I'm walking
Ich gehe walken – und schäme mich dabei. Ist das nicht ein deutliches Zeichen von Schwäche, das öffentliche Eingestehen, dass ich zu mehr nicht fähig bin? Walken gehen doch übergewichtige ältere Frauen mit Dauerwelle, nicht Leute wie ich, dynamisch, energiegeladen, im besten Alter. Meine Walkingstrecke war früher Teil meiner Joggingstrecke, damals, als ich noch fit war, jeden Monat einen Kilometer weiter lief und nicht bei jedem unsanften Stoß das Gefühl hatte, mir würde gleich die Wirbelsäule brechen. Jetzt verstecke ich meine Augen hinter einer Sonnenbrille, um nicht den erniedrigenden Blicken durchtrainierter, attraktiver junger Männer standhalten zu müssen. Und erst die Schmach, wenn mich x-beinige Frauen flott überholen. Schrecklich!
Dabei weiß ich genau, dass ich lediglich die Schulden dafür zahlen muss, dass ich jahrelang Raubbau mit meinem Körper betrieben habe. Ich bin im Düsenjet durch mein Leben gejagt und habe ignoriert, was das für eine Belastung war. Permanenter beruflicher Stress mit großer Unzufriedenheit, und das über Jahre. Eine Beziehung und Affäre nach der nächsten, von denen manche schön waren und mir gut taten, andere mein Herz zerrissen und meine Seele verletzten. Nächtelanges Chatten und Bloggen, ständig online, ständig präsent sein, immer auf Abruf leben. Große Konflikte, schwere Tragödien, schreckliche Verluste, es ging Schlag auf Schlag. Zehn Jahre lang. Dann zog ich die Notbremse.
Inzwischen bin ich vom Düsenflieger in einen Bummelzug umgestiegen. Mein Leben verläuft so ruhig und friedlich, dass ich es manchmal selbst kaum glauben kann. Freunden habe ich nichts zu erzählen, weil ich nichts erlebe. Es gibt keine Männergeschichten mehr, keine Tragödien, keine skurrilen Anekdoten, keinen Herzschmerz und keine falschen Hoffnungen. Es gibt nur noch mich. Ich orientiere mich beruflich neu, suche meinen Weg und habe das Gefühl, täglich ein Stückchen mehr Klarheit zu finden. Es ist nicht langweilig, dieses stille, ereignislose Leben. Es ist nicht das, was ich bei anderen oft kritisiere: das dumpfe Verharren in einer Situation, die man nicht ändern kann oder will, weil einem die Kraft fehlt. Es ist vielmehr ein ganz leises Bewegen, ein Suchen und Tasten, behutsam, vorsichtig, neugierig. Zum ersten Mal gönne ich mir den Luxus, mich selbst und mein eigenes Leben zu finden, statt dem Leben anderer Leute hinterher zu jagen. Das fühlt sich unfassbar gut an.
Meine Seele spürt bereits die Veränderung. Sie ist nicht mehr so ängstlich und verzagt wie früher. Ich merke, dass ich entspannter bin, gelassener, zufriedener. Das fällt sogar meiner Umgebung auf. Nur mein Körper, der streikt noch. Der hat immer noch den Ballast der Vergangenheit gespeichert, schleppt den Restmüll mit sich herum und erinnert mich täglich daran, dass ich achtsamer mit meinem Leben umgehen muss. So gesehen ist es vielleicht ganz gut, dass mir mein Rücken immer noch weh tut. Der Schmerz ist eine tägliche Warnung an mich selbst, vorsichtig zu sein, nicht wieder in alte Muster zu fallen, mich nicht ausbeuten zu lassen. Darum gehe ich auch weiter tapfer walken. Dieses langsame Tempo passt sowieso viel besser zum Leben im Bummelzug. Es zeigt mir, dass neue Zeiten angebrochen sind, dass ich andere Akzente setze als früher. Nur eins mache ich nicht mit: Ich verwende beim Walken keine Stöcke. So viel Stolz habe ich mir dann doch noch bewahrt.
Dabei weiß ich genau, dass ich lediglich die Schulden dafür zahlen muss, dass ich jahrelang Raubbau mit meinem Körper betrieben habe. Ich bin im Düsenjet durch mein Leben gejagt und habe ignoriert, was das für eine Belastung war. Permanenter beruflicher Stress mit großer Unzufriedenheit, und das über Jahre. Eine Beziehung und Affäre nach der nächsten, von denen manche schön waren und mir gut taten, andere mein Herz zerrissen und meine Seele verletzten. Nächtelanges Chatten und Bloggen, ständig online, ständig präsent sein, immer auf Abruf leben. Große Konflikte, schwere Tragödien, schreckliche Verluste, es ging Schlag auf Schlag. Zehn Jahre lang. Dann zog ich die Notbremse.
Inzwischen bin ich vom Düsenflieger in einen Bummelzug umgestiegen. Mein Leben verläuft so ruhig und friedlich, dass ich es manchmal selbst kaum glauben kann. Freunden habe ich nichts zu erzählen, weil ich nichts erlebe. Es gibt keine Männergeschichten mehr, keine Tragödien, keine skurrilen Anekdoten, keinen Herzschmerz und keine falschen Hoffnungen. Es gibt nur noch mich. Ich orientiere mich beruflich neu, suche meinen Weg und habe das Gefühl, täglich ein Stückchen mehr Klarheit zu finden. Es ist nicht langweilig, dieses stille, ereignislose Leben. Es ist nicht das, was ich bei anderen oft kritisiere: das dumpfe Verharren in einer Situation, die man nicht ändern kann oder will, weil einem die Kraft fehlt. Es ist vielmehr ein ganz leises Bewegen, ein Suchen und Tasten, behutsam, vorsichtig, neugierig. Zum ersten Mal gönne ich mir den Luxus, mich selbst und mein eigenes Leben zu finden, statt dem Leben anderer Leute hinterher zu jagen. Das fühlt sich unfassbar gut an.
Meine Seele spürt bereits die Veränderung. Sie ist nicht mehr so ängstlich und verzagt wie früher. Ich merke, dass ich entspannter bin, gelassener, zufriedener. Das fällt sogar meiner Umgebung auf. Nur mein Körper, der streikt noch. Der hat immer noch den Ballast der Vergangenheit gespeichert, schleppt den Restmüll mit sich herum und erinnert mich täglich daran, dass ich achtsamer mit meinem Leben umgehen muss. So gesehen ist es vielleicht ganz gut, dass mir mein Rücken immer noch weh tut. Der Schmerz ist eine tägliche Warnung an mich selbst, vorsichtig zu sein, nicht wieder in alte Muster zu fallen, mich nicht ausbeuten zu lassen. Darum gehe ich auch weiter tapfer walken. Dieses langsame Tempo passt sowieso viel besser zum Leben im Bummelzug. Es zeigt mir, dass neue Zeiten angebrochen sind, dass ich andere Akzente setze als früher. Nur eins mache ich nicht mit: Ich verwende beim Walken keine Stöcke. So viel Stolz habe ich mir dann doch noch bewahrt.
Unterwegs - feinstrick - 1. Jun, 12:25
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