Montag, 4. April 2011

Frühlingsbeben

Es ist Frühling in Zürich, fast die schönste Jahreszeit hier. Ich kann mich kaum sattsehen an den zartgelben Primeln in den Gärten, die hier wild wachsen und nicht zu vergleichen sind mit den knallbunten Züchtungen, die es bei uns in den Läden zu kaufen gibt. Ich staune wieder mal über die gepflegten, kleinen Straßen, die riesigen Grundstücke mit den alten, schönen Häusern, den Reichtum, der an jeder Ecke spürbar ist. Mein Bruder weist mich wie üblich auf die seltsamsten Jobangebote hin, und ich ärgere mich wie immer darüber und male mir gleichzeitig aus, wie es wäre, wenn ich tatsächlich auch hier leben würde. Die schlechteste Idee wäre es nicht. Und doch hält mich so vieles im Norden, trotz Schietwetter und magerem Geldbeutel. Geld ist nicht alles Glück dieser Welt, und auch, wenn die Leute hier mit ihren Maseratis durch die Gegend fahren wie unsereins mit seinem Golf, geht es ihren Herzen oft kaum besser als meinem eigenen.

Hier im Haus herrscht Eiszeit. Ich höre Geschichten über tyrannische Mütter, schwache Väter, verkrüppelte Seelen und Herzen aus Stein. Ich höre auch von Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten und dem Unvermögen, in Dürrezeiten zu lieben und zu ehren. Ich spüre Verachtung, Zorn und manchmal fast Hass. Zum ersten Mal seit vielen Jahren bin ich uneingeschränkt dankbar für meine eigene Kindheit und die Liebe, die ich erfahren habe. Und ich bin sehr froh über mein Leben, so, wie es ist, als Single, ohne Kinder, ohne Erwartungen, die sich nie erfüllen, die ich nie erfüllen kann. Ich bin zu meiner großen Verwunderung der zufriedenste Mensch hier im Haus. Ausgerechnet ich! Wer hätte das gedacht? Ich sehe den Frühling nicht nur in den Gärten der Stadt, ich spüre ihn auch in mir. Auf eine ganz eigene, sehr besondere Weise. Was für seltsame Zeiten.

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zement (Gast) - 4. Apr, 21:16

Zufriedenheit ist nicht dimensionierbar. Da wir ausschliesslich wir selbst sind und keinen Sekundenbruchteil wer sonst, bilden Zufriedenheitsvergleiche jedweder Art einen Akt nackter Unlogik. Man könnte auch sagen: Weiberlogik. Ich mache darauf aufmerksam, dass ich nur sage, man KÖNNTE. Zudem: Das Gejammer der Nachbarn ist Teil von DEREN Zufriedenheit, welche wiederum nicht näher zu determinieren wäre... Aber mal im Ernst: Wo lebst denn du? Ich bin auch in Zürich, aber ich muss sagen, moment, Tel

feinstrick - 6. Apr, 20:04

Zufriedenheit ist natürlich zunächst mal etwas ganz Subjektives, genauso wie Schmerz. Dennoch kann ich sie vergleichen. Wenn neben mir ein Paar nur streitet und ich mir tagelang ihr Gezicke und seinen Ärger anhören muss, wenn beide auch noch sagen, dass sie gestresst und genervt sind, dann weiß ich, dass ich im Moment eindeutig zufriedener bin, weil ich mich entspannt fühle und in mir ruhe. Damit sage ich noch nichts über das Ausmaß ihrer Unzufriedenheit (das ich tatsächlich nur begrenzt einschätzen kann) und meine Zufriedenheit, und ich sage auch nicht, wie ich die Unzufriedenheit der Beiden bewerte. Das ist nämlich noch mal etwas ganz anderes.

(Es irritiert mich ja schon ein wenig, wenn meine Leser mitten im Satz davon eilen.)
romeomikezulu - 6. Apr, 19:03

Zufriedenheit IST dimensionierbar.
Ob im Großen oder im Kleinen, es gibt sie und eigentlich ist nur wirklich wichtig, dass man sie nicht verliert.
Dass man immer wieder (aufs Neue) in der Lage ist, sie
auch im Alltäglichen zu finden.

Froh zu sein über sein eigenes Leben?
Eine Kindheit, für die man Dankbarkeit verspürt?


Also ich zähle sowas schon nicht mehr zu den "kleinen Dingen"
;-)).

feinstrick - 6. Apr, 19:46

Stimmt, es sind tatsächlich nicht die kleinen Dinge, die mich im Moment zufrieden machen, sondern die ganz großen. Und das ist total klasse! :-)

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