Abschiedsbriefe
Im Zuge der großen Veränderungswelle fand ich es ganz sinnvoll, auch mein Privatleben mal ein wenig aufzuräumen – zumal der Mann sich gerade mal wieder in einer Phase des großen Schweigens befindet. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, und anfangs war ich auch so mit mir selbst beschäftigt, dass ich es recht gleichgültig zur Kenntnis nahm. Doch das Schweigen hielt an, und allmählich wuchs in mir darüber ein nicht unerheblicher Zorn.
Ich dachte über dieses Verhältnis nach, das sich nun schon seit geraumer Zeit aus dem ewigen Spiel von Nähe und Distanz nährt, aus Abwehr und Anziehung, Zorn und Begehren. Ich fragte mich, was mir das alles eigentlich bringt. Ständig Achterbahn fahren, ständig im Ungewissen gelassen werden, sich ständig schlecht behandelt fühlen. Wozu? Ist es das wert? Nein, befand ich im Zornesrausch, das ist ganz großer Quatsch und gehört beendet. Und zwar sofort.
Also setzte ich mich hin und schrieb einen Abschiedsbrief. Und noch einen und noch einen. Ich schickte sie alle nicht ab, weil ich unsicher war, ob ich schon die richtigen Worte gefunden hatte, ob alles so stimmte. Dann erzählte ich einer Freundin davon. Zu meiner Überraschung bekräftigte sie mich keineswegs darin, diesen Abschied zu vollziehen. Vielmehr sagte sie: „Schlaf da lieber mal noch ein paar Nächte drüber.“ Hä? Fand sie nicht immer, dass diese Affäre nach einer viel zu mühsamen Geschichte klang? Irritiert befolgte ich ihren Ratschlag und setzte mich noch einmal mit der ganzen Sache auseinander.
Und plötzlich begriff ich: Ich konnte hundert Abschiedsbriefe schreiben. Traurige und zornige. Kluge und dahingerotzte. Ich würde meinen Ärger dabei loswerden. Was ich aber nicht loswürde, wären all die anderen Gefühle. Die waren ja nicht verschwunden, sondern wurden nur vom Zorn überlagert. Und was, wenn der wieder verraucht war? Mir wurde klar, dass ich mich mit meinen Gefühlen befassen muss, nicht mit den äußeren Umständen.
Und so fange ich nun also wieder ganz von vorne an. Was ich dabei entdecke, ist schon recht erstaunlich. Fast scheint es so, als würde mir dieses Spiel Spaß machen, als bräuchte ich dieses ständige emotionale Hin und Her. Es fühlt sich lebendig an, es hat etwas Aufregendes und – da bin ich nun selbst überrascht – es strahlt Erotik aus. Mir gefällt das alles überhaupt nicht. Ich sehne mich doch eigentlich nach einem friedlichen, harmonischen Miteinander. Dieses ganze Theater geht mir wahnsinnig auf die Nerven, schlimmer noch: Es ängstigt und verunsichert mich immer wieder neu. Das kann doch nicht richtig sein. Das geht doch nicht.
Nun denke ich also nicht mehr darüber nach, wie ich den Mann loswerde, sondern darüber, was ich mit meinen ganzen Gefühlen mache. Veränderungen stehen in jedem Fall an. Nur – wie können sie aussehen?
Ich dachte über dieses Verhältnis nach, das sich nun schon seit geraumer Zeit aus dem ewigen Spiel von Nähe und Distanz nährt, aus Abwehr und Anziehung, Zorn und Begehren. Ich fragte mich, was mir das alles eigentlich bringt. Ständig Achterbahn fahren, ständig im Ungewissen gelassen werden, sich ständig schlecht behandelt fühlen. Wozu? Ist es das wert? Nein, befand ich im Zornesrausch, das ist ganz großer Quatsch und gehört beendet. Und zwar sofort.
Also setzte ich mich hin und schrieb einen Abschiedsbrief. Und noch einen und noch einen. Ich schickte sie alle nicht ab, weil ich unsicher war, ob ich schon die richtigen Worte gefunden hatte, ob alles so stimmte. Dann erzählte ich einer Freundin davon. Zu meiner Überraschung bekräftigte sie mich keineswegs darin, diesen Abschied zu vollziehen. Vielmehr sagte sie: „Schlaf da lieber mal noch ein paar Nächte drüber.“ Hä? Fand sie nicht immer, dass diese Affäre nach einer viel zu mühsamen Geschichte klang? Irritiert befolgte ich ihren Ratschlag und setzte mich noch einmal mit der ganzen Sache auseinander.
Und plötzlich begriff ich: Ich konnte hundert Abschiedsbriefe schreiben. Traurige und zornige. Kluge und dahingerotzte. Ich würde meinen Ärger dabei loswerden. Was ich aber nicht loswürde, wären all die anderen Gefühle. Die waren ja nicht verschwunden, sondern wurden nur vom Zorn überlagert. Und was, wenn der wieder verraucht war? Mir wurde klar, dass ich mich mit meinen Gefühlen befassen muss, nicht mit den äußeren Umständen.
Und so fange ich nun also wieder ganz von vorne an. Was ich dabei entdecke, ist schon recht erstaunlich. Fast scheint es so, als würde mir dieses Spiel Spaß machen, als bräuchte ich dieses ständige emotionale Hin und Her. Es fühlt sich lebendig an, es hat etwas Aufregendes und – da bin ich nun selbst überrascht – es strahlt Erotik aus. Mir gefällt das alles überhaupt nicht. Ich sehne mich doch eigentlich nach einem friedlichen, harmonischen Miteinander. Dieses ganze Theater geht mir wahnsinnig auf die Nerven, schlimmer noch: Es ängstigt und verunsichert mich immer wieder neu. Das kann doch nicht richtig sein. Das geht doch nicht.
Nun denke ich also nicht mehr darüber nach, wie ich den Mann loswerde, sondern darüber, was ich mit meinen ganzen Gefühlen mache. Veränderungen stehen in jedem Fall an. Nur – wie können sie aussehen?
Schlafzimmer - feinstrick - 5. Jul, 20:05
6 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
testsiegerin - 6. Jul, 14:32
;-)
inhaltlich kann ich nicht viel dazu sagen. weil ein teil von mir schreit: hast du das wirklich notwendig? schick sie alle ab, die abschiedsbriefe.
ein anderer teil in mir sagt: glücklich werden kannst du ohnehin nur mit dir selbst. also genieß was da ist und versuch nicht, ihn zu verändern. das geht immer schief.
ein anderer teil sagt: ja, das brauchst du anscheinend. warum fällt es dir dann so schwer, das anzunehmen?
aber abgesehen davon: ein total schöner text!
inhaltlich kann ich nicht viel dazu sagen. weil ein teil von mir schreit: hast du das wirklich notwendig? schick sie alle ab, die abschiedsbriefe.
ein anderer teil in mir sagt: glücklich werden kannst du ohnehin nur mit dir selbst. also genieß was da ist und versuch nicht, ihn zu verändern. das geht immer schief.
ein anderer teil sagt: ja, das brauchst du anscheinend. warum fällt es dir dann so schwer, das anzunehmen?
aber abgesehen davon: ein total schöner text!
feinstrick - 6. Jul, 14:41
Ich fange mal hinten an: Vielen Dank! :-)
Warum fällt es mir so schwer, anzunehmen, dass ich das alles offenbar genau so brauche? Ja, das ist wohl die entscheidende Frage. Warum kann ich ihn nicht so nehmen, wie er ist? Vor allem aber: Warum kann ich mich selber nicht nehmen, wie ich bin? Schwer zu sagen. Vermutlich, weil ich in meinem Kopf ein sehr genaues Bild davon habe, wie die Dinge sein sollten. Nur sind sie das eben nicht, niemals. Das habe ich allmählich auch kapiert. Es vom Kopf auch in den Bauch zu kriegen, ist allerdings schwierig.
Warum fällt es mir so schwer, anzunehmen, dass ich das alles offenbar genau so brauche? Ja, das ist wohl die entscheidende Frage. Warum kann ich ihn nicht so nehmen, wie er ist? Vor allem aber: Warum kann ich mich selber nicht nehmen, wie ich bin? Schwer zu sagen. Vermutlich, weil ich in meinem Kopf ein sehr genaues Bild davon habe, wie die Dinge sein sollten. Nur sind sie das eben nicht, niemals. Das habe ich allmählich auch kapiert. Es vom Kopf auch in den Bauch zu kriegen, ist allerdings schwierig.
testsiegerin - 6. Jul, 23:51
ich red ja nur bei anderen so gscheit daher ;-)
feinstrick - 7. Jul, 12:50
Das tun wir doch alle. :-)))
rosmarin - 7. Jul, 14:28
zunächst dachte ich: hey yeah.... abschiedsbriefe sind cool!
weil wer will schon ewig achterbahn fahren?
rauf runter, rasante kurven und loopings - super fein.... für einige zeit. wenn man nicht aussteigt, verliert man das gefühl für den boden oder es wird einem übel.
das sind die momente des abschiedsbriefs und des ausstiegs. und dann steht man da am boden rum und schaut nach einiger weile hoch in die luftige höhe, in der kreischende leute loopings drehen und will wieder rein.
...
nix zu entscheiden ist manchmal eine gute entscheidung (glaube ich)
weil wer will schon ewig achterbahn fahren?
rauf runter, rasante kurven und loopings - super fein.... für einige zeit. wenn man nicht aussteigt, verliert man das gefühl für den boden oder es wird einem übel.
das sind die momente des abschiedsbriefs und des ausstiegs. und dann steht man da am boden rum und schaut nach einiger weile hoch in die luftige höhe, in der kreischende leute loopings drehen und will wieder rein.
...
nix zu entscheiden ist manchmal eine gute entscheidung (glaube ich)
feinstrick - 7. Jul, 14:31
@rosmarin: Glaub ich allmählich auch. :-)
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