Sonntag, 28. Juni 2009

Aufklärung

„Hast du schon oft Männern das Herz gebrochen?“

Die Frage kommt etwas überraschend, inmitten eines kuriosen Abends voller Aufklärungen. Erst erklärt der Vater seinen Kindern, was „Missbrauch“ bedeutet, weil sie dieses Wort gerade im Fernsehen aufgeschnappt haben – in einer Sendung über diesen Popstar, der vor allem darum zur Legende werden wird, weil sich um ihn so viele ungeklärte, unheilvolle Geschichten ranken. Und, weil er schon zu Lebzeiten so bekannt wurde, dass ihn sogar diese Kinder kennen, obwohl sie viel zu jung sind, um sowohl seinen Ruhm als auch seinen Niedergang bewusst mitbekommen zu haben.

Der Vater nutzt die Gelegenheit, und bringt erst seinem Sohn, der mit glühenden Wangen lauscht, noch ein bisschen mehr in Sachen Sexualität bei, und dann, zu späterer Stunde, als die Kids im Bett liegen, klärt er auch gleich noch seine Frau und mich ein wenig auf. Wir sitzen da wie die Schulkinder, ebenfalls mit roten Ohren und etwas verlegen. Aha, so ist das also. Warum sind wir da nicht selbst drauf gekommen? Eigentlich wussten wir das doch auch. Und, ja, Männer sehen die Dinge wirklich anders als wir Frauen. So was. Das wissen wir doch eigentlich auch längst, aber es ist immer wieder aufs Neue irritierend und verwunderlich.

Und zwischen all die Aufklärungsgeschichten kommt diese Frage: „Hast du schon oft Männern das Herz gebrochen?“ Meine Schwester findet, ihr Mann hätte eher fragen sollen, wie viele Männer ich schon beglückt hätte, das würde doch jetzt viel mehr zu unserem Aufklärungsabend passen. Ich finde keine der beiden Fragen so richtig toll. Was heißt schon „beglückt“? Und was heißt „oft“? Ist zweimal viel? Oder dreimal? Viermal? Ab wann muss eine Frau um ihren Ruf bangen, wenn sie zugibt, dass es in ihrem Leben deutlich mehr als einen Mann gab? Und ab wann sollte sie sich als Schwein fühlen, weil sie zu viele Herzen gebrochen hat?

Ungeachtet all dieser Fragen kläre ich nun rasch meine beiden Zuhörer auf: „Ich fürchte, ich habe mehreren Männern das Herz gebrochen“, sage ich leichthin und belasse es bei diesem knappen Statement. Doch das Gespräch lässt mich nicht los. Ich habe tatsächlich so einigen Männern das Herz gebrochen. Niemals mit Absicht, meistens eher, weil ich etwas ungeschickt darin war, ihnen einen Korb zu geben. Und, weil ich mich leider selten in die Männer verliebt habe, die sich für mich ehrlich interessierten. Das heißt nicht, dass ich mich nie verliebt hätte. Auch nicht, dass die Männer, in die ich mich verliebt habe, diese Liebe nicht erwidert hätten. Im Gegenteil, ich glaube, sie alle haben mich auf ihre Weise geliebt, der eine mehr, der andere weniger. Aber am Ende hat mir jeder einzelne von ihnen das Herz gebrochen – auf die unbeschreiblichsten, perfidesten Arten, die man sich nur denken kann. So kalt und skrupellos war ich umgekehrt nie. Unterm Strich bin ich also eine Herzensbrecherin mit gebrochenem Herzen. So knapp lässt sich die Tragik meines Lebens zusammenfassen. Aufklärung, denke ich bei mir, hat manchmal etwas sehr Ernüchterndes.

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Donnerstag, 25. Juni 2009

Glücklich

Im Jenischpark sitzen, Eis essen, auf die Elbe schauen, während die Sonne langsam hinter den Bäumen verschwindet.

Im warmen Wasser plantschen, die Schwerelosigkeit genießen, mit geschlossenen Augen das Gefühl für Raum und Zeit verlieren.

Der eigenen Berufung näher kommen, jeden Tag ein Stückchen mehr, immer deutlicher spüren, was gut tut, was meins ist, nicht nur in meiner Fantasie, sondern auch ganz in echt.

Das ist Glück.

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Sonntag, 21. Juni 2009

Kunst

Meine neunjährige Nichte hat immer ziemlich gute Ideen. So schlug sie mir mal vor, ein Foto von mir auf Cornflakes-Packungen abdrucken zu lassen, um mehr Umsatz mit meinen Geschäften zu machen. Und neulich fragte sie mich, warum ich mein Geld nicht lieber mit dem Malen von Bildern verdienen will:
„Die Bilder kannst du auf dem Flohmarkt verkaufen. Viele Menschen interessieren sich für Kunst. Vor allem alte Leute.“
Sie hat nicht gesagt, ob sie mich auch für alt hält. Dafür hat sie mir erklärt, warum sie glaubt, ich hätte eine künstlerische Ader, obwohl ich überhaupt nie male:
„Dein Vater konnte das doch so gut. Und irgendwo muss das doch geblieben sein.“
Ich bin überrascht, was das Kind für Zusammenhänge herstellt, zumal es meinen Vater, seinen Großvater, gar nicht mehr kennen gelernt hat. Aber sie hat Recht. Die Kreativität habe ich eindeutig von meinem Vater geerbt. Und manchmal wünschte ich, ich würde mehr mit meinen Händen arbeiten und weniger mit dem Kopf. Nur leider fehlt mir dafür in jeder Hinsicht die Übung und Erfahrung. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Sollten Sie also eines Tages eine alte Frau selbstgemalte Bilder auf dem Flohmarkt verkaufen sehen, dann könnte es sich dabei durchaus um mich handeln. Schauen Sie mal auf Ihrer Cornflakes-Packung nach, das Foto darauf hilft Ihnen vielleicht beim Identifizieren.

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Montag, 1. Juni 2009

I'm walking

Ich gehe walken – und schäme mich dabei. Ist das nicht ein deutliches Zeichen von Schwäche, das öffentliche Eingestehen, dass ich zu mehr nicht fähig bin? Walken gehen doch übergewichtige ältere Frauen mit Dauerwelle, nicht Leute wie ich, dynamisch, energiegeladen, im besten Alter. Meine Walkingstrecke war früher Teil meiner Joggingstrecke, damals, als ich noch fit war, jeden Monat einen Kilometer weiter lief und nicht bei jedem unsanften Stoß das Gefühl hatte, mir würde gleich die Wirbelsäule brechen. Jetzt verstecke ich meine Augen hinter einer Sonnenbrille, um nicht den erniedrigenden Blicken durchtrainierter, attraktiver junger Männer standhalten zu müssen. Und erst die Schmach, wenn mich x-beinige Frauen flott überholen. Schrecklich!

Dabei weiß ich genau, dass ich lediglich die Schulden dafür zahlen muss, dass ich jahrelang Raubbau mit meinem Körper betrieben habe. Ich bin im Düsenjet durch mein Leben gejagt und habe ignoriert, was das für eine Belastung war. Permanenter beruflicher Stress mit großer Unzufriedenheit, und das über Jahre. Eine Beziehung und Affäre nach der nächsten, von denen manche schön waren und mir gut taten, andere mein Herz zerrissen und meine Seele verletzten. Nächtelanges Chatten und Bloggen, ständig online, ständig präsent sein, immer auf Abruf leben. Große Konflikte, schwere Tragödien, schreckliche Verluste, es ging Schlag auf Schlag. Zehn Jahre lang. Dann zog ich die Notbremse.

Inzwischen bin ich vom Düsenflieger in einen Bummelzug umgestiegen. Mein Leben verläuft so ruhig und friedlich, dass ich es manchmal selbst kaum glauben kann. Freunden habe ich nichts zu erzählen, weil ich nichts erlebe. Es gibt keine Männergeschichten mehr, keine Tragödien, keine skurrilen Anekdoten, keinen Herzschmerz und keine falschen Hoffnungen. Es gibt nur noch mich. Ich orientiere mich beruflich neu, suche meinen Weg und habe das Gefühl, täglich ein Stückchen mehr Klarheit zu finden. Es ist nicht langweilig, dieses stille, ereignislose Leben. Es ist nicht das, was ich bei anderen oft kritisiere: das dumpfe Verharren in einer Situation, die man nicht ändern kann oder will, weil einem die Kraft fehlt. Es ist vielmehr ein ganz leises Bewegen, ein Suchen und Tasten, behutsam, vorsichtig, neugierig. Zum ersten Mal gönne ich mir den Luxus, mich selbst und mein eigenes Leben zu finden, statt dem Leben anderer Leute hinterher zu jagen. Das fühlt sich unfassbar gut an.

Meine Seele spürt bereits die Veränderung. Sie ist nicht mehr so ängstlich und verzagt wie früher. Ich merke, dass ich entspannter bin, gelassener, zufriedener. Das fällt sogar meiner Umgebung auf. Nur mein Körper, der streikt noch. Der hat immer noch den Ballast der Vergangenheit gespeichert, schleppt den Restmüll mit sich herum und erinnert mich täglich daran, dass ich achtsamer mit meinem Leben umgehen muss. So gesehen ist es vielleicht ganz gut, dass mir mein Rücken immer noch weh tut. Der Schmerz ist eine tägliche Warnung an mich selbst, vorsichtig zu sein, nicht wieder in alte Muster zu fallen, mich nicht ausbeuten zu lassen. Darum gehe ich auch weiter tapfer walken. Dieses langsame Tempo passt sowieso viel besser zum Leben im Bummelzug. Es zeigt mir, dass neue Zeiten angebrochen sind, dass ich andere Akzente setze als früher. Nur eins mache ich nicht mit: Ich verwende beim Walken keine Stöcke. So viel Stolz habe ich mir dann doch noch bewahrt.

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Mittwoch, 27. Mai 2009

Bauchgefühle

Manchmal sieht man seine Zukunft genau vor sich. Man glaubt, zu wissen, was hinter der nächsten Weggabelung kommt und bildet sich ein, dass man spüren kann, wie sich der linke vom rechten Weg unterscheidet. Man blendet dabei aus, dass es noch dritte oder sogar vierte Wege gibt, und dass die Entscheidung vor allem nicht von einem alleine abhängt. Das Erwachen ist dann gelegentlich schmerzhaft und böse. Oder aber einfach nur heilsam.

Ich habe mich intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, wie es wäre, einen traumhaft klingenden Job anzunehmen und meine Selbstständigkeit aufzugeben. Ich habe alle Argumente gegeneinander abgewogen und sehr genau geprüft, wofür mein Herz schlägt. Am Ende wusste ich: Es ist egal, was ich mache, solange mein Gefühl nur stimmt. Das war eine sehr wichtige Erkenntnis. Sie hat mir geholfen, gelassen mit der Tatsache umzugehen, dass sich ein vermeintlicher Traumjob als billige Täuschung entpuppte. Auf einmal stimmte nichts mehr an diesem Job, weder inhaltlich noch atmosphärisch. Selten habe ich mich so deplatziert gefühlt wie bei dem zweiten Vorstellungsgespräch. Hinterher war ich wütend, vor allem auf mich selbst, weil ich mich so unsouverän verhalten hatte. Später begriff ich, warum alles so schräg gelaufen war, und noch viel später wurde mir klar, dass ich soeben eine wichtige Lektion gelernt hatte.

Ich weiß jetzt, dass ich keine faulen Kompromisse mehr eingehen werde. Ich habe ein Ziel, und das will ich erreichen. Alles, was ich ab sofort unternehmen werde, ist nur noch Mittel zum Zweck und kein billiger Abklatsch meiner Wünsche und Bedürfnisse mehr. Es ist alles so einfach - und doch so kompliziert, dass ich Jahre brauchte, um zu begreifen, was los ist. Leicht ist der Weg nicht, den ich mir ausgesucht habe, im Gegenteil. Aber seit langer Zeit habe ich zum ersten Mal wieder richtig viel Ehrgeiz. Das ist gut. Das ist sogar sehr gut. Und was hinter der nächsten Weggabelung kommt, ist mir im Moment eigentlich schnuppe. Mein Bauch wird mir schon sagen, ob ich besser nach links oder nach rechts weiter gehen soll. Der irrt sich nämlich tatsächlich nie.

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