Bittersüße Schokolade
Ein Buch, das ich auch beim zweiten Lesen verschlinge und nicht mehr zur Seite legen kann, ist Laura Esquivels „Bittersüße Schokolade“. Ich habe den Roman das erste Mal Anfang der Neunziger gelesen, kurz nachdem ich die Verfilmung von Alfonso Arau gesehen hatte. Der Film berührte mich, ich kaufte die Romanvorlage, und die Geschichte von der armen Tita, die Pedro liebt, ihn aber nicht heiraten darf, weil sie einem ungeschriebenen Gesetz zufolge ihre herrische, verwitwete Mutter bis zu deren Tod pflegen muss, ergriff nicht nur meine romantische Seele, sondern auch die sämtlicher Frauen in meiner Familie. Wir litten der Reihe nach mit Tita und Pedro mit, der sich nur dadurch zu helfen weiß, dass er Titas ältere Schwester heiratet, um wenigstens in der Nähe seiner Liebsten sein zu können – womit das Verhängnis seinen natürlichen Verlauf nimmt. Wir ließen uns von den imaginären Gerüchen und Geschmäckern all der sagenhaften Gerichte betören, die Tita kocht und mit denen sie ihre Mitmenschen im wahrsten Sinne des Wortes verzaubert. Wir tauchten ein in eine Welt voller Sinnlichkeit und Leidenschaft, aber auch voller Tragik und Verzweiflung.
Das Buch blieb dann wohl bei meiner Mutter hängen und gelangte nie wieder zurück in meinen Besitz. Als ich in den letzten Tagen etwas ratlos war, wie ich meine derzeitige Lese- und auch Schreibunlust wieder beheben könne, fiel mir jene Geschichte ein und ich verspürte das dringende Bedürfnis, mich von ihrer schlichten und doch zugleich sehr ausdrucksstarken, sinnlichen Sprache und der anrührenden Geschichte inspirieren zu lassen. Ich eilte also in die nächste Buchhandlung, um „Bittersüße Schokolade“ zu kaufen. Da das Buch jedoch nicht vorrätig war, bestellte ich es. Ich staunte nicht schlecht, als mir die Buchhändlerin am nächsten Tag ein recht großes, dickes Taschenbuch über den Tresen reichte. Ich hatte ein erheblich dünneres Buch in Erinnerung.
„Das ist ja auch die Ausgabe in extra großer Schrift“, erklärte die Buchhändlerin freundlich. „Suhrkamp Großdruck“ steht auf dem Cover. Die Schrift ist so groß, dass ich das Buch fast ohne Brille lesen kann. Und so angenehm ich das auch tatsächlich finde, so sehr frage ich mich nun auch, ob ich dieser jungen Frau derart alt erschienen war, dass sie für mich automatisch die Seniorenausgabe bestellt hat.
Wie auch immer - mein Herz ist jung genug geblieben, um mich von Titas Geschichte erneut verführen zu lassen. Das ist ein rundum schönes Gefühl.
„Von Tita heißt es, sie habe derart heftig auf Zwiebeln reagiert, dass sie schon im Leib meiner Urgroßmutter fürchterliche Tränen vergoss, sobald diese Zwiebeln hackte. Ihr Weinen war so laut, dass selbst Nacha, die Köchin des Hauses, es mühelos hören konnte, und die war halb taub. Eines Tages steigerte sich Titas Schluchzen dermaßen, dass es vorzeitig die Geburt einleitete. So geschah es, dass – bevor meine Urgroßmutter auch nur piep sagen konnte – Tita Hals über Kopf auf die Welt kam, und zwar mitten auf dem Küchentisch, eingehüllt in den Duft von Nudelsuppe, die gerade auf dem Herd kochte, von Thymian, Lorbeer, Koreander und siedender Milch, Knoblauch und natürlich Zwiebeln. Dass sich unter diesen Umständen der berühmte Klaps auf den Po erübrigte, versteht sich von selbst, wurde Tita doch schon weinend geboren, und dies vielleicht auch, weil sie ihr Orakel kannte, dass ihr in diesem Leben die Ehe verwehrt bleiben sollte. Nacha erzählte, Tita sei buchstäblich auf die Welt gespült worden, von einem unglaublichen Tränenfluss, der sich über den Tisch und den gesamten Küchenboden ergoss.“
Aus: Laura Esquivel, Bittersüße Schokolade, Suhrkamp Taschenbuch 2007
Das Buch blieb dann wohl bei meiner Mutter hängen und gelangte nie wieder zurück in meinen Besitz. Als ich in den letzten Tagen etwas ratlos war, wie ich meine derzeitige Lese- und auch Schreibunlust wieder beheben könne, fiel mir jene Geschichte ein und ich verspürte das dringende Bedürfnis, mich von ihrer schlichten und doch zugleich sehr ausdrucksstarken, sinnlichen Sprache und der anrührenden Geschichte inspirieren zu lassen. Ich eilte also in die nächste Buchhandlung, um „Bittersüße Schokolade“ zu kaufen. Da das Buch jedoch nicht vorrätig war, bestellte ich es. Ich staunte nicht schlecht, als mir die Buchhändlerin am nächsten Tag ein recht großes, dickes Taschenbuch über den Tresen reichte. Ich hatte ein erheblich dünneres Buch in Erinnerung.
„Das ist ja auch die Ausgabe in extra großer Schrift“, erklärte die Buchhändlerin freundlich. „Suhrkamp Großdruck“ steht auf dem Cover. Die Schrift ist so groß, dass ich das Buch fast ohne Brille lesen kann. Und so angenehm ich das auch tatsächlich finde, so sehr frage ich mich nun auch, ob ich dieser jungen Frau derart alt erschienen war, dass sie für mich automatisch die Seniorenausgabe bestellt hat.
Wie auch immer - mein Herz ist jung genug geblieben, um mich von Titas Geschichte erneut verführen zu lassen. Das ist ein rundum schönes Gefühl.
„Von Tita heißt es, sie habe derart heftig auf Zwiebeln reagiert, dass sie schon im Leib meiner Urgroßmutter fürchterliche Tränen vergoss, sobald diese Zwiebeln hackte. Ihr Weinen war so laut, dass selbst Nacha, die Köchin des Hauses, es mühelos hören konnte, und die war halb taub. Eines Tages steigerte sich Titas Schluchzen dermaßen, dass es vorzeitig die Geburt einleitete. So geschah es, dass – bevor meine Urgroßmutter auch nur piep sagen konnte – Tita Hals über Kopf auf die Welt kam, und zwar mitten auf dem Küchentisch, eingehüllt in den Duft von Nudelsuppe, die gerade auf dem Herd kochte, von Thymian, Lorbeer, Koreander und siedender Milch, Knoblauch und natürlich Zwiebeln. Dass sich unter diesen Umständen der berühmte Klaps auf den Po erübrigte, versteht sich von selbst, wurde Tita doch schon weinend geboren, und dies vielleicht auch, weil sie ihr Orakel kannte, dass ihr in diesem Leben die Ehe verwehrt bleiben sollte. Nacha erzählte, Tita sei buchstäblich auf die Welt gespült worden, von einem unglaublichen Tränenfluss, der sich über den Tisch und den gesamten Küchenboden ergoss.“
Aus: Laura Esquivel, Bittersüße Schokolade, Suhrkamp Taschenbuch 2007
Wohnzimmer - feinstrick - 24. Feb, 11:13
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rosmarin - 26. Feb, 21:47
off topic: wenn ich versuche, deinem twitter link zu folgen, kapituliert mein lap..... was soll mir das sagen? dass ich einen neuen lap brauche? oder dass ich mich mit schokolade tröste?
lg ro
lg ro
feinstrick - 26. Feb, 21:59
Tröste dich lieber mit Schokolade, das ist billiger - jedenfalls kurzfristig. ;-)
Unter jedem der Twitterbeiträge rechts in der Sidebar steht ja das Datum, bzw. eine Zeitangabe. Darüber führt auch ein Link auf die Twitterseite. Vielleicht funktioniert der ja besser als der Link ganz unten. Den habe ich per Hand eingefügt, kann sein, dass er deshalb etwas klemmt.
Lieben Gruß zurück. :-)
Unter jedem der Twitterbeiträge rechts in der Sidebar steht ja das Datum, bzw. eine Zeitangabe. Darüber führt auch ein Link auf die Twitterseite. Vielleicht funktioniert der ja besser als der Link ganz unten. Den habe ich per Hand eingefügt, kann sein, dass er deshalb etwas klemmt.
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