Sonntag, 7. April 2013

Mode

Jede Epoche hat ja ihre eigenen Modetrends – Reifröcke, Perücken, Wasserwellen, Dauerwellen Schlaghosen, Plateauschuhe, große Brillen, kleine Brillen, Rubensfiguren, Twiggyfiguren, Korsetts, BHs, keine BHs, Shapewear, Intimrasuren, Piercings, Tattoos, …

Ich mache modische Trends mit, ohne zu übertreiben. Ich bin nie Trendsetterin und nie besonders extravagant. Mein Stil ist immer eine Mischung aus dem, was man halt so trägt, und einer sehr individuellen Note. Manchmal denke ich, dass ich total stillos bin, dass ich eigentlich gar nicht richtig weiß, was ich will und was zu mir passt – eine Haltung, die wiederum gut zu mir passt, weil ich das Gefühl habe, für mein ganzes Leben nicht so recht zu wissen, wo es eigentlich hingehen soll. Es geht einfach immer so weiter, aber ich habe keine klaren Ziele, auf die ich zusteuere. „Irgendwie heil durchkommen“ ist das einzige Ziel, das ich formulieren könnte. Aber das bedeutet leider auch, dass ich oft das Gefühl habe, etwas zu verpassen, die ganz großen Geschichten auszulassen.

Doch zurück zur Mode: Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Body-Modification. Ich schwanke dabei stets zwischen Faszination und Entsetzen – je nachdem, um was es sich handelt. Neben der Vorstellung, was für Schmerzen diese Eingriffe zum Teil verursachen müssen (Brandings, Skarifizierungen, ...aua, aua ...), stellt sich mir stets die Frage: Warum verändern Menschen ihren Körper dauerhaft? In vielen Kulturen hatte und hat dies rituelle Gründe, die in der westlichen Welt jedoch überhaupt keine Rolle spielen. Hier geht es ausschließlich darum, einem Modetrend zu folgen.

In meiner Kindheit galten tätowierte Menschen als nicht gesellschaftsfähig. Das waren Seeleute oder (Ex-)Kriminelle, keine Leute, mit denen man verkehrte. Ich kannte auch niemanden persönlich, der tätowiert war. Von anderen Dingen ganz zu schweigen. Für mich war es schon eine Herausforderung, mir Ohrlöcher stechen zu lassen und meine Haare hennarot zu färben. Die Auseinandersetzungen, die ich deswegen mit meinen Eltern führen musste, wirken aus heutiger Sicht total lächerlich. Für mich war das damals jedoch eine kleine Revolution. Mehr brauchte ich allerdings auch nicht. Es kamen keine weiteren Ohrlöcher hinzu, kein Nasenring, kein Augenbrauenpiercing, nichts, was gerade Mode war. Ich fand mich „clean“ am schönsten und trug auch nie sonderlich viel Schmuck.

Nun ändern sich aber die Zeiten, und ich ändere mich mit ihnen. Seit geraumer Zeit schaue ich mir tätowierte Menschen sehr genau an. Viele Tattoos finde ich einfach nur furchtbar. Die Motive erinnern mich an diese Airbrushbilder mit Fantasymotiven, die bei gewissen Leuten im Wohnzimmer hängen: billig, kitschig, niveaulos. Das war nie mein Stil und wird es auch nie sein. Oder der ganze morbide Kram: Totenschädel, Knochen, Zombies. Dass ich sterblich bin, ist mir sehr wohl bewusst. Daran muss ich mich nicht tagtäglich selbst erinnern, indem ich mir meine Tätowierungen anschaue.

Und doch gibt es immer wieder bemalte Körper, die mich faszinieren. Weil die Motive hübsch sind, manchmal fast kunstvoll, und weil sie in ihrer Summe etwas ausdrücken und den Charakter eines Menschen betonen. Ich gestehe: Bunte Haut wirkt auf mich zunehmend erotisch. Warum das so ist, weiß ich gar nicht. Vielleicht liegt es daran, dass mein Kerl tätowiert ist. Oder an diesen ganzen unfassbar sexy jungen Frauen, die die Eleganz des Burlesque mit modernem Lifestyle kombinieren (wie zum Beispiel die hier), und an denen ich mich gar nicht satt sehen kann.

Ja, und nun ertappe ich mich dabei, dass ich immer öfter darüber nachdenke, wie es wohl wäre, wenn auch ich mich verändern würde, wenn auch ich meine Haut tätowieren und mir das eine oder andere Piercing stechen lassen würde. Ich ertappe mich dabei, wie ich über Motive und Platzierungen nachdenke und mir vorstelle, was das wohl mit mir machen würde, wenn mich aus dem Spiegel plötzlich eine derart veränderte Person ansähe. Wie würde ich mich fühlen?

Das Spiel spiele ich eine Weile, bis ich entsetzt die Reißleine ziehe. Was für ein Unfug. Moden kommen und gehen. Haare kann man problemlos überfärben, wachsen lassen oder abschneiden. Kleider kann man wechseln, Accessoires neu kaufen. Tattoos bleiben ein Leben lang. Und was mache ich, wenn ich keine Lust mehr auf bunte Haut habe? Was mache ich, wenn überhaupt niemand mehr Lust auf bunte Haut hat? Was, wenn ich das nur toll finde, weil alle es grade toll finden? Ich bin unschlüssig, ob die Zeit wirklich reif für eine neue, kleine Revolution ist, oder ob das alles nur ausgemachter Quatsch, vielleicht sogar eine Art Mini-Midlife-Crises ist. Und solange ich das nicht weiß, bleibt alles, wie es ist.

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wse (Gast) - 7. Apr, 22:59

Na ja, "eine neue, kleine Revolution" wird man mit einem Tatoo wohl heute kaum noch auslösen können. Ich finde auch nicht, daß es dabei um eine Wirkung nach aussen gehen sollte. Meine eigene Tätovierungen sind nicht sofort sichtbar. Es ist ja meine Haut, und wenn ich ein Bild mit mir herumtragen will, dann hat es zu aller Erst eine Bedeutung für mich. Und zwar etwas was ich in 30 J auch noch anschaue und dazu irgend ein Bezug habe. Solange es eine Modeentscheidung ist, bleib ich lieber bei den gefärbten Haare. Eigentlich eine relativ einfache Entscheidung.

feinstrick - 8. Apr, 00:36

Nun, es wäre auch nur eine innere Revolution. Hätte ich Tattoos, würde man die garantiert nicht sehen können. Und was das "in 30 Jahren noch anschauen" angeht, so bin ich eben genau da skeptisch. Nicht nur man selber, sondern die ganze Welt verändert sich in so einer Zeitspanne enorm. Wenn der Modestil der 80er Jahre unwiderruflich an uns festkleben würde, so würden sich wohl alle, die damals Jugendliche waren, heute zu Tode schämen.
kid37 - 8. Apr, 18:38

Wenn der Modestil der 80er Jahre unwiderruflich an uns festkleben würde, so würden sich wohl alle, die damals Jugendliche waren, heute zu Tode schämen.

Diese Verunglimpfung der 80er immer ;-) Sie meinen diese Mainstream-Nena-Whitney-Schulterpolster-80er, während meine die Lurie-Neubauten-Cave & Cure-80er waren, als man dezent verschlissene Existentialistensakkos trug. Also nichts, weshalb man sich heute schämen müßte. Und die Frisuren erledigen sich bei Männern ja eh von alleine.

Wenn Sie bei Tattoos und Metall zaudern, kaufen Sie sich gegen die Midlife-Krise lieber einen roten Sportwagen. So wie es Männer machen. Alternativ könnten Sie sich eine verzierte "37" auf den Oberarm stechen lassen. Das ist schmuck und zeitlos.
feinstrick - 8. Apr, 22:03

@kid37: Bei so guter Beratung fällt die Wahl ja leicht: Ich nehme die "37".
Pünktchen (Gast) - 9. Apr, 11:25

Vielen Dank für den Schlagabtausch - ich habe sehr gelacht! Ich habe keine Körperverzierungen in gestochener Form und gedenke das auch nicht zu ändern. Schmunzelnderweise denke ich gerade an eine Kollegin, die sich seinerzeit voller Stolz einen riesigen Koi-Karpfen in den schillerndsten Farben quer über den gestählten Bauch tätowieren ließ. Kurz darauf kam die erste Schwangerschaft. Der Koi-Karpfen nahm beachtliche Größe an und war der Hingucker schlechthin. Nach der Geburt allerdings bot sich ein jämmerliches Bild - bis zur zweiten Schangerschaft. Da durfte der Koi nochmals über sich selbst hinauswachsen. Nach der zweiten Geburt... nun ja. Ich sehe im Sommer täglich viele Menschen im Freibad, die tätowiert sind und zucke jedes mal innerlich zusammen. Bei aller Toleranz - meins ist das nicht!

feinstrick - 21. Apr, 23:53

Hihi, die Geschichte mit dem Karpfen ist großartig!

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