Dienstag, 25. August 2015

Wunderland

So perfekt wie zurzeit war mein Leben schon ewig nicht mehr. Beruflich bin ich genau da, wo ich immer hinwollte. Mit Ende vierzig hat sich endlich mein Lebenstraum erfüllt, und ich bin unendlich dankbar dafür. All die Hungerjahre. All die Irrwege. All die Pleiten, Pannen und Katastrophen. Und nun dies: Erfolg. Natürlich weiß ich nicht, ob er von Dauer ist, und immer mal wieder schleichen sich diese kleinen, hässlichen Gedanken ein, die das alles als Eintagsfliege verhöhnen. Doch meistens überwiegt die Freude darüber, dass ich nun seit fast einem Jahr vom Schreiben lebe.

Und ja, es sind nicht die Bachmann-Preis-Romane, die ich verfasse. Aber mit denen verdient man in der Regel auch kein Geld. Und sich von all diesen Zwängen und Ansprüchen zu befreien und nur eins beim Schreiben im Sinn zu haben - Spaß! - ist die reinste Wohltat, ein geradezu anarchistischer Befreiungsschlag. Je seichter und klischeehafter die Geschichten, desto mehr Geld bringen sie ein. Wenn dann auch noch Sex im Spiel ist, gibt es kein Halten mehr. Das war anfangs eine bittere Erkenntnis. Inzwischen mache ich es aber wie die großen Verlage: Mit dem massentauglichen Schund finanziere ich die anspruchsvolleren Projekte, jene, in denen viel Zeit und Herzblut stecken.

So arbeiten zu können, empfinde ich als Luxus und großes Glück. Und wie das immer so im Leben ist: Wenn es an einer Stelle rund läuft, wird davon auch alles andere beeinflusst. Ich erhalte Liebe im Überfluss, so viel, so unverhofft, so wunderbar, dass ich manchmal kaum weiß, wohin mit all den schönen Gefühlen. Ob das nun meine zweijährige Nichte ist, die mich mit leuchtenden Kinderaugen ansieht und aus tiefstem Herzen sagt: „Ich hab dich sooo lieb.“ Oder der Mann, der keine Worte um seine Liebe macht, sie mir aber immer wieder aufs Neue mit vielen kleinen Gesten zeigt. Der mir mit seinem Körper in jeder Sekunde, die wir zusammen sind, erzählt, wie wichtig ich ihm bin, wie glücklich auch er ist. Und bei dem ich mich manchmal frage, ob er wirklich derselbe Mann ist, den ich vor zwei Jahren voller Zorn fortgeschickt habe.

Nun sitze ich wie ein kleines Kind sprachlos vor lauter Staunen mitten in diesem Wunderland voller Geschenke, Überraschungen und Glück und denke die ganze Zeit: Bitte, bitte lasst mich nie mehr aufwachen.

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kid37 - 25. Aug, 21:04

Das klingt wirklich sehr schön. Jetzt nicht die Uhr vorstellen! (So wie bei Ihrer Altersangabe. Das stimmt doch im Leben nicht.)

feinstrick - 25. Aug, 21:07

Nee, stimmt auch nicht. Eigentlich bin ich erst 27. (Genau: Niemals die Uhr vorstellen!)

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