Sonntag, 31. Juli 2016

Bedürftig

Ich bin dünnhäutig zurzeit. Weil es beruflich nicht so läuft. Und weil da dieses furchtbare Ereignis ist, für das ich noch keine Worte finde. Ja, und nun auch noch er. In letzter Zeit war unser Miteinander entspannt und innig, wurde genau genommen immer inniger. Er fing nach all den Jahren, die wir uns nun kennen, endlich mal an, sich für mich zu interessieren - richtig zu interessieren, nicht nur für den Sex oder meinen Job, sondern für alles. Meine Familie, meine Freunde, meine Exmänner. Das fühlte sich gut an.

Nur meine Bedürfnisse kann er nach wie vor nicht aushalten. Als ich mich nach langer Zeit mal bedürftig zeige, schreckt er zurück, versteckt sich hinter intellektuellem Geschwurbel oder tritt sofort die Flucht an, aus lauter Angst vor Gefühlen - seinen genauso wie meinen. Ich kann das beim ersten Mal noch erstaunlich gut aushalten, beim zweiten Mal nicht mehr ganz so gut. Beim dritten Mal reagiere ich sehr verärgert und denke darüber nach, ihn davonzujagen. Diese halben Sachen will ich nicht mehr, dafür bin ich zu alt und zu empfindsam geworden.

Aber ich bin auch selbstbewusster und stärker geworden, das führen mir die jüngsten Ereignisse vor Augen. Lieber verzichte ich auf Nähe und Sex, als mich ständig seinen Regeln zu unterwerfen. Nach vielen Jahren, in denen ich mich Männern viel zu oft untergeordnet habe, sage ich endlich wieder Nein. Laut und vernehmlich und kompromisslos. Das ist ein sehr gutes Gefühl und zeigt mir, dass ich zu meiner sehr lange vermissten alten Form zurückfinde.

Heute habe ich allerdings einmal zu viel Nein gesagt, denn rückblickend stellte sich heraus, dass ich in der Aufregung eine Chatnachricht von ihm völlig falsch gedeutet hatte. Der ganz normale Wahnsinn zwischen Männern und Frauen, die so oft völlig verschiedene Sprachen sprechen. Nachdem ich ein paar Stunden sehr ergrimmt war, lösen sich die Rauchwölkchen nun auf. Zurück bleibt eine leise Enttäuschung, dass er so gar nicht bereit war, im Moment auf mich einzugehen, und ein ebenso leises Lächeln darüber, wie sehr er bemüht war, mich dennoch nicht zu kränken (was leider schiefging, weil ich es nicht kapiert habe).

Nun ja, ich denke, wir werden diese kleine Krise meistern, dafür lief es insgesamt einfach zu gut in letzter Zeit. Und falls wir es nicht schaffen, ist das auch okay. Das ist das Seltsame an der Sache: Ich habe keine Verlustängste mehr. Ich weiß, dass ich blendend alleine zurechtkomme. Natürlich ist es schön mit Mann, aber da das ja sowieso nur eine halbe Sache ist, ist auch mein Herz nur noch halb dabei. Ein ganz gesunder Zustand, wie ich finde.

Und alles andere … Irgendwann werde ich die passenden Worte dafür finden. Wenn sich Herz und Seele wieder beruhigt haben.

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