Dienstag, 15. Mai 2018

Danke und tschüss!

Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre, wird es dieses Blog nicht mehr geben, twoday stellt zum Monatsende den Dienst ein. Ich habe keine Rettungsmaßnahmen eingeleitet und nehme mit leiser Wehmut Abschied. Ein letztes Mal schleiche ich durch die Zimmer, höre den Nachhall eines Lachens hier, ein längst vergessenes Wispern und Raunen da. Ich wische mit dem Finger über die Staubschicht, die sich auf die abgenutzten Möbel gelegt hat, sehe die verblichenen, fleckigen Tapeten und weiß, dass nicht nur ich in die Jahre gekommen bin, mein Blog ist es auch.

Ich denke an die Menschen, die mit diesem Blog und auch seinen Vorgängern verbunden waren, Menschen, von denen viele weitergezogen sind, einige nicht mal mehr leben. Zurück bleiben die Erinnerungen an eine sehr intensive Zeit, die ich nicht missen möchte. Erinnerungen an Jahre des Zweifelns und Suchens, der inneren und manchmal auch äußeren Not. Ich bin heute mehr in mir zu Hause als vor rund zwanzig Jahren, als ich mit dem Bloggen begann. Vielleicht brauche ich dieses virtuelle Tagebuch auch darum nicht mehr.

Danke den Wenigen, die bis zuletzt durchgehalten haben, als das Blog schon sichtlich verfallen war, ich es aber aus reiner Sentimentalität nicht abriss. Nun übernehmen das andere für mich, es macht die Sache leichter.

Wenn Sie weiter von mir lesen möchten, folgen Sie mir gern auf Twitter, dort bin ich immer noch aktiv.

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Sonntag, 11. Februar 2018

Abschied

Twoday macht dicht – und Frau Feinstrick wohl auch. Hier ist ja eh kaum noch etwas passiert. In den letzten Jahren hat das Bloggen für mich zunehmend an Reiz verloren. Manchmal frage ich mich, warum eigentlich. Es war mir über viele Jahre enorm wichtig. Ich habe mich sprachlich und gedanklich ausprobiert, tolle Leute kennengelernt, Seelenverwandte gefunden.

Ich erinnere mich noch gut an die Anfangszeiten hier, in denen wir alle eine große Gemeinschaft waren, es summte und brummte, Freundschaften geschlossen wurden und man teilhatte an Dramen und Tragödien. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mein erstes Blog bei twoday hatte, aber das muss ziemlich bald nach Eröffnung der Plattform gewesen sein. Die Weggefährten von damals – passé. Zu den meisten habe ich keinen Kontakt mehr, einige leben nicht mal mehr.

Aus beruflichen Gründen tobe ich mich heute hauptsächlich auf Facebook aus, das ist zeitraubend genug, mehr Social Media geht kaum, in aller Schönheit und Hässlichkeit. Manchmal habe ich dennoch die kühne Ideen, das alles hier noch mal zu reanimieren, an neuem Ort, mit neuen Tapeten an den Wänden – das wäre doch was. Andererseits aber hat sich so viel verändert, mein Alltag, mein Leben. Ich bin weniger mitteilsam geworden, was Privates angeht, vielleicht, weil ich auch zufriedener bin, mich recht wohlfühle mit allem. Meistens jedenfalls.

Hin und wieder gibt es freilich diese Momente, in denen ich das Bedürfnis habe, noch mal alles auf den Kopf zu stellen, ganz neu durchzustarten, beruflich wie privat. Umzug? Weltreise? Teilzeitjob als Ausgleich zum Bücherschreiben? Wer weiß. Dann wäre es vielleicht Zeit für ein neues Blog. Allerdings in anderer Aufmachung und unter anderem Namen. Die gute Frau Feinstrick wird wohl nur noch auf Twitter ihr Unwesen treiben, und auch da springt sie immer seltener herum. Ein wenig weh ums Herz wird mir da schon, und ja, vielleicht mache ich doch noch mal weiter. Irgendwo. Irgendwann.

Falls ich das technisch bewältige, werde ich dieses Blog in den nächsten Monaten an einen anderen Ort exportieren. Aber vielleicht mache ich auch alles platt. Wozu den alten Kram aufheben? Liest eh niemand mehr.

Edit: Gerade sehe ich, dass ich dieses Blog genau vor zehn Jahren eröffnet habe, im Februar 2008. Mir scheint, hier schließt sich ein Kreis. Ach, ach, ein wenig weh wird mir doch ums Herz ...

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Montag, 21. August 2017

Veränderungen

Dies ist das Jahr des Ausgehens. So oft bin ich ewig nicht mehr tanzen gegangen, zu Konzerten, in Ausstellungen, zu Lesungen. Vor allem Musik entdecke ich ganz neu für mich. Ich habe ja keine Ahnung davon, kenne selbst sehr populäre Bands nicht, merke mir nie die Namen der Bassisten oder Drummer, geschweige denn Songtitel oder gar –texte. Woran das liegt, weiß ich nicht. Vielleicht an der Brutalität, mit der mein großer Bruder mir als Kind verbat, die Musik zu hören, die ich mochte. Oder an der Geringschätzung, mit der mein Vater von „Unterhaltungsmusik“ sprach. Was mich allerdings keineswegs dazu brachte, mich in klassischer Musik besser zurechtzufinden. Und auch nicht dazu, irgendwann zu rebellieren und Punkrockerin zu werden.

Letzteres bedauere ich heute manchmal. Ich wäre lieber eine Rebellin geworden statt das verängstigte Wesen, zu dem ich in meiner Pubertät mutierte und das mich viele, viele Jahre nicht mehr losließ. Während meines Studiums machte ich ein Praktikum in einem Kulturzentrum, half bei der Veranstaltungsorganisation von Partys und Konzerten. Das hätte großartig sein können, wenn ich nicht so verschüchtert gewesen wäre, dass ich kaum wagte, den Mund aufzumachen. Wer weiß, wohin mein Weg mich geführt hätte, wenn ich damals mehr Mut besessen hätte. Denn der Spaß an Musik, an Konzerten, an diesem rauschhaften Eintauchen in Rhythmen und Klänge, der war immer da.

Nun habe ich das alles nach Jahren des Winterschlafs wiederentdeckt. Und ich merke, dass sich mir dabei neue Türen öffnen. Ich begegne Menschen, denen ich sonst nie begegnet wäre. Ich treffe auf einen Mann und erlebe einen magischen Abend voller Energie, funkelnder Augen und ausgelassenem Lachen. Es ist diese Art von Aufeinandertreffen, auf der unzählige Hollywoodfilme fußen, weil so viele Zufälle eine Rolle spielen, die am Ende gar nicht anders können, als sich zu einem gigantischen Happy End zu vereinen. Nur dass ich zum Glück vorgewarnt wurde und weiß, dass ich in dieser Geschichte nur die Närrin bin, nicht die Liebende, die am Ende in die Arme ihres Angebeteten sinkt. Der hat nämlich längst eine andere geheiratet, vor wenigen Monaten erst. Und die Gute scheint zu spüren, dass zwischen ihm und mir etwas in Schwingung gerät, das nicht sein darf, denn sie wacht im Verlauf des Abends mit zunehmender Eifersucht über unser Gelächter und das Wühlen in der gemeinsamen Vergangenheit, die wir haben, ohne dass ich das bislang geahnt hätte.

Er ist mit meinem Bruder zur Schule gegangen, aber dieser eine Name war mir überhaupt nicht mehr präsent (und das Gesicht gleich gar nicht). Umso erstaunter bin ich, was er alles weiß – über meine Familie, vor allem aber auch über mich. Als habe er mich still beobachtet in all den Jahren. Das hat er natürlich nicht, aber für einen Moment fühlt es sich so an, wünsche ich es mir vielleicht einfach. Und natürlich kennt er auch meinen Ex, die Welt ist ein Kuhdorf, ich muss es fragen, weil ich es von Anfang an ahne, die beiden haben viele Gemeinsamkeiten, ja, wenn ich mir die liebe Gattin ansehe, haben sie sogar denselben Frauengeschmack.

Frauen sind das, die so gar nichts mit mir gemein haben, weder äußerlich noch in ihrem Lebensstil und vermutlich auch nicht in der Art, wie sie ihre Männer lieben. Ich passe da nicht hin, gehöre da nicht hin, und das nicht nur, weil ich mich am Lachen eines frisch verheirateten Mannes berausche. Das ist nicht meine Welt, ich habe nicht gelernt, mich darin zurechtzufinden, fühle mich auch heute noch zu bieder, zu langweilig, zu unwissend zwischen diesen Menschen.

Und gleichzeitig bin ich fasziniert von ihnen, denke, dass sie viel spannender sind als all die Leute, mit denen ich sonst so zu tun habe. Und mit beinah fünfzig Jahren wünsche ich mir, endlich auch mal so cool sein zu können, endlich doch mal die Punkrockerin rauszulassen. Aber ob das hilft und mich glücklicher macht? Jedenfalls habe ich vergangene Nacht in den wenigen Stunden, die ich überhaupt schlafen konnte, von diesem Mann geträumt. Ich weiß, ich werde ihn nie kriegen können. Aber es ist gut, zu spüren, dass ich es noch kann: mich Hals über Kopf verlieben.

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Freitag, 5. Mai 2017

Wendemarken

Kürzlich stellte ich fest, dass jedes Lebensjahrzehnt für mich mit großen Veränderungen begann, die zukunftsweisend für viele Jahre waren.

In dem Jahr, als ich 10 wurde, fuhr ich mit der Schule auf eine Nordseeinsel. Ich wurde krank vor Heimweh und war dankbar, als ich vorzeitig heimreisen durfte. Das Heimwehproblem begleitete mich ewig, manchmal habe ich sogar heute noch so einen Anflug davon, wenn ich irgendwo bin, wo ich mich nicht wohlfühle. Viele Jahre später kehrte ich auf diese Insel zurück, der Pferde wegen, die ich dort schon als Kind gesehen hatte. Sie standen in der Nachbarschaft unseres Schullandheims, und ich träumte davon, einmal auf einem von ihnen zu sitzen. Als ich erwachsen war, erfüllte sich dieser Traum und ich versöhnte mich mit der Insel und meinen Heimwehgefühlen. Kurzzeitig überlegte ich sogar ernsthaft, mich dauerhaft auf dem Inselchen niederzulassen.

Als ich 20 wurde, wechselte ich nach einer schweren Lebenskrise die Schule. Neustart kurz vorm Abitur. Noch nie war ich so alleine gewesen, obwohl ich ein paar Jahre zuvor bereits einen Umzug mit Schulwechsel hinter mir hatte. Nahezu jede Pause verbrachte ich alleine und auch sonst war ich eine Außenseiterin. In dieser Zeit lernte ich, mich auf mich selbst zu verlassen und mich nicht abhängig von besten Freundinnen oder von Leuten zu machen, die scheinbar das Sagen haben.

Am dramatischsten waren die Einschnitte, als ich 30 wurde. In dem Jahr erhielt ich meinen ersten festen Arbeitsvertrag nach dem Studium, meine kleine Schwester heiratete, mein Hund starb, mein erster Neffe wurde geboren und im Körper meiner Mutter begann der Krebs zu wüten. Abschied und Neubeginn lagen nah beieinander, und das setzte sich über viele Jahre so fort. Dieses Jahr markiert für mich den stärksten Wendepunkt, ich denke bis heute, dass ich da erwachsen wurde.

In dem Jahr, in dem ich 40 wurde, kündigte ich meinen Job und gab, ohne dass mir das in dem Moment bewusst gewesen wäre, alle Sicherheiten auf. Es folgten Jahre der Neuorientierung, des Ausprobierens und Scheiterns. Meine finanzielle Situation war oft dramatisch, aber irgendwie hangelte ich mich vorwärts und schaffte es, mich aus jeder Krise zu befreien - und zwar nicht nur aus den beruflichen, sondern auch aus den privaten, die mit diesen oft Hand in Hand gingen.

In diesem Jahr steht wieder ein runder Geburtstag an und ich frage mich seit Monaten, mit welchen Veränderungen er einhergehen wird. Die erste hat nun stattgefunden. Nach sechs Jahren On-Off-Affäre voller Leidenschaft, aber auch voller Drama haben der Mann und ich uns in den vergangenen Tagen so sehr zerstritten, dass es aus meiner Sicht kein Zurück mehr geben kann. Zwei große Trennungen haben wir hinter uns, die erste war böse, die zweite elegant, die dritte fand nun statt, obwohl wir uns noch gar nicht wieder richtig zusammengetan hatten. Aber ein paar unbedachte Worte seinerseits lösten in mir eine ganze Lawine an schlechten Empfindungen aus, und mir wurde auf einmal klar, dass ich mich nicht länger demütigen lassen möchte von einem Mann, der mich immer häufiger als Spielzeug benutzt und sich einen Dreck um meine Gefühle schert. Nun pflege ich mein Herz, schaue aber recht optimistisch in die Zukunft und denke ernsthaft darüber nach, mein Schlafzimmer zu renovieren und mir ein neues Bett zu kaufen. Die Renovierung steht eh an und das neue Bett wäre ein schöner symbolischer Akt.

Und ich denke über das nach, was die Zukunft noch bringt. Seit ich vor einigen Monaten auf erschütternd realistische Weise von meinem eigenen Tod träumte, lässt mich das Gefühl der Endlichkeit nicht mehr los. Immer häufiger wird mir die Fragilität meines eigenen Körpers bewusst und ich male mir aus, wie es sein wird, wenn der Schalter dereinst umgelegt wird. Das ist kein Gedanke, der mir angst macht. Beängstigend finde ich eher die Vorstellung, dass einer meiner Lieben gehen wird. Ich habe bereits schreckliche Verluste in meinem Leben erlitten, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein geliebter Mensch einfach nicht mehr da ist. Sorgenvoll schaue ich meinen Bruder an, der sich zwischen unglücklicher Ehe und Job zerreibt, und frage, wie lange er noch durchhält, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen. Schließlich sind wir jetzt alle in dem Alter, in dem so was schnell mal vorkommt. Meine Schwester hat immer mal wieder kleine und größere Gebrechen, möglicherweise Vorzeichen für etwas Ernsteres, vielleicht aber auch „nur“ psychosomatisch. Kürzlich erschreckte sie mich damit, dass sie sagte: „Ich glaube, ich habe eine Krise.“ Ich entgegnete: „Krise? Du? Das ist doch normalerweise mein Metier.“ Fakt ist: Ich bin die Dramaqueen in der Familie, während meine Schwester immer die Zähne zusammenbiss und sehr gerade ihren Weg ging. Aber alles ist im Wandel begriffen. Und dann sind da noch die vielen Kinder, die ich liebe wie meine eigenen, und die allmählich hinaus in die Welt ziehen. Sie sind alle gesund und glücklich und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sich das irgendwann ändern könnte, dass einer von ihnen vielleicht unterwegs aus der Kurve geworfen wird, brutal und viel zu früh, wovon auch immer. Umso bewusster erlebe ich unser Miteinander, bin dankbar für jeden gemeinsamen, glücklichen Moment.

Ich sehe der nächsten Zeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, schwanke zwischen Angst und Zuversicht, Neugier auf das neue Jahrzehnt, aber auch der Sorge, was es alles bringen wird - an Schönem wie an Schrecklichem. Nur eins ist gewiss: Es wird Veränderungen geben.

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Freitag, 30. Dezember 2016

Das verlustreiche Jahr

Es ist seltsam, dass wir uns alle irgendwie einig sind, dass 2016 als Jahr des Verlusts in die Geschichte eingehen wird. Jedenfalls las ich das bereits auch in anderen persönlichen Jahresrückblicken. Nicht nur, dass gefühlt jede Woche ein Prominenter starb, der mir etwas bedeutet hat und mich zum Teil seit meiner Kindheit begleitete. Auch persönlich habe ich in diesem Jahr einiges und einige verloren. Dabei gab es bereits viel schlimmere Jahre - zum Beispiel 2000 und 2001, als meine Eltern starben. Aber dies ist ja kein Wettbewerb der schlechtesten aller Jahre, sondern mein aktueller, subjektiver Eindruck.

Und ich finde: 2016 war das Jahr der Verluste, aber es war kein rundum schlechtes Jahr. Es fing sogar richtig gut an, mit einem wunderbaren Urlaub in der Sonne, mit Lachen und Glück und Leichtigkeit. Anderthalb Jahre hatte ich mein Geld beinah spielerisch verdient, es fiel mir so nebenbei in den Schoß, während ich ein Buch nach dem nächsten veröffentlichte - und gut verkaufte. Mein Lebenstraum, als Schriftstellerin zu arbeiten, war Wirklichkeit geworden und entsprechend gut fühlte ich mich.

Doch mir kam die Leichtigkeit zunehmend abhanden. Auf einmal wurde das Schreiben zur Arbeit, mehr noch: zur Pflicht. Ich setzte mich selbst unter Druck - mit dem Ergebnis, dass irgendwann gar nichts mehr ging. Dazu kamen der verschärfte Konkurrenzdruck und schlechtere Konditionen beim Verkaufen über die Onlineshops. Ein Herzensprojekt, in das ich viel Geld steckte, floppte finanziell total, obwohl das Buch überragende Bewertungen erhielt. Frust und Verzweiflung wuchsen, während das Geld auf meinem Konto schrumpfte. Zwischendrin war ich das heulende Elend, weil mein Lebenstraum nach so kurzer Zeit bereits wieder zerstört schien.

Und als ich mich gerade besonders mies fühlte, erreichte mich eine scheußliche Nachricht. Mein Exfreund hatte sich das Leben genommen. Wir hatten seit Jahren keinen Kontakt mehr, ich erfuhr aus den sozialen Netzwerken davon, er hat seinen Tod öffentlich inszeniert. Offiziell hieß es, er habe an Depressionen gelitten. Doch die wenigen, die ihn genauer kannten, vermochten aus seinem Abschiedsbrief etwas ganz anderes herauszulesen. Auch ich weiß nicht, was ihn am Ende zu diesem Schritt trieb - wir hatten, wie gesagt, schon länger keinen Kontakt mehr. Aber eins weiß ich genau: Der Mann war sicher verzweifelt, Depressionen hatte er allerdings nicht.

Auf einmal war ich wieder mittendrin in einer Geschichte voller Lügen und (Selbst-)Täuschungen, mit denen ich doch schon lange nichts mehr zu tun haben wollte. Ich habe noch einmal geliebt, gehasst, getrauert - und am Ende in warmer Versöhnung losgelassen. Darüber bin ich froh. Aber der Weg dahin war schmerzhaft und einsam. Ich war in dieser Zeit sehr empfindsam, voller Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung, nach jeglicher Form emotionaler Unterstützung. Einige enge Freunde waren da und fingen mich auf. Andere waren zu sehr mit ihren eigenen Bedürfnissen beschäftigt und nicht in der Lage, mir beizustehen. Ich trennte mich von einem Mann und zerstritt mich mit einer meiner engsten Freundinnen (inzwischen sind wir wieder versöhnt, aber ein feiner, kleiner Riss wird bleiben).

Überhaupt Freundinnen: Zwei von ihnen trennten sich in diesem Jahr von mir. Die eine hüllte sich einfach in Schweigen und reagierte nicht mehr auf meine Mails. Ich weiß bis heute nicht, warum. Wir kennen uns ein Leben lang, hatten immer wieder Zeiten großer Nähe und großer (auch räumlicher) Distanz. Jetzt scheint etwas zerbrochen zu sein, das sich nicht mehr kitten lässt. Ich wünschte, ich wüsste, was geschehen ist, damit ich darauf reagieren könnte. Aber ich bin zu müde, wieder und wieder nachzubohren. Die andere Freundin postete in ihrem Blog eine Generalabrechnung über unsere Freundschaft. Ich sei egozentrisch und nähme mir nicht genug Zeit für sie, lautete der Hauptvorwurf. Abgesehen davon, dass ich ihr Verhalten unfassbar schäbig und feige finde, könnte ich den Spieß locker umdrehen. Nahezu alles, was sie mir vorwarf, ließe sich aus meiner Sicht ins Gegenteil kehren. Aber, ach, das ist alles der Mühe nicht wert. Sollen sich die Leute in ihrem eigenen Sumpf wälzen, solange es ihnen Vergnügen bereitet. Meine Baustellen sind das nicht mehr.

Nun schaue ich nach vorne, und zwar - ich staune selbst - voller Optimismus. Eigentlich gibt es keinen Anlass dafür. Ich habe Menschen verloren, bin beruflich (wieder mal) gescheitert, habe ein wehes Herz und schaue mir obendrein voller Sorgen die völlig aus den Fugen geratene Gesellschaft und Politik an. Und doch regt sich in mir etwas, das ich bislang nicht kannte. Ein feiner, merklich wachsender Trotz: Jetzt erst recht! Ihr könnt mich alle mal, ihr Egozentriker und Angeber, ihr Schönwetterfreunde und Feiglinge, ihr Rassisten und Hetzer, ihr Schwachköpfe und Mitläufer. Und auch du, lieber Tod, kannst mich mal. Statistisch gesehen habe ich den größten Teil meines Lebens hinter mir, und ich finde, so schlecht ist das alles gar nicht gelaufen (ja, ich weiß, das klingt nicht immer so - aber die Gesamtbilanz ist durchaus positiv). Also, mir machst du keine Angst, indem du immer näher rückst.

Ja, und auch sonst ist alles gut. Ich bin in den vergangenen Jahren so oft auf die Nase gefallen und wieder aufgestanden, dass ich mir sage: Irgendwie wird es auch diesmal klappen. Vielleicht nicht mit dem Verkauf von Büchern. Dann kommt eben was anderes. Genau wie auch sonst im Leben. Es gibt nur zwei Dinge, die mir im Moment wichtig sind: meinem Herzen zu folgen und Liebe (zu mir selbst, zu anderen, aber auch zu meiner Arbeit). Selbstzweifel, Angst, Ärger oder gar Hass führen zu gar nichts. Es mag eigenartig klingen, aber ausgerechnet all diese Konflikte, die Verluste und dieses (scheinbare) Scheitern haben mich weitergebracht und mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen und mehr bei mir zu sein. So gesehen war 2016 sogar ein richtig gutes Jahr.

In diesem Sinne: Kommen Sie gut ins neue Jahr und machen Sie es sich schön!

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Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
Hat ja geklappt :)
steppenhund - 11. Feb, 22:02
Ja, ich erinnere mich...
Ja, ich erinnere mich gut daran. Ich mache mich mal...
feinstrick - 11. Feb, 20:08
Ich hab meine Statistik...
Ich hab meine Statistik ewig nicht angeschaut, aber...
feinstrick - 11. Feb, 20:08

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Zuletzt aktualisiert: 15. Mai, 21:06

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