Wohnzimmer

Dienstag, 30. Dezember 2008

Bilanz

Muss man eigentlich jedes Jahr Bilanz ziehen? Kann man nicht einfach mal so tun, als würde alles immer so weiter gehen, ohne Zwischenberichte, ohne dieses Auflisten und Abrechnen? Die guten wie die schlechten Tage unter den Tisch fallen lassen, die Wochen und Monate voller sinnloser Langeweile ebenso ausradieren wie all die Misserfolge, Tiefschläge, Demütigungen. Aber dann müsste man auch die Höhepunkte unerwähnt lassen, die Augenblicke großen Glücks und tiefer Zufriedenheit, das viele Lachen und warme Gefühl von Geborgenheit.

Ich schaue viel zurück, grundsätzlich und nicht nur am Jahresende. Manchmal denke ich, es wäre besser, nicht immer so viel in der Vergangenheit zu wühlen, mehr loszulassen und mich vorwärts zu orientieren. Gestern las ich irgendwo, dass Kinder noch sehr stark in der Gegenwart und Zukunft leben, einfach, weil sie fast keine Vergangenheit haben, gemessen an einem Erwachsenen, der sich in der Mitte seines Lebens befindet. Je älter man wird, desto größer wird der Anteil an Vergangenheit und desto mehr schrumpft die Zukunft, die noch vor einem liegt.

Ich habe bereits viel Vergangenheit, bewegte Vergangenheit, satte, volle Vergangenheit, die mich selbst in der Erinnerung noch lachen und weinen lässt. In diese lange Reihe von Vergangenem fügt sich das Jahr 2008 ganz gut ein. Es war ein eher stilles Jahr für mich. Zwar hat sich äußerlich einiges bewegt und verändert (ich habe eine Ausbildung absolviert und mich selbstständig gemacht), aber die wirklich entscheidenden Bewegungen haben in meinem Inneren stattgefunden.

Meine Arbeit bringt es mit sich, dass ich viel zuhause bin. Das bedeutet viel Alleinsein, Stille, undiszipliniertes Arbeiten, weil mir keiner auf die Finger guckt, kein Lachen der Kollegen (aber auch keine blöden Bemerkungen von ihnen!), wenig Dynamik, dafür aber viel Planen, Grübeln und Brüten. Geld kann man damit nicht verdienen. Allerdings bedeutet es auch, dass ich Raum habe, mich auszuprobieren, dass ich dem nachspüren kann, was in mir drin schlummert. Immer häufiger denke ich, dass ich beruflich noch lange nicht da angekommen bin, wo ich hin will, dass ich meine eigentliche Berufung noch nicht gefunden habe (oder bloß noch nicht lebe, vielleicht auch das). Ich habe gemerkt, wie viel Spaß mir kreatives, freies Arbeiten macht und wie erschreckend wenig Lust ich habe, all die Dinge zu tun, die mein Überleben sichern würden. Ich habe viele neue Menschen kennen gelernt und durfte erfahren, wie selbstlos manche helfen, mich stützen, stärken und mir Mut machen, die Vertrauen in mich haben, obwohl sie mich teilweise kaum kennen.

Ich bin an Grenzen gekommen und habe meine eigenen Ängste und Schwächen deutlicher denn je gespürt. Ich arbeite sehr hart daran, sie zu überwinden, denn ich weiß, dass es für mich existenziell wichtig ist, aus mir heraus zu kommen und über meinen Schatten zu springen. Aber in der Hinsicht gibt es noch viel zu tun. Ich habe gelernt, mit erheblich weniger Geld als früher auszukommen. Vieles kann ich mir nicht mehr leisten, mancher Verzicht fällt kaum auf, anderer fällt sehr schwer. Dabei wird meine finanzielle Situation im nächsten Jahr eher schlechter als besser, da ich dann keine staatliche Förderung mehr erhalte. Ich spüre meinen Körper sehr deutlich, der die Vergangenheit mehr festhält als mir lieb ist und mir wohl auch zeigt, dass ich keine 20 mehr bin. Und manchmal, wenn ich mich richtig elend fühle, schleicht sich auch das unbehagliche Gefühl ein, dass meine Rückenprobleme und die oft starke Erschöpfung nicht nur psychosomatische Ursachen haben.

Ich musste mich endgültig von einem Mann verabschieden, der mich lange Zeit beschäftigt und gebunden hat, von dem ich dachte, er sei die Liebe meines Lebens. Das war ein sehr qualvoller Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist. Obwohl diese Geschichte eigentlich schon längere Zeit vorbei war, habe ich noch einmal alle Gefühlsregungen zwischen maßlosem Zorn und großer Sehnsucht durchwandert, oder besser: durchlitten. Die Vorstellung, dass ich noch einmal einem Mann so viel Vertrauen entgegen bringen kann, es schaffe, mich so sehr zu öffnen und die Kraft finde, so stark für eine Liebe zu kämpfen, fällt mir schwer. Ich bin beziehungsmüde, liebesmüde, männermüde. Und gleichzeitig habe ich das Alleinsein unglaublich satt und denke fast bitter: Wieder ein Jahreswechsel ohne einen Mann, der mich in die Arme nimmt und sich darauf freut, das nächste Jahr mit mir zu verbringen.

2008 war für mich das Jahr der Freundschaften. Ich habe den Kontakt zu alten Freunden wieder belebt, ihn zu anderen neuerlich gepflegt und wieder andere Freunde aus den Augen verloren – und aus meinem Herzen. Ich bin enger denn je mit meiner Familie zusammen gerückt und habe vor allem zu meinen zahlreichen Neffen und Nichten ein Band geknüpft, das hoffentlich stark genug ist, Pubertäten und andere Widrigkeiten des Lebens zu überdauern. Es war für mich das Jahr, in dem ich mich deutlich aus dem Internet zurück zog und nicht mehr so präsent in den Blogs und Communities unterwegs war wie früher. Keine Zeit, keine Lust, kein Verlangen nach permanentem Informationsüberfluss. Wie gesagt – es war ein stilles Jahr.

Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass ich Fuß fasse im beruflichen Leben und nicht finanziell komplett baden gehe. Ich wünsche mir, dass meine Erschöpfung verfliegt und einer wachen Lebendigkeit weicht, dass sich die Sehnsucht in meinem Herzen in satte Zufriedenheit wandelt und dass über meinem Kopf ganz, ganz viel die Sonne scheint. Und ich wünsche mir, dass wir uns wiederlesen, hier oder anderswo. Einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr!

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Freitag, 26. Dezember 2008

Feiertagsgedanken

Weihnachten, das Fest der Stille, des Lichts, der Hoffnung. Nun ja. Von den fünf Menschen, mit denen ich die Feiertage verbrachte, lagen drei mit Grippe im Bett. Schüttelfrost, Fieber, Gliederschmerzen. Je mehr das Fieber bei den Patienten stieg, desto mehr fiel das Stimmungsbarometer nicht nur bei ihnen. Ich war die einzige gesunde Erwachsene, die Krankenpflegerin, Köchin, Haushälterin, Kindermädchen, Entertainerin in einem sein musste. Und dennoch schaffte ich es, Fröhlichkeit zu verbreiten, zu lachen, zu spielen, zu genießen. Ich war mit den Menschen zusammen, die mich auf dieser Welt am selbstverständlichsten lieben, bei denen ich mich immer zuhause fühle. Und doch vermochte ich auch diesmal nicht diese unbändige Sehnsucht, diese Einsamkeit in meinem Herzen zu vertreiben, die mich an jedem Weihnachtsfest befällt, und wie so oft an solchen Tagen zog ich mir abends im Bett die Decke über den Kopf, um meine Tränen sogar vor mir selbst zu verstecken.

„Falls du dich bei uns angesteckt hast und auch krank wirst, dann bleib doch hier“, sagte meine kleine Nichte am nächsten Morgen zu mir. „Hier bei uns wirst du gut versorgt und bist nicht alleine.“ Sie sorgt sich immer um mich, die Süße, und erneut stiegen mir die Tränen in die Augen, doch ich lächelte tapfer und tat so, als würde mir das Alleinsein gar nichts ausmachen. Heute bin ich der Virenhölle und der Geborgenheit dennoch entflohen. Zuhause kann ich die Einsamkeit immer am besten verdrängen. Außerdem muss ich ein bisschen arbeiten – sofern ich nicht auch krank werde.

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Dienstag, 23. Dezember 2008

Weihnachten

Weihnachten1

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Sonntag, 14. Dezember 2008

Zwischendrin

Vorwärts Sehnsucht.
Rückwärts Erinnerung.
In der Mitte ein Herz
voller Verunsicherungen.

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Freitag, 5. Dezember 2008

Freitäglich

Die liebe Zeit, ach ja. Mir scheint, ich bin etwas aus der Spur gekommen, weiß kaum noch, welcher Wochentag ist, geschweige denn, welches Jahr wir haben. Gestern dachte ich den ganzen Tag, es sei erst Mittwoch, nur, um mich dann abends sehr freitäglich zu fühlen, das Wochenende zu planen und verwundert darüber zu sein, dass im Fernsehen gar keine Freitags-Talkshow lief. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich versehentlich ein Jahr jünger machte (ich habe es nachträglich nicht korrigiert, wen interessieren schon solche Zahlen?). Und ich staunte, als ich meinen Kalender aufschlug und feststellte, dass Weihnachten dieses Jahr außerordentlich überraschend auftaucht. Von schlechtem Gewissen geplagt fand ich, es sei mal wieder an der Zeit zu bloggen, doch mir fehlt die Muße für schöne, lange Geschichten. Und dann entdeckte ich voller Verwunderung, dass mein letzter Blogeintrag bereits fast zwei Wochen her ist. Das kann doch gar nicht sein, oder? Wer bitteschön klaut mir denn hier die Zeit und lässt mindestens jeden zweiten Tag einfach so verschwinden? Werde ich nachts unbemerkt in ein schwarzes Loch entführt und tauche dann erst Tage später wieder auf, orientierungslos, zeitlos – und vor allem rapide gealtert? Das ist ja gruselig. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr schlafen und diese Stunden nutzen, um alles unterzubringen, was ich erledigen will und erledigen muss. Aber ob das hilft? Und komme mir jetzt bitte keiner mit besinnlichen Zeiten, Entspannung und Verlangsamung. All das habe ich schon reichlich ausprobiert, geholfen hat es leider nicht.

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Montag, 24. November 2008

Sprung ins Morgen

Ziellos zwischen Gestern und Heute
Auf dem Sprung ins Morgen
Furcht im Handgepäck,
Eingehüllt in großes Misstrauen
Die ewige Angst, verletzt zu werden
Der Wunsch, unsichtbar zu bleiben
Und die Sehnsucht nach mehr.

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Mittwoch, 19. November 2008

Traumhaft

Ich lese. Und träume. Und sehne. Und vergesse den Rest der Welt darüber. Unfassbar, wie man über dem Leben anderer Menschen sein eigenes komplett in den Hintergrund drängen kann. Aber da waren diese Fotos und diese Texte, und auf einmal dachte ich: Ach, das hätte ich auch gerne. So ein Projekt, in das man ganz viel Kraft steckt, in dem man vollkommen aufgeht, sich vielleicht sogar darin verliert, aber an dessen Ergebnis man sich ewig erfreuen kann, womöglich ein Leben lang. Und ich, die ich noch nie auch nur ernsthaft über so etwas nachdachte, die innerlich Angst vor dem Wort „ewig“ hat, wünschte mir ein paar Augenblicke lang ein eigenes Haus, das ich ganz nach meinen Wünschen renovieren und einrichten kann. Nicht mehr so eine provisorische Küche, wie jene, in der ich jetzt lebe. Nicht mehr die Zwänge, denen man in einer Mietwohnung unterworfen ist. Frei gestalten, frei entscheiden. Einen Garten, den ich bepflanze, in dem ich in der Erde wühle und säe und ernte, der meine Oase wird, mein kleines Paradies.
Ach, ach, ach.

Dann wachte ich wieder auf, erinnerte mich daran, dass ich über null handwerkliche Erfahrung verfüge und alleine so etwas nie gestemmt kriegen würde – weder finanziell, noch rein praktisch. Ich erinnerte mich daran, dass ich keinen Mann habe, der sich mit mir in so ein Projekt hinein träumt, der da ist und mich stützt und stärkt, mit mir an einem Strang zieht und nicht wegläuft, sobald er Verantwortung übernehmen muss, so wie es bisher alle Männer in meinem Leben taten, ausnahmslos alle. Ich erinnerte mich daran, dass so ein Projekt Geld kostet, viel, viel Geld, und dass ich dieses Geld nicht habe und so schnell auch nicht haben werde. Und ich erinnerte mich auch daran, wie ungemütlich ich die Vorstellung finde, jahrelang auf einer Baustelle zu leben.

Aber träumen, ach, das kann man schon mal, finde ich. Und eines Tages sollte ich doch eigentlich auch endlich mal an der Reihe sein, wenn das Glück verteilt wird, und nicht immer nur die letzten Reste vom Boden kratzen dürfen, mit denen ich mir dann mein Leben selbst zusammen zimmern muss. Gewiss, so ein selbstgebautes Leben steht sicher auf festerem Grund als eines, in dem einem alles geschenkt wird. Aber es ist halt manchmal doch auch Balsam für die Seele, wenn man einen Klumpen Glück zugeworfen bekommt und eine Stimme einem zuraunt: „Das ist alles nur für dich. Weil du es verdient hast, nach allem, was dir bisher im Leben widerfahren ist.“

Und so träume ich weiter. Und hoffe. Und sehne.

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Dienstag, 18. November 2008

Ruhe

Irgendwas passiert grade mit mir, und es ist mir selbst unheimlich. Ich fühle mich so entspannt, so zufrieden, so wohl in mir selbst. Und das trotz weiterhin großer, schmerzhafter Rückenprobleme. Trotz Novembermüdigkeit. Trotz gelegentlicher Sehnsüchte, die mich in ihrer Heftigkeit überwältigen und mir den Atem nehmen. Und trotz vollkommener Unsicherheit, was meine Zukunft angeht. Vor ein paar Wochen hatte ich eine Phase großer Schlaflosigkeit wegen meiner Geldsorgen. Aber jetzt bin ich auf einmal total gelassen. Wird schon. Ist noch lange hin, bis mir das Geld ausgeht. Und bis dahin wird sich was tun, werden die Aufträge nur so purzeln, werden sich neue Perspektiven und Lösungen auftun. Ich denke, das kann doch alles nicht sein, wie kann man denn nur so optimistisch sein, so wenig Angst haben. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft im Fernsehen eine Reportage über Flaschensammler, Menschen, die das Leben aus der Bahn warf, so dass sie von Hartz IV leben – und von den Flaschen, die sie von der Straße aufsammeln. Ich denke, das könnte mir auch passieren, ich könnte auch mal so raus katapultiert werden, könnte plötzlich mit nichts mehr dastehen. Und obwohl ich weiß, wie schmal der Grat ist, auf dem ich mich momentan bewege, ist da diese Ruhe und Gelassenheit. Das ist doch verrückt, es ist mir unheimlich. Wahrscheinlich verdränge ich nur, bin naiv, mache die Augen zu. Aber das ist mir egal. Dieses gute Gefühl, das genieße ich, solange es geht. Jawohl!

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Samstag, 15. November 2008

Herbstreigen

Die Musik ist leise und klagend, sanfte Harfentöne schweben durch den Saal und berühren erst den einen, dann den anderen Gast. Die Sehnsucht steht zuerst auf. Vorsichtig macht sie ein paar Schritte in die Mitte des großen Raumes und beginnt langsam, sich um sich selbst zu drehen. Sie wirkt verloren und verletzlich, was der Einsamkeit sehr vertraut vorkommt. Sie gesellt sich zur Sehnsucht, ergreift ihre Hände und passt sich ihren Bewegungen an. Gemeinsam tanzen die Beiden nun schneller, ausgelassener, der Leere entgegen, die mit den Füßen bereits den Takt mitwippt. Doch da löst sich aus einer Gruppe auf der anderen Seite der Tanzfläche die Hoffnung. Ihre Schritte sind fest und zuversichtlich, ihr Tanz ist kraftvoll. Immer höher springt die Hoffnung und reckt ihre Arme der Decke entgegen.

Eine leichte Berührung an der Schulter lässt sie einen Moment lang innehalten. Die Liebe hat sich ihr genähert. Sie trägt ein smaragdrotes, tief ausgeschnittenes Kleid aus fließender Seide. Niemand im ganzen Saal sieht so schön aus wie die Liebe. Niemand bewegt sich so geschmeidig wie sie, so leicht, so hingebungsvoll und gleichzeitig mit einem so tiefen Ernst. Die anderen Tänzer machen der Liebe respektvoll Platz und schauen ihr dabei zu, wie sie sich einen Moment lang verliert und sich selbst genug zu sein scheint. Doch schon bald hebt sie den Kopf und schaut prüfend in die Runde. Einer nach dem anderen treten sie hervor, umschmeicheln sie, bedrängen sie, zerren sie mal in die eine und dann in die andere Richtung. Die Sehnsucht tanzt eng umschlungen mit der Liebe und scheint ganz in ihren Armen zu verschwinden. Die Leidenschaft greift frech und herausfordernd nach ihr, wirft ihr feurige Blicke zu und schaut ihr tief in den Ausschnitt. Die Liebe folgt ihr, geschmeichelt und glühend vor Lust. Die Eifersucht tritt der Liebe auf die Füße. Die Gewohnheit lässt sie in einen eintönigen Wiegeschritt fallen. Die Erinnerungen tanzen ihr Szenen vor, längst vergangen, mal heiter, mal melancholisch, manchmal auch bitter. Der Liebe schnürt es die Kehle zu und sie spürt, wie Schmerz und Zorn ihr in die Seite pieksen und Stiche in ihrem Herzen erzeugen.

In dunklem Gewand tritt nun der Abschied auf, stößt die Hoffnung zur Seite, wirft der Liebe verächtliche Blicke zu, breitet seine Arme aus und deckt mit seinem weiten Mantel Glück und Leidenschaft zu. Leere und Einsamkeit bewundern ihn heimlich, ebenso die Eifersucht, die sich ihm anbiedernd nähert. Doch der Abschied lacht ihnen ins Gesicht. Er will mehr. Seine Verbündeten sind die Lüge und der Hass. Egoismus, Eitelkeit und Verrat folgen ihm begeistert und sorgen dafür, dass sich niemand mehr auf die Tanzfläche wagt. Selbst die Musik hat sich den düsteren Absichten des Abschieds angepasst. Metallisch scharf schneidet sie sich in das Fleisch der Liebe und lässt sie frösteln.

Die Liebe fängt an zu weinen. Ihr Herz ist schwer, der Schmerz unerträglich. Sie fühlt sich gedemütigt und ringt verzweifelt um ihre Fassung. Die Hoffnung hat längst den Saal verlassen, der Hass tobt sich auf der Tanzfläche aus, Verachtung und Stolz klatschen ihm Beifall. Es ist spät. Der Abschied schickt sich an, zu gehen und sammelt sein Gefolge um sich. Die Liebe will er auch mitnehmen, gegen ihren Willen. Sie schreit verzweifelt um Hilfe, als der Abschied nach ihr greift. Doch alle sind wie gelähmt, erfasst von der Kälte, die der Abschied verbreitet hat. Die Sehnsucht macht ein paar Schritte auf die Liebe zu. Ohne die Liebe fühlt sie sich unvollständig und überflüssig. Die Sehnsucht kann ohne die Liebe nicht leben. Doch sie ist zu schwach, um sie aus den starken Armen des Abschieds zu befreien.

Da öffnet sich auf einmal die Tür und herein kommt eine Tänzerin, die in ihrem weißen, langen Kleid außergewöhnlich schön aussieht und alle für einen Augenblick den Atem anhalten lässt. Selbst die Musik setzt ein paar Takte lang aus. Die Frau ist groß gewachsen und hat einen sehr aufrechten, festen Gang. Ihr Kleid betont ihre weichen Rundungen und die Sanftmut in ihren Augen. Die Frau in Weiß erfasst die Situation sofort. Tiefe Bestürzung ist in ihrem Gesicht zu lesen und ihre Trauer lässt den Schmerz der Liebe noch größer werden. Mutig stellt sie sich dem Abschied entgegen und hält dabei ihren starken Rücken noch aufrechter. Der Zorn tritt ein paar Schritte zurück. Eifersucht und Lüge senken beschämt die Köpfe. Die Erinnerungen zeigen in einer Ecke Bilder von Licht und Wärme, die das Glück zum Lächeln bringen. Aus den Augen des Abschieds verschwindet die Kälte. Zurück bleiben Angst und Verzweiflung. Die Liebe umarmt die Sehnsucht und schaut dem Abschied wehmütig hinterher, als er leise davon schleicht.

Sanfte, leise Harfenklänge breiten sich zart im Saal aus. Eine einsame Gestalt fängt vorsichtig an zu tanzen, wiegt sich behutsam im Schmerz der Musik. Ihr weißes Kleid leuchtet im Dämmerlicht, ihre Tränen glitzern im Schein der Kerzen. Die Liebe tritt zu ihr und erfasst dankbar ihre Hand. Was wäre sie nur ohne diese mutige Frau? Was wäre sie ohne die Versöhnung?

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Donnerstag, 30. Oktober 2008

Katzenjammer

Gestern war ein wahrhaft königlicher Tag. In güldenem Licht, das mein Herz verzauberte, unter blassblauem Himmel, der den Horizont weit erscheinen ließ, verliebte ich mich neu. Nein, nein, nicht was Sie jetzt vielleicht denken. In Männer werde ich mich so schnell nicht mehr verlieben, die haben mir in meinem Leben zu übel mitgespielt, zu tiefe Wunden geschlagen, mein Herz zu sehr gequält. Es war meine Stadt, in die ich mich neu verliebt habe, die schönste vielleicht im ganzen Land, jedenfalls an so einem wunderbaren Tag im Herbst, an dem die Farben leuchten, die Seelen ihren Frieden finden und die Luft eine erste Ahnung von Winter mit sich trägt. Ich gab mich längst vergessenen Erinnerungen hin und fand Freundschaften wichtiger als diese dunkle Melancholie, die mich gerne ergreift, wenn der Oktober sich dem Ende entgegen neigt und ich darüber grübele, was war, was ist und was vielleicht doch noch sein könnte.

In Zeiten wie diesen ziehe ich gern Bilanz. Soundso viele Tage Sonnenschein, so viele Tage Regenwetter. Sturm, Gewitter, Dürrezeiten – alles war dabei. Unterm Strich sind dabei einige Pflanzen prächtig gediehen, einige vertrocknet und wieder andere ersoffen. So manches Ziel habe ich verfehlt, so mancher Traum ging baden. Manchmal habe ich den falschen Leuten vertraut. Und manchmal den falschen misstraut. Manchmal war ich zu zaghaft, zu ängstlich, zu verträumt, zu sehnsüchtig, zu naiv, zu ahnungslos. Manchmal war ich wohl auch zu kalt, zu verschlossen, zu abweisend, zu unnachgiebig, zu eigenwillig. Ich war zu faul, zu lustlos, zu kraftlos, zu einfallslos. Ich habe etliche Fehler begangen und muss mir einiges vorwerfen. Doch eins weiß ich genau: Ich kann mir selbst an jedem Tag zu jeder Stunde mit gutem Gewissen in die Augen schauen. Ich muss das Licht nicht scheuen und brauche auch diese albernen Bilanzen nicht zu fürchten, auch, wenn sie Jahr für Jahr zwar viel Abwechslung aber keine echten Überraschungen aufweisen.

In Zeiten wie diesen höre ich mir vermehrt an, dass die inneren Werte doch viel mehr zählen als die äußeren, und ich nicke tapfer, während ich daran denke, wie es sich anfühlt, wenn ich mir selbst in die Augen blicke. Aber dann denke ich auch an einsame, kalte Nächte, an erschöpfende Alltagskämpfe, von deren Last ich gerne ein Stück abgeben würde, an Wünsche und Sehnsüchte, an das stolze Gefühl über Vollbrachtes. Seltsame Anwandlungen befallen mich dann, dieses alberne Besitzenwollen, der Wunsch, auch mal sagen zu können: „Mein Mann, mein Haus, meine Kinder, meine Karriere…“. Dabei weiß ich bei einigen dieser Punkte nicht mal, ob sie überhaupt noch in meine Planung passen, ob das Leben nicht längst weiter gegangen ist. Aber vielleicht möchte ich ja nur den Wunsch festhalten, den Traum mitnehmen in die nächste Runde und dabei einfach vergessen, dass es so etwas wie Endlichkeiten gibt.
Oder ich schlafe einfach mal richtig aus. Das könnte auch hilfreich sein.

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