Dürre und Fülle
„Bist du dünner geworden?“, fragt er. Einerseits freut es mich, dass er mich so genau anschaut und diese Veränderung bemerkt. Andererseits bin ich bestürzt: Man sieht es mir tatsächlich an. Zweieinhalb Kilo seit unserer letzten Begegnung. Das ist viel für so einen Floh wie mich. Und kein Gramm davon habe ich freiwillig hergegeben. Der mieseste Winter seit Jahren hat seine Spuren hinterlassen. Ich rede mich nicht heraus, behaupte nicht, plötzlich exzessiv Sport zu treiben oder eine neue Frühjahrsdiät zu testen. Offen erzähle ich von all dem, was war und ist. Und zum ersten Mal begreift er, worum es geht, spüre ich Sorge und Verstehen bei ihm. Ich bin dankbar dafür und erleichtert, dass meine Offenheit belohnt wird. Wieder einmal. Als er später bei eisiger Kälte durch den Schnee heimwärts stapft, schaue ich ihm verstohlen am Fenster hinterher und begleite ihn in Gedanken durch die nächtliche Stadt. Auch von ihm ist ein kleiner Teil bei mir geblieben. Ich nehme ihn mit ins Bett und gebe mich diesem Gefühl satter, wohliger Wärme und leiser Aufgeregtheit hin.
Schlafzimmer - feinstrick - 12. Mär, 15:21
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Zaubermann - 29. Mär, 17:26
In Summe ist es doch so, dass unsere Offenheit und Ehrlichkeit eher belohnt denn sanktioniert wird.
Würde ich in meinem Umfeld feststellen, dass das Gegenteil der Fall zu werden beginnt, würde ich mein Umfeld austauschen.
Würde ich in meinem Umfeld feststellen, dass das Gegenteil der Fall zu werden beginnt, würde ich mein Umfeld austauschen.
Trackback URL:
https://feinstrick.twoday-test.net/stories/326202137/modTrackback