Mittwoch, 28. April 2010

Der geheime Garten

Männer sind ja selten wirklich kreativ, wenn sie einer Frau Geschenke machen. Die einzige Ausnahme bilden eigenhändig zusammengestellte Musiksammlungen. Ich denke an all die CDs und Kassetten, die ich im Laufe meines Lebens geschenkt bekommen habe, oft mit sehr liebevoll gestalteten Covern, teilweise mit Widmung, und immer mit einer tiefen Bedeutung, die hinter der Auswahl der Stücke lag. Entweder waren es Lieder, die wir gemeinsam gehört hatten und die uns miteinander verbanden. Oder es war Musik, die der Mann liebte und mir näher bringen wollte. Manchmal teilte ich seine Liebe, manchmal nicht. In jedem Fall freute ich mich jedes Mal über diese kleinen, sehr persönlichen Geschenke. Und mir war stets klar: Wenn ein Mann einer Frau eine selbstgemachte CD schenkt, dann hat das etwas zu bedeuten.

Jetzt habe ich völlig überraschend wieder so ein Exemplar erhalten – und bin berührt und verwirrt, während ich die Sammlung wunderschöner Stücke höre, die mir allesamt gut gefallen. Die CD wurde mir eher beiläufig in die Hand gedrückt, und erst hinterher ging mir auf, was für ein symbolträchtiges Geschenk das eigentlich ist. Den Mann kenne ich schon lange. Wir wissen viel über einander – zu viel vielleicht. Manchmal ist unser Kontakt sehr nah, sehr eng. Dann wieder herrscht viele Monate Funkstille. Ich fühle mich wohl in seiner Nähe und weiß doch genau, dass gerade diese Unverbindlichkeit das Schöne, Entspannte ist. Das ist viel, viel mehr wert als eine konfliktträchtige Affäre mit einem bitteren Ende. Dass wir beide es nicht zu mehr bringen würden, war mir von Anfang an klar. Darum war ich glücklich so, wie es war und wollte nie mehr. Und er auch nicht. Das dachte ich zumindest, bis ich diese CD in der Hand hielt.

Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Irgendwie hat er eine unsichtbare Grenze überschritten, und ich würde diesen Schritt am liebsten ignorieren, um nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nicht nur, weil ich fürchte, dass er und ich sowieso keine Zukunft hätten, sondern auch, weil ich merke, dass ich selbst noch nicht so weit bin, mich wieder einem Mann zu öffnen. Vor Jahren ist in mir drin etwas kaputt gegangen. Ich arbeite fieberhaft daran, es wieder zu reparieren, aber das ist nicht leicht, wenn man dieses „Es“ gar nicht richtig zu fassen kriegt. Bis dahin ziehe ich es vor, meine Ruhe zu haben.

Warum ausgerechnet er diese Ruhe jetzt stört, ist mir ein Rätsel. Mein einziger Trost: Vielleicht irre ich mich und deute viel zu viel in diese kleine Geste. Vielleicht hat er sich gar nichts weiter dabei gedacht, außer dass er mir eine Freude machen wollte. Doch dann höre ich auf der CD einen Song von Bruce Springsteen und jedes einzelne Wort scheint mich zu betreffen, meine, unsere Geschichte zu erzählen. Die Geschichte zweier Menschen, die im Leben zu viele Verwundungen erlitten haben, um noch echte Nähe zulassen zu können, selbst wenn sie es sich noch so sehr wünschen. Ich fühle mich auf einmal ganz jämmerlich und weiß nun erst recht nicht, wie ich diesem Mann jemals wieder so unbefangen wie bisher in die Augen schauen soll.


She'll lead you down a path
There'll be tenderness in the air
She'll let you come just far enough
So you know she's really there
She'll look at you and smile
And her eyes will say
She's got a secret garden
Where everything you want
Where everything you need
Will always stay
A million miles away

(Bruce Springsteen)

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Freitag, 16. April 2010

Ego-Politur

Rekordverdächtig ist wohl dies: Ich nehme von einem Tag auf den anderen einen Job an, vertretungsweise für zwei, drei Wochen. In der Branche kenne ich mich nicht aus. Das, was von mir erwartet wird, kriege ich allerdings gut hin, um nicht zu sagen: sehr gut. Und es macht mir auch noch großen Spaß. Neben mir kippt ein Kollege nach dem nächsten aus den Puschen, aber – ich schwöre! – ich habe damit nichts zu tun. Das war sozusagen höhere Gewalt. Allerdings bin ich Nutznießerin dieser Tragödien, denn mein Vertrag wird verlängert und ausgeweitet, ich arbeite zwischenzeitlich für Drei und übernehme immer mehr Verantwortung. Am Ende bietet man mir sogar den Chefsessel an – mir, einer Außenseiterin, die mal grade ein paar Wochen dabei ist und weniger Ahnung hat als jeder andere im Haus. Ich feixe mir eins. Das ist wirklich das größte Ego-Aufpolierungsmittel, das ich jemals in die Finger gekriegt habe.

Ich werde das Angebot übrigens nicht annehmen. Das nennt man wohl Freiheit.

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Samstag, 27. März 2010

Im Sauseschritt

Es ist Frühling, Ende März, eine Woche vor Ostern. Ich muss mir das so deutlich vor Augen führen, weil ich es kaum glauben kann. War ich nicht gestern noch im Urlaub, auf der Flucht vor Schnee und Eis? Saß ich nicht vor einer Woche unterm Weihnachtsbaum? War nicht letzten Monat erst mein 20. Geburtstag? Na gut, der 30., an den 20. kann ich mich nicht mehr erinnern, der muss wirklich länger her sein. Ich komme einfach nicht mehr mit. Die Zeit vergeht so unfassbar schnell, dass es mir Angst macht.

In den letzten Wochen habe ich gearbeitet und war auf Reisen und habe gearbeitet und war auf Reisen. Dazwischen habe ich gelegentlich geschlafen und gegessen, sofern ich mal Zeit dazu fand - und trotzdem habe ich kräftig zugenommen, was sehr ungewöhnlich ist, aber ich fürchte, auch das ist ein Zeichen meines immer schneller fortschreitenden Alters. Beruflich bin ich teilweise an meine Grenzen gekommen – vor allem kräftemäßig. Aber pünktlich zum Frühlingsbeginn wird der Stress weniger. Wie gut!

Jetzt habe ich Zeit, Pläne zu schmieden, aufzuatmen und Frühjahrsputz zu betreiben – innerlich wie äußerlich. Ein bisschen Staub aufwirbeln, Altes wegwerfen, neu beginnen. Auf meinem Balkon blühen bereits die ersten Frühlingsblumen, schön farbenfroh. Das ist doch ein guter Anfang. Ich hoffe nur, dass ich nicht schon morgen wieder Tannenreisig in die Töpfe stecken muss, denn der nächste Winter kommt bestimmt. Aber von mir aus kann er sich noch 12 bis 24 Monate Zeit lassen. Ich hab’s nicht eilig.

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Sonntag, 21. Februar 2010

Auf hoher See

Ich komme mir in letzter Zeit vor wie in einem kleinen, alten Segelboot im Ozean, das von Sturm und hohen Wellen hin- und hergeschleudert wird. Momentan befinde ich mich auf einer ziemlich hohen Welle. Es ist super hier oben, dieser Ausblick über das große, weite Meer ist fantastisch, die Sonne scheint, und ach, dieses kleine Boot ist ja viel stabiler, als ich immer dachte. Was für ein tolles Gefühl! Leider ist es aber auch sehr anstrengend, auf dieser Welle den Kurs zu halten, oben zu bleiben und nicht mit großem Getöse in die Tiefe zu stürzen, sobald der nächste Sturm aufkommt. Schließlich bin ich keine geübte Seglerin, genau genommen habe ich überhaupt keine Ahnung davon. Das ist fatal, und ich wünschte, ich hätte einen erfahrenen Skipper an meiner Seite. Aber obwohl dieser Kahn wirklich eine mickrige Nussschale ist, habe ich schon viele Stürme überlebt, bin immer wieder aufgetaucht und nie über Bord gegangen. Es wird wohl auch beim nächsten Mal wieder gut gehen.

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich bin nach einer mega-anstrengenden Woche total alle, kurz vor tot, und wünschte, ich könnte gemütlich in einem kleinen, stillen See vor mich hindümpeln. Besser noch Ententeich. Das große, weite Meer überfordert mich doch etwas, so spannend es gelegentlich dort ist.

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Sonntag, 7. Februar 2010

Zufall

Zufall ist, wenn einem zufällt, was man gerade braucht.

Wenn man bedenkt, wie lange ich mit mir rang, ob und wenn ja, wo und wann und wie ich diesen Urlaub machen sollte, dann ist es schon erstaunlich, dass ich am Ende haargenau den richtigen Ort und Zeitpunkt ausgewählt habe. Zufall? Wie immer man es nennen mag, es war jedenfalls großartig.

Vor der Abreise erhielt ich noch wohlmeinende Ratschläge, mit welcher Lektüre ich wohl am besten einen Mann angeln könnte. Man riet mir, für jeden Typ Mann etwas parat zu haben: Wittgenstein, die FAZ, die Times, einen Krimi, Irvin Yalom – doch bei Letzterem zögerte ich: Würde ich damit nicht nur Lehrer und Möchtegern-Psychologen anziehen, Berufsgruppen, um die ich gerne einen großen Bogen mache? Trotzdem packte ich den Yalom ein. Und was soll ich sagen? Ich angelte mir mit ihm – eine Frau.

Zum ersten Mal begegneten wir uns bibbernd auf dem Weg in die Sauna, weil es an den ersten Tagen doch etwas kühl und wir noch gar nicht entspannt und aufgewärmt waren. Am nächsten Tag gab es ein paar Verwirrungen beim Frühstück. Ein Herr hatte sich im Tisch geirrt und sich bei mir niedergelassen, statt bei seiner Gattin nebenan. „Ich sah nur die rote Jacke“, entschuldigte er sich mit Blick auf meine Jacke, die über der Stuhllehne hing, während ich mich am Buffet bediente. Am Stuhl seiner Frau hing ebenfalls eine rote Jacke. Kurz darauf schob der Mann ein Buch von seinem auf meinen Tisch: „Das gehört wohl Ihnen“, sagte er. Verwundert schaute ich auf den Titel - „Irvin Yalom – Die Liebe und ihr Henker“ – und schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht mein Buch. Ratlos blickten wir uns an. So was! Kurz darauf erschien die Frau aus der Sauna auf der Bildfläche und griff nach dem Buch. Auch sie hatte meine rote Jacke mit der roten Jacke der anderen Frau verwechselt und sich an deren Tisch niedergelassen, in der Hoffnung, mich dort anzutreffen.

Das war übrigens nicht das einzige Mal, dass ich erlebte, wie Leute sich in den Tischen irrten. Einmal gestand mir eine Frau, die sich am Tisch eines Fremden niedergelassen hatte, den sie für ihren Mann hielt: „Ich habe mich fürchterlich erschrocken, als ich genauer hinsah.“ Nun, ich erschrak nicht bei all dem Kuddelmuddel, sondern amüsierte mich prächtig. Und die Frau mit ihrem Yalom wurde mir zu einer wunderbaren Begleitung für den Rest meines Urlaubs. Nachdem wir merkten, dass wir uns voreinander so überhaupt gar nicht verstellen mussten, packten wir übrigens beide die Therapeuten-Bücher ebenso wie die Klamotten weg, legten uns nackt nebeneinander an den Strand und holten die leichtere Lektüre hervor. Wir ließen die Sonne bis in unsere Seelen kriechen, schwammen im Meer, kämpften uns über Klippen und steinige Wege zu einsamen Buchten und schlugen uns erfolgreich in der Schlacht am Buffet. Wir lachten und weinten gemeinsam Tränen und staunten immer wieder neu über all die Parallelen in unseren Lebensgeschichten. Das gab’s doch gar nicht!

Bucht

Ebenso unglaublich und geradezu unwirklich fand ich es, aus dem tiefsten Winter in die frühlingshaft-sommerliche Sonne zu geraten. Abflug bei Schneesturm:

Flughafen

Wenige Stunden später sah es dann so aus:

Fensterblick

Als ich nach Hause zurückkehrte, war ich direkt verwundert, dass hier nicht auch alles grünte und blühte, sondern es noch genauso aussah wie vor einer Woche. Wie deprimierend! Aber die Woche Wärme und Licht tat mir gut. Dabei gab es keineswegs nur schöne Tage, sondern war anfangs recht stürmisch.

Flut

Und die Männer? Ach, die Männer. Was soll ich sagen? Da war zum Beispiel jener Kellner, der auf äußerst plumpe und ungeschickte Weise immer wieder neu versuchte, sich mit mir zu verabreden. Von südländischem Charme hatte er wohl noch nie etwas gehört. Oder jene beiden Mannsbilder in bestem Alter, die sich einbildeten, dass sie gemeinsam alle Frauen kriegen konnten. Alles Weibliche unter Fünfzig wurde von ihnen auf so penetrante Weise angebaggert, dass ich schnell das Interesse verlor. Jäger ohne Witz und Hirn sind nicht so mein Fall. Und schließlich war da noch jener Herr, dem ich samt Gattin in der Sauna begegnete. Kaum hatte sie den Raum verlassen, fing er an, auf mich einzureden und verfolgte mich sogar bis in die Dusche. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie solche Männer sich benehmen, wenn ihre Frauen sich nicht nur nebenan, sondern deutlich weiter weg befinden. So fuhr ich also solo wieder heim. Ob’s an der falschen Lektüre lag? Hätte ich doch besser die Times …? Wer weiß.

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Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
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