frauenzimmer (Gast) - 29. Okt, 13:35

Meine Oma mütterlicherseits kam aus Ostpreußen. Von dort war sie damals mit ihrer kleinen Tochter, der Mann irgendwo im Krieg, mit ihrer Freundin und deren beiden Kinder geflohen. Zu Fuß und jede mit einem Handkarren bestückt mit dem sie ihre nötigsten Dinge transportierten. Sie erlebte traumatisierendes auf ihrer Flucht und war danach nie wieder die fröhliche junge Frau die sie vorher gewesen sein soll. So verpaßte sie im Gedränge ein für sie wichtiges Fährschiff. Ihre Freundin schaffte es mit ihren Kindern auf dieses Schiff und meine Oma war sehr wütend auf sie. Sie fühlte sich von ihr im Stich gelassen. Sie war doch ihre beste Freundin, sie alle schwebten in Lebensgefahr, sie hätte ganz sicher auf ihre Freundin gewartet, daran hielt meine Oma immer fest. Wie bitter das Schicksal im einen Moment zuschlagen und im anderen Moment andere davon kommen läßt, lernte sie noch am gleichen Tag. Nämlich als sie die Nachricht erhielt das dieses total überfüllte Schiff versenkt worden war und ihre Freundin und deren Kinder dabei umkamen. Meine Oma erzählte diese Geschichte nur sehr sehr selten und auch nach vielen Jahren weinte sie bei der Erinnerung daran. Über viele andere Dinge die ihr bei der Flucht geschahen sprach sie nie wieder. Ein paar erfuhren wir erst nach ihrer Beerdigung. Beispielsweise das sie auf der Flucht von einem russischen Soldaten vergewaltigt und auch noch ausgerechnet schwanger wurde. Sie versuchte sich daraufhin das Leben zu nehmen, wurde aber entdeckt. Sie hat damals in einem Brief an ihre Schwester geschildert wie sie sich gefühlt hat. Beschmutzt, ungewollt schwanger, auf dem Rande eines Brunnens sitzend, weinend, fest in dem Willen sich in den Brunnen zu stürzen, ihre kleine Tochter schlief in der Scheune nebenan. Verzweiflung in Großbuchstaben! Ironie des Schicksals das ein anderer russischer Soldat sie entdeckte und vom Brunnenrand zerrte, sie anschrie und mit ihrer Tochter und dem ungeborenen "Bastard" unter dem Herzen fortjagte? Ich habe meine Großmutter meist nur sehr unterkühlt erlebt. Oftmals hatte ich Angst vor ihr, weil ich sie nicht einschätzen konnte. Sie reagierte so anders auf meine kindlichen vorsichtigen Annäherungsversuche als meine andere Oma. Später als erwachsene Frau habe ich mich oft über sie gespöttelt. Über ihre Depressionen, die sie vor sich hertrug wie andere ein schönes Kleidungsstück, einen kostbaren Besitz. Darüber das sie stets ihren eigenen frühen Tod ankündigte mit immer neuen Krankheiten die sie sich gerade "erlesen" hatte. Sie wurde weit über 90 Jahre alt. Doch häufig tat sie mir auch leid. Ihre Einsamkeit war nicht nur spürbar, sie war greifbar. Trotzdem konnte sie keine Nähe zulassen. Vielleicht weil ich die Tochter meiner Mutter war? Die Tochter der Tochter die in ihrem ganzen Leben kaum mütterliche Liebe erfahren hatte, weil sie nicht erwünscht war. Die Enkelin die ihrer Mutter so ähnlich war? Ich habs nie erfahren. Noch häufiger aber war sie mir unheimlich, mit ihren Vorahnungen, Weissagungen, mit ihrer Hellsichtigkeit. Ihr konnte man nichts verbergen. Sie wußte es bereits. Erst vergangene Woche zeichnete meine Mutter mir ein völlig neues Bild von meiner Oma. Sie beschrieb ihre Mutter als Frau die für ihre Dinge einstand, die sich alles in ihrem Leben hart erkämpfte und die alles was sie besaß, was sie war, aus eigener Kraft schuf. Das sie wie eine Löwin für ihre Kinder kämpfte, damit es ihnen einmal besser gehen sollte. Das sie auf ihre Art geliebt hatte. Ich weinte. Denn mir wurde plötzlich klar das ich ihr so oft Unrecht tat. Und mir wurde klar wie groß die Liebe meiner Mutter ihrer Mutter gegenüber sein mußte. So können vermutlich nur Kinder ihre Mütter sehen. Durch die Augen der Liebe, egal was sie erlebt haben.
Öh.. das ist jetzt wohl ein kleiner Roman geworden?! Sorry, aber irgendwie ist mir das alles jetzt gerade in diesem Augenblick erst klar geworden. Uffz..

feinstrick - 30. Okt, 15:46

Was für eine Geschichte!

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