Montag, 18. April 2011

Gelungene Kommunikation ist Glückssache

Frau Schmidt: „Training für alle, Sabine Schmidt, guten Tag.“
Ichso: „Käthe Feinstrick, guten Tag.“
(Ich mache eine kleine Pause, damit Frau Schmidt reagieren kann.)
Frau Schmidt: „ ...“
Ichso: „Ich habe am vergangenen Wochenende in Ihrem Auftrag das Seminar Gelungene Kommunikation ist Glückssache geleitet.“
(kleine Pause)
Frau Schmidt: „ …“
Ichso: „Ja, also, das lief im Prinzip alles total super. Es gab nur ein kleines Problem.“
(kleine Pause)
Frau Schmidt: „ …“
Ichso: „Nun ja, davon möchte ich Ihnen gerne erzählen.“
(kleine Pause)
Frau Schmidt: „ ...“
(Ich fange an, mich zu fragen, ob die Verbindung eigentlich in Ordnung ist und Sabine Schmidt mich überhaupt hören kann.)
Ichso: „Tja, wissen Sie, ich hatte einen ausgesprochen unangenehmen Zusammenprall mit der Mitarbeiterin, die am Wochenende die Aufsicht im Seminarhaus hat.“
(Kleine Pause, in der ich angestrengt in den Hörer lausche. Frau Schmidt atmet nicht mal. Ich mache mir nun ernsthafte Sorgen. Trotzdem rede ich tapfer weiter.)
Ichso: "Ehrlich gesagt ist diese Frau mit der dicken Hornbrille und dem osteuropäischen Akzent zwar nur halb so groß, aber mindestens zehnmal so furchteinflößend wie jeder deutsche Hausmeister. Sie hat mich nämlich vor meinem gesamten Kurs zur Schnecke gemacht, weil ich den Unterricht um drei Minuten überzogen habe."
(dramatische, extra lange Pause)
Frau Schmidt: „ …“
(Diese Stille ist mir unheimlich. Frau Schmidt muss der Schlag getroffen haben, da bin ich jetzt sicher. Aber ich rede aus lauter Verzweiflung einfach weiter.)
Ichso: „Meine Teilnehmer waren alle sehr schockiert. Und ich erst. Ich habe dann todesmutig noch mal ein Gespräch unter vier Augen mit der Drachentöterin gesucht, aber es war grauenvoll. Sie hat mich aufs Übelste beschimpft und beleidigt. Sie warf mir vor, inkompetent zu sein, weil ich meinen Unterricht nicht pünktlich beende. Ist natürlich auch blöd, wenn sie um halb sechs Feierabend hat, aber der Unterricht ebenfalls erst um halb sechs endet. Da kommt sie ja nie pünktlich nach Hause. Trotzdem war ihr Auftritt ziemlich daneben, wissen Sie?“
Frau Schmidt: „ ...“
Ichso: „Das einzig Gute: Dieser sozialistischen Gefängniswärterin erschien offenbar in der Nacht die Jungfrau Maria und hielt sie zu einem besseren Leben an. Jedenfalls war sie am nächsten Tag wie ausgewechselt und total freundlich zu mir. Aber auf Ihr Unternehmen wirft so ein Zwischenfall natürlich kein gutes Licht. Tja, darum wollte ich Sie darüber informieren.“
Frau Schmidt: „Danke, dass Sie mir das alles mitgeteilt haben. Aber ich bin dafür gar nicht zuständig.“

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Freitag, 15. April 2011

Angebote

Erst bin ich enttäuscht, weil er heute nicht an der Kasse sitzt, doch dann erspähe ich ihn in der Schwimmhalle. Als ich am Beckenrand entlang gehe, kommt er direkt auf mich zu. Wir grinsen uns an und sagen Hallo. Ich denke: Na, nun weißt du also auch, wie ich ohne Jeans und dicke Winterjacke aussehe. Und verstohlen mustere ich seine nackten Beine, die genau wie seine Arme tätowiert sind. Wo an seinem Körper hat er wohl weitere Tattoos versteckt?

Ich bin die Treppe zum Außenbecken schon halb runter, als er plötzlich hinter mir steht. Nanu? Er war doch eben noch in die andere Richtung unterwegs. Nun hat er sich also in aller Ruhe meine schwabbeligen Beine von hinten angeguckt. Na toll! „Schön die Sonne genießen?“ fragt er, und ich nicke, und wir wechseln ein paar belanglose Worte. Ich strahle, er grinst, dann fragt er auf einmal: „Wollen Sie heute noch in die Sauna?“ Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe nur eine halbe Stunde Schwimmen mühsam in meine Mittagspause gequetscht. Er erzählt irgendwas von einem speziellen Sauna-Angebot. „Klingt toll, aber ich habe leider keine Zeit und auch kein großes Handtuch dabei“, wehre ich ab. „Verstehe.“ Er wirkt ein wenig enttäuscht. „Falls Sie es sich noch anders überlegen: Ich mache um eins einen Aufguss.“ Hat er wirklich ich gesagt? Oder habe ich mir das nur eingebildet? Junge, denke ich, jetzt fährst du aber ganz schön schwere Geschütze auf.

Nach dem Schwimmen spreche ich ihn noch mal auf das Sauna-Angebot an. Das sei nichts Offizielles und nur zum Kennenlernen gedacht, erklärt er. „Da habe ich ja Glück gehabt, dass du mich angesprochen hast.“ Ich wechsle wie von selbst zum Du. „Glück? Nein, so würde ich das nicht nennen.“ Aber er sagt nicht, wie er es lieber nennen möchte. Und dann gibt er zu, dass er das Angebot nur ausgewählten Gästen macht. Obwohl ich die Sauna längst kenne, also gar nicht zur Zielgruppe für die Aktion gehöre, empfiehlt er mir augenzwinkernd, beim nächsten Schwimmbadbesuch einfach ein größeres Handtuch mitzubringen. „Wir laufen uns bestimmt wieder über den Weg“, sagt er und lacht. Das hoffe ich doch. Schließlich weiß ich immer noch nicht, was für Worte auf seinen Armen stehen.

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Dienstag, 12. April 2011

Freiheit

Ich erzähle der weltbesten Schwester von ihm. Sie reagiert sehr gelassen. „Ach, weißt du“, sagt sie, „das klassische Familienmodell ist doch für dich längst durch. Kinder wirst du nicht mehr kriegen, also ist es völlig egal, wie du lebst.“ Ich staune, wie sie es mal wieder in ihrer nüchternen Art schafft, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Ich fühle mich plötzlich seltsam entspannt, denn genau so ist es tatsächlich: Das, was ich ein Leben lang gesucht und gleichzeitig wie die Pest gemieden habe, werde ich aus Altersgründen nicht mehr erreichen. Also macht es auch keinen Sinn mehr, diesem traditionellen Leben mit Mann, Kindern, Reihenhaus und Kanarienvogel weiter nachzujagen. Das empfinde ich als ungeheuer entlastend. Auf einmal ist alles erlaubt und alles möglich.

Und dann ist er wieder da. Wir küssen und herzen uns so stürmisch, dass in meinem Flur ein Leuchter von der Wand fällt. Ich freue mich, dass er sich genauso über das Wiedersehen freut wie ich. „Kalt ist es hier“, sagt er. „Und die Leute sind alle so unfreundlich. Wie schrecklich.“ Ich strahle ihn zum Ausgleich besonders warm und herzlich an. Wir gackern und reden wie aufgedreht, er fragt mich Sachen, die ich überhaupt nicht wichtig finde, aber ich weiß selbst nicht, was wichtig genug ist, um es als Erstes zu erzählen. Er erzählt von der Frau, die ihn auf seiner Reise ganz überraschend begleitet hat, ich höre es mit einem leisen Stich, aber ich muss auch zugeben, dass er gut aussieht, entspannter und irgendwie verändert. Offensichtlich tat ihm seine lange Reise gut. Und die Frau wohl auch. „Und wie steht es mit deinen Männern?“ fragt er und beugt sich neugierig vor. Ich erzähle von meiner sexuellen Wiederbelebung, meinen Affären in den letzten Monaten, und vor allem von ihm. „Das klingt richtig gut“, sagt er, und ich nicke zufrieden.

„Bei uns funktioniert es nur, weil ich keinerlei Druck verspüre“, erklärt er das Arrangement mit seiner Liebsten. „Wenn sie mich festbinden will, bin ich sofort weg.“ Wieder mal denke ich, dass wir uns in unserer Bindungsangst seltsam ähnlich sind, obwohl meine ganz andere Formen hat. Ich wollte immer etwas ganz Festes und suchte mir dann doch ständig Männer, mit denen das gar nicht ging. Aber auf einmal empfinde ich das nicht mehr als Makel, sondern als Geschenk. Ich denke an die Worte meiner Schwester, als ich sage: „Ich genieße diese Freiheit sehr.“ Und er lacht: „Ich auch. Es gibt einfach so viele tolle Frauen.“ Das vergangene halbe Jahr schmilzt zwischen uns dahin, es ist so, als sei er nie weggewesen. Ich weiß, er wird nichts mit mir anfangen, dafür ist er zu monogam, und ich bin auch anderweitig genug beschäftigt, aber ich habe das Gefühl, dass unsere Freundschaft eine neue Qualität erhält. Wie schön!

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Donnerstag, 7. April 2011

Strahlen

Nach langer Zeit sitzt mein Lieblingsmitarbeiter mal wieder an der Kasse im Schwimmbad. Er strahlt mich schon von weitem an, ich strahle zurück, wir wechseln die üblichen Worte - “Einmal Schwimmen für anderthalb Stunden bitte“, „Gerne“, „Danke“ -, da sagt er auf einmal: „Sie wissen aber schon, dass Sie mit Ihrem Lächeln den Blick von mindestens zehn griesgrämigen Gästen hier wieder ausgleichen, oder?“ Ich hebe verblüfft den Kopf und schaue ihn aufmerksam an. Mir fällt auf, dass er eine jüngere Ausgabe von ihm ist – nicht schön im klassischen Sinne, dennoch sehr attraktiv und sympathisch, die Haare genauso nach hinten gegelt, die muskulösen Oberarme voller Tattoos. „Ist doch wahr“, fügt er hinzu und lehnt sich in seinem Sessel zurück. „Viele Leute schauen so unfreundlich in die Gegend und kriegen kaum den Mund auf, wenn sie hier vor mir stehen. Da vergeht einem manchmal schon selbst die gute Laune.“ Ich strahle ihn an, er strahlt zurück, ich möchte gar nicht schwimmen gehen, ihn viel lieber noch länger anschauen und endlich fragen, was denn da eigentlich auf seinen Armen steht, aber dann gehe ich doch weiter in Richtung Umkleidekabinen. Doris Day singt Qué Será, und ich singe ein bisschen mit, und denke, dass meine Laune ja schon heute Morgen gut war, dass sie nun aber ungeahnte Gipfel erstürmt. Und ich frage mich, warum ich neuerdings ausgerechnet diesen Typ Mann so interessant finde. Das war doch früher nicht so. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich vor der speziellen Erotik, die diese Kerle ausstrahlen, keine Angst mehr habe, sondern sie höchst aufregend finde. Ich nehme mir vor, nach dem Schwimmen noch mal an die Kasse zu gehen. Doch leider sitzt dort nun eine junge Frau, die mit anderen Gästen beschäftigt ist. Schade. Ich hätte mich gerne bei ihrem Kollegen dafür bedankt, dass ich immer noch strahle. Aber ich gehe jetzt sicher wieder öfter schwimmen. Allein schon der guten Laune wegen.

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Montag, 4. April 2011

Frühlingsbeben

Es ist Frühling in Zürich, fast die schönste Jahreszeit hier. Ich kann mich kaum sattsehen an den zartgelben Primeln in den Gärten, die hier wild wachsen und nicht zu vergleichen sind mit den knallbunten Züchtungen, die es bei uns in den Läden zu kaufen gibt. Ich staune wieder mal über die gepflegten, kleinen Straßen, die riesigen Grundstücke mit den alten, schönen Häusern, den Reichtum, der an jeder Ecke spürbar ist. Mein Bruder weist mich wie üblich auf die seltsamsten Jobangebote hin, und ich ärgere mich wie immer darüber und male mir gleichzeitig aus, wie es wäre, wenn ich tatsächlich auch hier leben würde. Die schlechteste Idee wäre es nicht. Und doch hält mich so vieles im Norden, trotz Schietwetter und magerem Geldbeutel. Geld ist nicht alles Glück dieser Welt, und auch, wenn die Leute hier mit ihren Maseratis durch die Gegend fahren wie unsereins mit seinem Golf, geht es ihren Herzen oft kaum besser als meinem eigenen.

Hier im Haus herrscht Eiszeit. Ich höre Geschichten über tyrannische Mütter, schwache Väter, verkrüppelte Seelen und Herzen aus Stein. Ich höre auch von Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten und dem Unvermögen, in Dürrezeiten zu lieben und zu ehren. Ich spüre Verachtung, Zorn und manchmal fast Hass. Zum ersten Mal seit vielen Jahren bin ich uneingeschränkt dankbar für meine eigene Kindheit und die Liebe, die ich erfahren habe. Und ich bin sehr froh über mein Leben, so, wie es ist, als Single, ohne Kinder, ohne Erwartungen, die sich nie erfüllen, die ich nie erfüllen kann. Ich bin zu meiner großen Verwunderung der zufriedenste Mensch hier im Haus. Ausgerechnet ich! Wer hätte das gedacht? Ich sehe den Frühling nicht nur in den Gärten der Stadt, ich spüre ihn auch in mir. Auf eine ganz eigene, sehr besondere Weise. Was für seltsame Zeiten.

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Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
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steppenhund - 11. Feb, 22:02
Ja, ich erinnere mich...
Ja, ich erinnere mich gut daran. Ich mache mich mal...
feinstrick - 11. Feb, 20:08
Ich hab meine Statistik...
Ich hab meine Statistik ewig nicht angeschaut, aber...
feinstrick - 11. Feb, 20:08

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