Wendemarken
Kürzlich stellte ich fest, dass jedes Lebensjahrzehnt für mich mit großen Veränderungen begann, die zukunftsweisend für viele Jahre waren.
In dem Jahr, als ich 10 wurde, fuhr ich mit der Schule auf eine Nordseeinsel. Ich wurde krank vor Heimweh und war dankbar, als ich vorzeitig heimreisen durfte. Das Heimwehproblem begleitete mich ewig, manchmal habe ich sogar heute noch so einen Anflug davon, wenn ich irgendwo bin, wo ich mich nicht wohlfühle. Viele Jahre später kehrte ich auf diese Insel zurück, der Pferde wegen, die ich dort schon als Kind gesehen hatte. Sie standen in der Nachbarschaft unseres Schullandheims, und ich träumte davon, einmal auf einem von ihnen zu sitzen. Als ich erwachsen war, erfüllte sich dieser Traum und ich versöhnte mich mit der Insel und meinen Heimwehgefühlen. Kurzzeitig überlegte ich sogar ernsthaft, mich dauerhaft auf dem Inselchen niederzulassen.
Als ich 20 wurde, wechselte ich nach einer schweren Lebenskrise die Schule. Neustart kurz vorm Abitur. Noch nie war ich so alleine gewesen, obwohl ich ein paar Jahre zuvor bereits einen Umzug mit Schulwechsel hinter mir hatte. Nahezu jede Pause verbrachte ich alleine und auch sonst war ich eine Außenseiterin. In dieser Zeit lernte ich, mich auf mich selbst zu verlassen und mich nicht abhängig von besten Freundinnen oder von Leuten zu machen, die scheinbar das Sagen haben.
Am dramatischsten waren die Einschnitte, als ich 30 wurde. In dem Jahr erhielt ich meinen ersten festen Arbeitsvertrag nach dem Studium, meine kleine Schwester heiratete, mein Hund starb, mein erster Neffe wurde geboren und im Körper meiner Mutter begann der Krebs zu wüten. Abschied und Neubeginn lagen nah beieinander, und das setzte sich über viele Jahre so fort. Dieses Jahr markiert für mich den stärksten Wendepunkt, ich denke bis heute, dass ich da erwachsen wurde.
In dem Jahr, in dem ich 40 wurde, kündigte ich meinen Job und gab, ohne dass mir das in dem Moment bewusst gewesen wäre, alle Sicherheiten auf. Es folgten Jahre der Neuorientierung, des Ausprobierens und Scheiterns. Meine finanzielle Situation war oft dramatisch, aber irgendwie hangelte ich mich vorwärts und schaffte es, mich aus jeder Krise zu befreien - und zwar nicht nur aus den beruflichen, sondern auch aus den privaten, die mit diesen oft Hand in Hand gingen.
In diesem Jahr steht wieder ein runder Geburtstag an und ich frage mich seit Monaten, mit welchen Veränderungen er einhergehen wird. Die erste hat nun stattgefunden. Nach sechs Jahren On-Off-Affäre voller Leidenschaft, aber auch voller Drama haben der Mann und ich uns in den vergangenen Tagen so sehr zerstritten, dass es aus meiner Sicht kein Zurück mehr geben kann. Zwei große Trennungen haben wir hinter uns, die erste war böse, die zweite elegant, die dritte fand nun statt, obwohl wir uns noch gar nicht wieder richtig zusammengetan hatten. Aber ein paar unbedachte Worte seinerseits lösten in mir eine ganze Lawine an schlechten Empfindungen aus, und mir wurde auf einmal klar, dass ich mich nicht länger demütigen lassen möchte von einem Mann, der mich immer häufiger als Spielzeug benutzt und sich einen Dreck um meine Gefühle schert. Nun pflege ich mein Herz, schaue aber recht optimistisch in die Zukunft und denke ernsthaft darüber nach, mein Schlafzimmer zu renovieren und mir ein neues Bett zu kaufen. Die Renovierung steht eh an und das neue Bett wäre ein schöner symbolischer Akt.
Und ich denke über das nach, was die Zukunft noch bringt. Seit ich vor einigen Monaten auf erschütternd realistische Weise von meinem eigenen Tod träumte, lässt mich das Gefühl der Endlichkeit nicht mehr los. Immer häufiger wird mir die Fragilität meines eigenen Körpers bewusst und ich male mir aus, wie es sein wird, wenn der Schalter dereinst umgelegt wird. Das ist kein Gedanke, der mir angst macht. Beängstigend finde ich eher die Vorstellung, dass einer meiner Lieben gehen wird. Ich habe bereits schreckliche Verluste in meinem Leben erlitten, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein geliebter Mensch einfach nicht mehr da ist. Sorgenvoll schaue ich meinen Bruder an, der sich zwischen unglücklicher Ehe und Job zerreibt, und frage, wie lange er noch durchhält, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen. Schließlich sind wir jetzt alle in dem Alter, in dem so was schnell mal vorkommt. Meine Schwester hat immer mal wieder kleine und größere Gebrechen, möglicherweise Vorzeichen für etwas Ernsteres, vielleicht aber auch „nur“ psychosomatisch. Kürzlich erschreckte sie mich damit, dass sie sagte: „Ich glaube, ich habe eine Krise.“ Ich entgegnete: „Krise? Du? Das ist doch normalerweise mein Metier.“ Fakt ist: Ich bin die Dramaqueen in der Familie, während meine Schwester immer die Zähne zusammenbiss und sehr gerade ihren Weg ging. Aber alles ist im Wandel begriffen. Und dann sind da noch die vielen Kinder, die ich liebe wie meine eigenen, und die allmählich hinaus in die Welt ziehen. Sie sind alle gesund und glücklich und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sich das irgendwann ändern könnte, dass einer von ihnen vielleicht unterwegs aus der Kurve geworfen wird, brutal und viel zu früh, wovon auch immer. Umso bewusster erlebe ich unser Miteinander, bin dankbar für jeden gemeinsamen, glücklichen Moment.
Ich sehe der nächsten Zeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, schwanke zwischen Angst und Zuversicht, Neugier auf das neue Jahrzehnt, aber auch der Sorge, was es alles bringen wird - an Schönem wie an Schrecklichem. Nur eins ist gewiss: Es wird Veränderungen geben.
In dem Jahr, als ich 10 wurde, fuhr ich mit der Schule auf eine Nordseeinsel. Ich wurde krank vor Heimweh und war dankbar, als ich vorzeitig heimreisen durfte. Das Heimwehproblem begleitete mich ewig, manchmal habe ich sogar heute noch so einen Anflug davon, wenn ich irgendwo bin, wo ich mich nicht wohlfühle. Viele Jahre später kehrte ich auf diese Insel zurück, der Pferde wegen, die ich dort schon als Kind gesehen hatte. Sie standen in der Nachbarschaft unseres Schullandheims, und ich träumte davon, einmal auf einem von ihnen zu sitzen. Als ich erwachsen war, erfüllte sich dieser Traum und ich versöhnte mich mit der Insel und meinen Heimwehgefühlen. Kurzzeitig überlegte ich sogar ernsthaft, mich dauerhaft auf dem Inselchen niederzulassen.
Als ich 20 wurde, wechselte ich nach einer schweren Lebenskrise die Schule. Neustart kurz vorm Abitur. Noch nie war ich so alleine gewesen, obwohl ich ein paar Jahre zuvor bereits einen Umzug mit Schulwechsel hinter mir hatte. Nahezu jede Pause verbrachte ich alleine und auch sonst war ich eine Außenseiterin. In dieser Zeit lernte ich, mich auf mich selbst zu verlassen und mich nicht abhängig von besten Freundinnen oder von Leuten zu machen, die scheinbar das Sagen haben.
Am dramatischsten waren die Einschnitte, als ich 30 wurde. In dem Jahr erhielt ich meinen ersten festen Arbeitsvertrag nach dem Studium, meine kleine Schwester heiratete, mein Hund starb, mein erster Neffe wurde geboren und im Körper meiner Mutter begann der Krebs zu wüten. Abschied und Neubeginn lagen nah beieinander, und das setzte sich über viele Jahre so fort. Dieses Jahr markiert für mich den stärksten Wendepunkt, ich denke bis heute, dass ich da erwachsen wurde.
In dem Jahr, in dem ich 40 wurde, kündigte ich meinen Job und gab, ohne dass mir das in dem Moment bewusst gewesen wäre, alle Sicherheiten auf. Es folgten Jahre der Neuorientierung, des Ausprobierens und Scheiterns. Meine finanzielle Situation war oft dramatisch, aber irgendwie hangelte ich mich vorwärts und schaffte es, mich aus jeder Krise zu befreien - und zwar nicht nur aus den beruflichen, sondern auch aus den privaten, die mit diesen oft Hand in Hand gingen.
In diesem Jahr steht wieder ein runder Geburtstag an und ich frage mich seit Monaten, mit welchen Veränderungen er einhergehen wird. Die erste hat nun stattgefunden. Nach sechs Jahren On-Off-Affäre voller Leidenschaft, aber auch voller Drama haben der Mann und ich uns in den vergangenen Tagen so sehr zerstritten, dass es aus meiner Sicht kein Zurück mehr geben kann. Zwei große Trennungen haben wir hinter uns, die erste war böse, die zweite elegant, die dritte fand nun statt, obwohl wir uns noch gar nicht wieder richtig zusammengetan hatten. Aber ein paar unbedachte Worte seinerseits lösten in mir eine ganze Lawine an schlechten Empfindungen aus, und mir wurde auf einmal klar, dass ich mich nicht länger demütigen lassen möchte von einem Mann, der mich immer häufiger als Spielzeug benutzt und sich einen Dreck um meine Gefühle schert. Nun pflege ich mein Herz, schaue aber recht optimistisch in die Zukunft und denke ernsthaft darüber nach, mein Schlafzimmer zu renovieren und mir ein neues Bett zu kaufen. Die Renovierung steht eh an und das neue Bett wäre ein schöner symbolischer Akt.
Und ich denke über das nach, was die Zukunft noch bringt. Seit ich vor einigen Monaten auf erschütternd realistische Weise von meinem eigenen Tod träumte, lässt mich das Gefühl der Endlichkeit nicht mehr los. Immer häufiger wird mir die Fragilität meines eigenen Körpers bewusst und ich male mir aus, wie es sein wird, wenn der Schalter dereinst umgelegt wird. Das ist kein Gedanke, der mir angst macht. Beängstigend finde ich eher die Vorstellung, dass einer meiner Lieben gehen wird. Ich habe bereits schreckliche Verluste in meinem Leben erlitten, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein geliebter Mensch einfach nicht mehr da ist. Sorgenvoll schaue ich meinen Bruder an, der sich zwischen unglücklicher Ehe und Job zerreibt, und frage, wie lange er noch durchhält, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen. Schließlich sind wir jetzt alle in dem Alter, in dem so was schnell mal vorkommt. Meine Schwester hat immer mal wieder kleine und größere Gebrechen, möglicherweise Vorzeichen für etwas Ernsteres, vielleicht aber auch „nur“ psychosomatisch. Kürzlich erschreckte sie mich damit, dass sie sagte: „Ich glaube, ich habe eine Krise.“ Ich entgegnete: „Krise? Du? Das ist doch normalerweise mein Metier.“ Fakt ist: Ich bin die Dramaqueen in der Familie, während meine Schwester immer die Zähne zusammenbiss und sehr gerade ihren Weg ging. Aber alles ist im Wandel begriffen. Und dann sind da noch die vielen Kinder, die ich liebe wie meine eigenen, und die allmählich hinaus in die Welt ziehen. Sie sind alle gesund und glücklich und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sich das irgendwann ändern könnte, dass einer von ihnen vielleicht unterwegs aus der Kurve geworfen wird, brutal und viel zu früh, wovon auch immer. Umso bewusster erlebe ich unser Miteinander, bin dankbar für jeden gemeinsamen, glücklichen Moment.
Ich sehe der nächsten Zeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, schwanke zwischen Angst und Zuversicht, Neugier auf das neue Jahrzehnt, aber auch der Sorge, was es alles bringen wird - an Schönem wie an Schrecklichem. Nur eins ist gewiss: Es wird Veränderungen geben.
Wohnzimmer - feinstrick - 5. Mai, 17:11
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