Sonntag, 4. März 2012

Feierei

Ich gehe auf eine Party. Den Gastgeber kenne ich schon ein Leben lang. Uns verbindet eine warme, innige Freundschaft. Früher waren wir immer dann sehr eng zusammen, wenn er gerade mal keine Freundin hatte. Er ist jemand, der das Leben in vollen Zügen genießt, der gern an sein Limit geht und auch mal Grenzen überschreitet. Viel Alkohol, Drogen, gelegentlich Gewalt, und viele leidenschaftliche Liebesgeschichten, die oft katastrophal endeten. Inzwischen ist er ruhiger geworden, lebt jetzt schon recht lange in einer stabilen Beziehung und hat ein Kind. Seitdem sehen wir uns kaum noch.

Es sind viele Leute da, von denen ich fast niemanden kenne. Mitten im Getümmel erzählen mein Freund und sein Bruder mir plötzlich vom Tod ihrer Mutter. Ich bin bestürzt. Sie ist schon seit zwei Jahren tot, aber ich erfahre das jetzt erst. „Warum habe ich dir das nicht erzählt?“, fragt er verwundert. Ich weiß es auch nicht. Vielleicht, weil wir so wenig Kontakt in den letzten Jahren hatten. Vielleicht auch, weil es zu viel für ihn war, obwohl der Tod der Mutter nicht überraschend kam, sie war viele Jahre schwer krank. Ich erinnere mich an meinen letzten Besuch bei ihr und ihrem Mann, das ist erst einige Jahre her. Da war sie schon krank, sah aber trotzdem noch so aus wie damals, als ich als Kind in ihrer Küche saß und Bratwurst mit Kartoffelbrei aß.

Und dann ist da dieser Mann, der mich von der ersten Sekunde an fasziniert. Mein Freund stellt uns einander vor, ich schaue in ein außergewöhnlich attraktives Gesicht, wache, lebendige Augen, ein warmes Lachen. Wir vertiefen uns schnell in ein Gespräch, er ist neugierig und stellt kluge Fragen, hört aufmerksam zu, rückt immer näher an mich heran, und ich denke wie blöde nur noch: Oh bitte, gib mir deine Telefonnummer, besser noch, nimm mich gleich heute Nacht mit nach Hause. Keine Ahnung, wie ich es schaffe, entspannt zu bleiben und fröhlich kluge Antworten zu geben. Da erwähnt er auf einmal in einem Nebensatz seine Frau. Er ist verheiratet. Natürlich. Alle tollen Männer sind verheiratet, das ist so, wenn man nicht mehr zwanzig ist. Ich sterbe. Später taucht seine Frau sogar auch auf und weicht nicht mehr von seiner Seite. Von da ab vermeidet er jeden Blickkontakt mit mir.

Ich schaue den anderen beim Tanzen zu. Ausgelassen und fröhlich tanzen sie. Ein paar Teenager schauen zur Tür herein, fasziniert, erstaunt darüber, dass alte Leute so temperamentvoll sein können. Da ist eine Leichtigkeit, eine Unbeschwertheit im Raum, die mich traurig stimmt. Ich trinke viel zu viel Rotwein, das wird morgen kein guter Tag, denke ich noch, aber ich brauche etwas, an dem ich mich festhalten kann, und sei es nur mein Weinglas. Ich denke über die Liebe nach, darüber, warum sie manchmal ganz leicht daher kommt und manchmal unendlich schwer, warum sie manchmal Glück bedeutet und manchmal nur das Herz schmerzen lässt. Als ich es nicht mehr aushalte, gehe ich, flüchte mitten aus der Heiterkeit heraus in die Stille meines eigenen Lebens zurück.

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Dienstag, 28. Februar 2012

Splitter

Das mit dem Internetfasten kriege ich leider nicht so gut hin, wie ich dachte. Immer wieder logge ich mich in meine Profile ein und husche still an all meinen Followern und Freunden vorbei. Aber es wird weniger, ich bin zumindest auf dem Weg zum Teilzeitfasten, das ist doch schon mal was. Immerhin merke ich, dass ich tatsächlich ein wenig entspannter bin.

Das liegt aber sicher auch daran, dass ich viele bunte Begegnungen in dieser Woche hatte. Tolle berufliche Projekte. Wunderbare Freundschaften, die sich neu entwickeln und mich durch den grauen Hamburger Winter tragen. Zauberhaften Besuch von der Lieblingsbloggerfreundin, mit der ich bis nachts in der Küche sitze, ohne zu merken, wie die Zeit verfliegt – an diesem Abend, aber auch in all den Jahren, die wir uns inzwischen kennen, dem Bloggen sei Dank. In der Sonne im Garten der weltbesten Schwester sitzen, deren Schwangerschaft nun amtlich ist und die bereits eifrig nach einem Namen für einen Jungen sucht, das fand sie schon immer besonders schwierig. Ich schlage Heinz-Achmed vor, das sei so schön kulturenverbindend, während der Schwager für einen Namen ist, den außer ihm niemand aussprechen kann, und der Älteste erklärt: „Wenn es wieder ein Mädchen wird, ziehe ich aus.“

Ich bin ratlos, weil ein Kunde seine Rechnung nicht begleicht – vielmehr: Der Buchhalter kriegt es nicht auf die Reihe, die Zahlung anzuweisen. Nach mehrmaligem Anmahnen über die Projektmitarbeiter habe ich nun mit ihm persönlich gesprochen. Seine Gleichgültigkeit und sein schamloses Lügen („Kann ich mir überhaupt nicht erklären, normalerweise begleichen wir Rechnungen immer spätestens nach vierzehn Tagen.“) machen mich fassungslos. Mit dramatischen Worten male ich ihm aus, was es für so ein kleines Licht wie mich bedeutet, monatelang auf einen Betrag zu warten, von dem ich einen Monat leben kann. Aber ich rede gegen eine Wand. Nach dem Telefonat bin ich so wütend, dass ich mir wünsche, ich hätte die Macht, diesen Mann fristlos zu entlassen. Oder ihn wenigstens mal kräftig zu ohrfeigen, damit er aus seiner Lethargie erwacht.

Ich lese in einer kleinen Runde Geschichten aus einem meiner Manuskripte vor. Die Atmosphäre ist heiter, ältere Damen kichern unablässig und der weltbeste Fast-noch-aber-nicht-mehr-so-ganz-Nachbar lacht immer wieder lauthals auf. Sie alle lieben meine Geschichten, und ich bin unendlich glücklich darüber und denke wieder mal: Warum, verdammt noch mal, wollte dieses kleine Manuskript bis jetzt kein Verlag veröffentlichen? Alle, die diese Texte lesen, sind total begeister davon – selbst die Verlage waren es. Kaum jemand hat wohl so viele wohlwollende, schöne Absagen wie ich und meine wunderbare Mitautorin erhalten. „Leider haben die Texte zu viel Tiefgang“, hieß es da zum Beispiel. Tiefgang ist heute offenbar nicht mehr gefragt. Schon gar nicht, wenn er mit Humor gewürzt und voller Leichtigkeit verpackt wird. Das irritiert.

Die Männer mit ihren Launen und Unberechenbarkeiten gehen mir allmählich auf die Nerven, mit denen will ich erst mal nichts mehr zu tun haben. Nicht auszudenken, wie diese Welt aussähe, wenn Männer einen Monatszyklus hätten. Die sind ja schon ohne PMS manchmal kaum zu ertragen mit ihren Befindlichkeiten. Warum ich trotzdem gleich mehrmals nachts von einem von ihnen träume, weiß allerdings höchstens Herr Freud. Zumal es auch noch der völlig falsche Mann ist. Oder etwa doch nicht? Ich bin verwirrt. Nein, nein, Finger weg, das tut mir alles nicht gut.

Aber ich merke: Nicht nur das Internet sorgt für Chaos bei mir und hat Suchtcharakter. Im realen Leben geht es noch viel bunter und chaotischer zu. Nur dass ich das nicht einfach so ausschalten kann.

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Mittwoch, 22. Februar 2012

Sieben Wochen ohne

Eigentlich ist das eine super Woche. Jeden Tag Termine, tolle Kunden, tolle Aufträge. Spaß und Erfüllung und dabei auch noch Geld verdienen. Ich müsste schweben. Stattdessen krieche ich. Das hat jede Menge Gründe. Hormone. Blockierte Gedanken. Verwirrte Herzen. Und dann dieser ganze Onlinestress. Ständig schauen, ob noch alle da sind, gucken, was sie so treiben, verfolgen, was sie gerade bewegt und beschäftigt. Ich hocke eh den ganzen Tag am Rechner, und wenn ich das auch noch abends bis spät in die Nacht tue, um zu mailen, chatten, twittern, facebooken, bloggen, dann komme ich überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Ich schlafe extrem schlecht, schalte nicht ab, sondern chatte auch nachts noch und denke, denke, denke wie blöde vor mich hin. Ja, und die Hormone, erwähnte ich die Hormone schon? Also, kurzum, als ich heute Morgen auf dem Weg zu einem Kunden war und mir aus heiterem Himmel fast die Tränen kamen, merkte ich: Hier läuft was schief. An den Hormonen kann ich nix ändern, am Rest schon. Ich muss ein wenig raus aus diesem Karussel, in dem sich alles dreht, in dem der Fernseher läuft, während ich gleichzeitig twittere, meinen Facebookfreunden hinterher spioniere und den Termin für den nächsten Tag vorbereite. Das ist zu viel, das geht nicht.

Also habe ich beschlossen, das Internet mal eine Weile abzuschalten – jedenfalls den Teil, der mich besonders blockiert. Und da zufällig gerade heute die Fastenzeit beginnt, werde ich einfach bis Ostern auf Twitter und Facebook verzichten. Das ist eine Art Selbstversuch, und ich habe keine Ahnung, ob es funktioniert und wie es mir damit geht. Ich habe schon früher längere Pausen vom Netz gehabt – aber immer nur, weil ich gerade überhaupt keine Lust darauf hatte. Jetzt ist es anders, ich zwinge mich sozusagen, mitten aus dem Leben zu hüpfen. Prompt gab es bei Facebook schon die ersten Beschwerden, weil ich dort eine tägliche Fortsetzungsgeschichte poste, die nun mittendrin erst mal nicht weitergeht. Aber wurscht, mein Wohlbefinden und vor allem mein Job sind mir jetzt erst mal wichtiger. Bloggen werde ich sicher immer mal wieder, das ist nicht so zeitraubend und hat nicht so einen Suchtcharakter. Und jetzt wird bestimmt alles wieder gut. Wenn da bloß nicht die Hormone wären …

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Samstag, 18. Februar 2012

Veränderungen

Er hat mich verlassen, schon in den letzten Tagen des alten Jahres. Er sagt, das sei nichts Endgültiges, die Wohnung ist auch nur untervermietet, aber ich glaube nicht, dass er zurückkehrt. Immer wieder, wenn ich jemanden nebenan die Tür aufschließen höre, ertappe ich mich dabei, wie ich denke: Ach, wie schön, jetzt kommt er nach Hause, da gehe ich nachher einfach mal ein halbes Stündchen rüber zum Plaudern. Und dann setzt die Ernüchterung ein: Nein, er kommt nicht. Einmal haben wir telefoniert. Ich nannte meinen Namen. „Ja?“, fragte er abwartend, wie man fragt, wenn man einen Fremden in der Leitung hat. Er hatte mich nicht erkannt. Schließlich haben wir vorher nie miteinander telefoniert.

Die weltbeste Schwester ist vermutlich wieder schwanger. Zum vierten Mal. Damit setzt sie die Tradition meiner Mutter und Großmutter fort. Noch war sie nicht beim Arzt, noch ist es viel zu früh, sich darüber Gedanken zu machen, und doch stelle ich bereits jetzt fest: Ich habe keine Lust auf dieses neue Kind. Insgesamt fünfmal habe ich mich in den vergangenen fünfzehn Jahren wie verrückt gefreut. Für fünf Kinder war und bin ich Tante, Oma, Freundin, Ersatzmutter in einem. Das jüngste ist jetzt vier, und ich habe in den letzten Monaten innerlich aufgeatmet, dass die Zeiten, in denen ich mich über Verdauungsprobleme, erste Schritte, erste Worte, erste Kindergartentage austauschen musste, vorbei schienen. Ich genieße es, dass ich nachts endlich überall bei meinen Verwandten durchschlafen kann. Es gefällt mir, dass vor allem die Besuche bei meiner Schwester längst nicht mehr daraus bestehen, von morgens bis abends Kinder zu bespaßen. Die beschäftigen sich mittlerweile meistens lieber alleine, und das ist auch gut so. Mein Ruhebedürfnis steigt mit zunehmendem Alter, meine Energie schwindet. Mein Wunsch nach eigenen Kindern ist irgendwann in den letzten zwei Jahren komplett verschwunden. Und damit offenbar auch das Bedürfnis, Ersatzmutter für ein weiteres Würmchen zu sein. Stattdessen hatte ich gehofft, dass jetzt endlich mal mehr Zeit für Schwesternliebe sei, dass ich jetzt auch mal dran wäre. Doch das scheint nicht der Fall zu sein.

Aus einer unverbindlichen Affäre ist etwas geworden, das ich nicht zu deuten vermag. Die jüngsten Veränderungen kann ich nicht einorden, verstehe ich nicht. Es ist etwas sehr Erstaunliches passiert, das mich sehr berührt hat, aber ich habe keine Ahnung, wohin das führt. Ich weiß nur, dass ich mich im Moment nicht richtig gut damit fühle. In meinem Bauch sitzt ein großer, dicker Klumpen Angst, und ich weiß nicht, wohin damit.

Nur beruflich verläuft alles in seltsam geschmeidigen Bahnen. Ich habe einen so unfassbar guten Lauf, dass ich es immer noch nicht richtig glauben kann. Nach all dem Stillstand, dem Abstrampeln, Kämpfen und Verzweifeln bewegt sich auf einmal ganz viel. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Mir scheint, dies ist ein Jahr der Veränderungen. In vielerlei Hinsicht.

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Sonntag, 12. Februar 2012

Verstehen

Ich bin tagelang zornig. Sehr zornig. So zornig, dass meine ganze Urlaubserholung flöten geht. Ich denke kaum noch an etwas anderes, schrecklich ist das. Dann lese ich das Manuskript eines Freundes, er bat mich vor einiger Zeit, es zu lektorieren, aber ich komme nicht recht voran, weil so viel anderes zu tun ist. Dabei ist es total spannend und toll geschrieben. Endlich finde ich mal wieder ein Stündchen zum Lesen – und bin begeistert. Auf einmal wird mir klar, wie unsinnig meine Wut ist, wie überflüssig, und wie schwer ich mir das Leben damit mache. Was ich die ganze Zeit versucht hatte, gelingt mir auf einmal, und innerhalb weniger Minuten fällt alle Anspannung von mir ab.

Und ich treffe mehrere Entscheidungen. Eine davon lautet: Manches, was privat ist, sollte auch privat bleiben. Darum habe ich auch den letzten Blogeintrag offline gesetzt. Ich möchte nichts ruinieren, was eigentlich gut ist. Und jetzt starte ich gemütlich in eine neue Woche und lasse mich einfach vom Leben überraschen.

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Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
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