geduld und Nachsicht, aber hinterher denke ich: Wieso eigentlich? Für therapeutische Soforthilfe ist mein Stundenlohn eindeutig zu niedrig. Eine bisher recht friedliche berufliche Kooperation hat spürbare Risse bekommen, und ich weiß, dass es an der Zeit ist, Alternativen zu suchen.

Andere wiederum flirten mit mir und lassen mich verblüfft erkennen, dass die Frau, die ich jeden Tag im Spiegel sehe, nicht identisch mit der Frau zu sein scheint, die die Leute auf der Straße sehen. Der Kassierer im Schwimmbad strahlt mich mit einer Herzlichkeit an, die mich umhaut, zumal er die viel jüngere und recht attraktive Kundin vor mir nicht halb so aufmerksam bedient hat. Aber vielleicht liegt es daran, dass mein Gesicht zwischen Pudelmütze und Schal kaum erkennbar ist. Behutsam legt er mir das Plastikbändchen für die Sauna ums Handgelenk.
„Hui, ganz kalte Hände“, sagt er fast liebevoll.
„Ist ja auch Winter draußen“, entgegne ich und schiele auf den breiten Schriftzug, der auf seinen Unterarm tätowiert ist.
„Jetzt wird’s gleich besser“, sagt er und strahlt mich erneut an, als er mir viel Spaß wünscht. Beim nächsten Mal werde ich ihn fragen, was auf seinem Arm steht.

Ich erhalte ein Jobangebot aus einer Ecke, aus der ich sonst nur Unsinn zu hören kriege. Obwohl ich noch nicht weiß, ob es was wird und wirklich was taugt, freue ich mich über die gute Absicht, die dahinter steckt – zumal die Bezahlung ausnahmsweise mal stimmt. Manchen scheint das viele Zuckerzeug offenbar ganz gut zu tun. Nur mir schlägt es dramatisch auf die Hüften. Da hilft auch mein tägliches Fitnessprogramm nicht mehr.

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Donnerstag, 25. November 2010

Der Drei-Punkte-Plan

An ihrem 40. Geburtstag verkündete meine Schwester T. im Kreise zahlreicher Freunde, es sei nun genug mit dem täglichen Einerlei, sie bräuchte dringend eine Veränderung in ihrem Leben. Sie habe sich drei Dinge überlegt, die dazu beitragen könnten, und sie werde alles daran setzen, dass eins davon in nächster Zeit eintreten werde.
„Erstens“, erklärte sie den gespannten Zuhörern, „könnte ich ja noch mal schwanger werden. Meine drei Kinder sind mittlerweile alle sehr selbständig, da fehlen mir die echten Herausforderungen. Zweitens könnte ich beruflich endlich mal aktiv werden. Nach dem Studium war ich immer nur Mutter und Hausfrau. Jetzt hätte ich endlich wieder Zeit für anderes. Und wenn das alles nicht klappt, gibt es ja noch Punkt drei: Ich könnte mal einen neuen Mann gebrauchen.“
Ihr Gatte, der M., saß derweilen neben ihr und lächelte freundlich in die Runde. Wie das bei allen Männern so ist, nahm er Punkt drei natürlich überhaupt nicht ernst.

Sie fingen mit Punkt eins an. Spontan entschieden T. und M. kurz nach der Geburtstagsfeier, sich nicht mehr um Verhütung zu scheren. Wenige Wochen später wurde T. von schrecklicher Übelkeit geplagt. „Oh Gott“, sagte sie entsetzt zu M. „Muss ich jetzt wieder ein halbes Jahr diese grauenvolle Übelkeit aushalten? Das überlebe ich nicht.“ Ihre Schwangerschaften waren stets sehr unangenehm, die Geburten fast traumatisch verlaufen. „Scheiße“, sagte der M. schockiert. „Dann muss ich ein größeres Auto kaufen. Dabei haben wir das alte doch erst seit ein paar Monaten.“
Es stellte sich zum Glück heraus, dass T. nur eine Magenverstimmung hatte und nicht schwanger war. Sie und M. waren sehr erleichtert darüber, und seitdem verhüten sie wieder ganz gewissenhaft.

Damit landete T. unweigerlich bei Punkt zwei. In langen Gesprächen entlockte ich ihr Bedürfnisse, Wünsche und Ziele – nur, um herauszufinden, dass sie keinen blassen Schimmer hat, was sie in beruflicher Hinsicht mit ihrem Leben anstellen möchte. „Es soll Spaß machen, das ist das Wichtigste. Ich will nicht in irgendeinem Laden rumstehen, bloß, um sagen zu können, dass ich berufstätig bin.“ Nun hat T., wie gesagt, nach dem Studium nie gearbeitet, ganze dreizehn Jahre lang. Da ist es gar nicht so einfach, in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen. „Am besten machst du dich auch selbstständig, so wie ich“, schlage ich vor. „Da kannst du machen, wozu du Lust hast. Und da du existenziell durch deinen Mann abgesichert bist, musst du dir nicht mal ums Geld Sorgen machen.“ T. ist skeptisch. Und ratlos.

Und ich frage mich gespannt, ob und wann sie wohl Punkt drei in Angriff nehmen wird.

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