Dienstag, 9. August 2011

Herbst im August

Ich verabschiede den Sommer, der kein Sommer war. Betrogen fühle ich mich um laue Nächte, lange Spaziergänge an endlos hellen Abenden, glühende Hitze auf meiner Haut, die meinen Körper und meine Seele auf Wohlfühltemperatur bringt. In diesem Jahr wird es damit sicher nichts mehr. Mag sein, dass wir wieder einen wunderschönen Oktober bekommen, aber der kann sich anstrengen wie er will, er wird immer nach Abschied schmecken und nicht nach Sommer.

Trotz meiner Herbstdepression bin ich allerdings seltsam wach. Tagsüber arbeite ich wie verrückt, in der Hoffnung, irgendwann in hundert Jahren vielleicht auch mal finanziell dafür entlohnt zu werden. Ich versinke so sehr in meinen Projekten, dass die Tage an mir vorbei rauschen, ohne dass ich es merke. „Man muss jeden Tag etwas völlig Neues machen, so wie Kinder, dann vergeht die Zeit nicht so schnell“, behauptet Lover Number One. Mag sein, dass das stimmt. Leider klappt es bei mir nur nicht. Ich lebe so viel in meiner Innenwelt, da gibt es wenig Spiel, um Neues zu entdecken. Oder etwa doch?

Nachts liege ich in meinem Bett und lausche der Nachbarin über mir, die auch wach ist, aber nicht brav unter ihrer Decke liegt und die Dunkelheit anstarrt, sondern stundenlang ihre Wohnung umzuräumen scheint. Ich habe keine Ahnung, was genau sie da veranstaltet, aber es ist mit viel Gepolter und Gelärme verbunden. In den besonders unruhigen Nächten macht mich das so rasend, dass ich drauf und dran bin, aufzuspringen und ihr mal ein paar Takte zu erzählen. Aber dann erinnere ich mich daran, was für eine einsame, verlorene Seele sie ist und lasse es bleiben. Ich schalte seufzend das Licht wieder an, lese in albernen Büchern, an denen mich am meisten ärgert, dass sie sich so gut verkaufen und irre durchs Internet, das auch nie zur Ruhe kommt und nie schläft.

Und ich begebe mich auf die Suche nach ihm. So ganz durch bin ich also doch noch nicht damit. Aber alles, was ich von ihm finde, ist Erinnerung. Flüchtig, bruchstückhaft, verschwommen. Vermutlich muss ich ihn erst richtig loslassen, bevor er wiederkommt. Bei Lover Number One klappt das doch auch prima. Je weniger ich mich mit ihm befasse, je seltener ich mich bei ihm melde, desto häufiger taucht er auf, unvermittelt, überraschend liebevoll und mir zugewandt. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich das begriffen habe, und vor allem, bis ich selbst nicht mehr das Bedürfnis verspürt habe, ihm hinterher zu rennen. Aber ich will ja auch nicht mehr von ihm. Das, was ich bekomme, reicht mir, und wenn es darüber hinaus noch ein paar Extras gibt, ist das großartig. Das ist beim Tornado natürlich anders. Und genau darin liegt vermutlich der Haken bei der Geschichte. Ich habe etwas erwartet, das weder er noch ich tatsächlich einlösen könnte. Jedenfalls nicht so, wie ich es mir in meinem Kleinmädchenhirn eingebildet habe. Nun heißt es, weiter gehen und daraus lernen.

Irgendwann nachts um drei beschließe ich, dass nun eh alles egal ist und stelle meinen Wecker aus. Ich habe am nächsten Tag keine Termine, da kann ich ja mal so tun, als sei Sonntag. An den Sonntagen bin ich nämlich immer besonders produktiv, trotz Ausschlafen und gemütlichem Frühstück. Ich rätsele immer noch, woran das liegt. Ein bisschen hängt es wohl damit zusammen, dass ich einen anderen Zeitplan im Kopf habe und andere Erwartungen. Ich schaue nicht auf die Uhr und denke: „Oh je, schon mittags und ich habe noch nichts geschafft.“ Vielmehr denke ich: „Zwölf Uhr? Gute Zeit, um den Frühstückstisch abzuräumen und mal ein Stündchen an den Schreibtisch zu gehen, bevor ich einen langen Spaziergang an der Elbe mache.“ Und prompt schaffe ich in einer Stunde so viel wie sonst kaum in der dreifachen Zeit. Ob das an einem Dienstag genauso klappt, weiß ich noch nicht. Ich werde es ausprobieren. Morgens um elf am Küchentisch zu sitzen und einen Blogtext zu schreiben, ist schon mal nicht der schlechteste Start. Wenn es nur nicht so novembrig dunkel wäre, dass ich am liebsten wieder ins Bett gehen würde, wäre fast alles gut.

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rosmarin (Gast) - 17. Aug, 22:49

im herbst jedenfalls, werde ich in HH weilen :-) so in der Mitte des Septembers glaub ich.

feinstrick - 19. Aug, 08:50

Das sind doch mal seeehr gute Aussichten. :-)
rosmarin - 19. Aug, 23:50

örks..... leider nein. ich habe mich geirrt und einen termin gedanklich einfach in den norden gelegt, der aber im süden stattfindet.
blöd.... irgendwie ist da der wurm drin....möööp
feinstrick - 20. Aug, 09:23

Oh nein ... :-(((((

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