Grenzerfahrungen
Wir spielen miteinander und loten unsere Grenzen aus. Wie weit trauen wir uns zu gehen mit dem Umsetzen heimlicher Fantasien? Er braucht ein paar Anläufe, um einen Wunsch zu äußern, weiß noch nicht recht, wie weit ich mitgehe. Als er spürt, dass ich ihn nicht zurückweise, sondern sogar erfreut reagiere und Gefallen am Ausprobieren finde, geht er einen sehr deutlichen Schritt weiter und bittet um etwas, das bislang selbst in meinen recht munteren Fantasien nicht vorkam, so abwegig ist es. „Nein“, sage ich spontan, „das geht nicht.“ Für ihn ist das okay, er drängt nicht weiter, erwartet nicht mehr. Unser Miteinander ist auch so schon intensiv und lebendig genug, es braucht da nicht unbedingt noch irgendwelche Steigerungen.
Doch in mir arbeitet es. Was wäre, wenn ich das doch tun würde? Wenn ich über meine eigenen Grenzen gehen würde? Ich ringe mit Angst und Scham und anderen undefinierbaren Gefühlen. Schließlich siegt ein Gefühl, das ich überhaupt nicht benennen kann. Abenteuerlust? Neugier? Unterwerfung? Ich tue, was er sich gewünscht hat und filme mich dabei. Eine nüchterne Handlung, die all meine Konzentration erfordert. Kommt alles aufs Bild, so wie es soll? Der Akt als solcher ist etwas Alltägliches und erlangt doch in diesem Kontext eine völlig neue Bedeutung. Hinterher überlege ich lange. Abschicken oder nicht? Was, wenn ich versehentlich die falsche Mailadresse eingebe und der Film in die falschen Hände gerät? Alberne Gedanken, die meine Angst ausdrücken. In Wahrheit geht es darum, ob ich mich wirklich so nackt machen will.
Ich will. Jedenfalls ein Teil von mir. Nachdem ich auf „senden“ geklickt habe, warte ich angespannt auf seine Reaktion. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt zu Hause ist, vielleicht muss ich ein paar Stunden oder länger warten. Doch er reagiert sehr schnell und schreibt prompt zurück. Begeistert. Überrascht. Ein eigenartiger Stolz erfasst mich, als hätte ich eine großartige Leistung vollbracht. Und ein Glücksgefühl, weil wir so viel Vertrauen zueinander haben.
Nach zwei Tagen zerbröselt das Glücksgefühl. Nach drei Tagen spüre ich es in mir gären. Ärger macht sich breit, und Enttäuschung. Warum ruft er nicht an? Er kann mich doch nach so einer Sache nicht mit einem Einzeiler abspeisen. Da brauche ich doch viel mehr. Das Brodeln nimmt zu, der Boden unter mir gerät ins Wanken. Ich stelle ihm innerlich ein Ultimatum: Wenn er sich bis dann und dann nicht meldet, braucht er gar nicht mehr wiederzukommen, dieser egoistische, gedankenlose Blödmann.
Er meldet sich innerhalb des Ultimatums, und mein Zorn verraucht augenblicklich. Aber er spürt meine Schieflage sofort und ermutigt mich, zu erklären, was in meinem Inneren passiert ist. Das fällt mir schwer, fast schwerer als die Handlung, um die es ging. Ja, was genau ist eigentlich passiert? Ich hätte seine Nähe hinterher gebraucht, das Gefühl, geliebt zu werden, auch jetzt noch, nachdem er dieses intime Detail über mich kennt, gerade jetzt. Er begreift augenblicklich, worum es geht und entschuldigt sich, weil er nicht eher auf die Idee gekommen ist, mich anzurufen. Er hat nicht geahnt, wie bedürftig ich bin. Auf seine Frage, warum ich mich nicht selber bei ihm gemeldet habe, weiß ich keine Antwort. Weil ich mich nicht getraut habe? Wie albern. Und doch irgendwie wahr. Lieber tobe ich innerlich, statt mir eine Schwäche einzugestehen. Ich begreife: Es gibt keinen Schuldigen in dieser Geschichte, wir haben beide nicht aufgepasst.
Wir reden lange. Über uns und darüber, welchen Rahmen wir brauchen, um Grenzen überschreiten zu können. Ich fühle mich hinterher getröstet und aufgehoben und gleichzeitig unendlich verloren. Der freie Fall ist noch lange nicht vorbei, wie mir scheint. Ich stelle alles infrage. Dieses ganze eigenwillige Konstrukt, das wir da miteinander haben, mit so viel Nähe und so viel Distanz in einem. Mit großer Angst auf der einen Seite und riesengroßem Vertrauen auf der anderen. Mit der Weigerung, dem Kind einen Namen zu geben, weil es dann ja was Festes wäre, etwas, das Verbindlichkeit einfordert und Verpflichtungen mit sich bringt. Lieber tun wir so, als habe das alles gar keine große Bedeutung. Doch in Momenten wie diesem merke ich, wie sehr wir uns damit selbst belügen. Wie sehr ich mich danach sehne, einfach zu ihm zu gehen und mich in seine Arme zu werfen und mich sicher und geborgen zu fühlen, statt nur seine Stimme am Telefon zu hören - so schön die Worte auch sind, die er zu mir sagt. Aber sie machen mich nicht glücklich, sondern lösen in mir eine tiefe Traurigkeit aus. So einsam und verloren habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Auf diese Grenzerfahrung hätte ich gern verzichtet.
Doch in mir arbeitet es. Was wäre, wenn ich das doch tun würde? Wenn ich über meine eigenen Grenzen gehen würde? Ich ringe mit Angst und Scham und anderen undefinierbaren Gefühlen. Schließlich siegt ein Gefühl, das ich überhaupt nicht benennen kann. Abenteuerlust? Neugier? Unterwerfung? Ich tue, was er sich gewünscht hat und filme mich dabei. Eine nüchterne Handlung, die all meine Konzentration erfordert. Kommt alles aufs Bild, so wie es soll? Der Akt als solcher ist etwas Alltägliches und erlangt doch in diesem Kontext eine völlig neue Bedeutung. Hinterher überlege ich lange. Abschicken oder nicht? Was, wenn ich versehentlich die falsche Mailadresse eingebe und der Film in die falschen Hände gerät? Alberne Gedanken, die meine Angst ausdrücken. In Wahrheit geht es darum, ob ich mich wirklich so nackt machen will.
Ich will. Jedenfalls ein Teil von mir. Nachdem ich auf „senden“ geklickt habe, warte ich angespannt auf seine Reaktion. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt zu Hause ist, vielleicht muss ich ein paar Stunden oder länger warten. Doch er reagiert sehr schnell und schreibt prompt zurück. Begeistert. Überrascht. Ein eigenartiger Stolz erfasst mich, als hätte ich eine großartige Leistung vollbracht. Und ein Glücksgefühl, weil wir so viel Vertrauen zueinander haben.
Nach zwei Tagen zerbröselt das Glücksgefühl. Nach drei Tagen spüre ich es in mir gären. Ärger macht sich breit, und Enttäuschung. Warum ruft er nicht an? Er kann mich doch nach so einer Sache nicht mit einem Einzeiler abspeisen. Da brauche ich doch viel mehr. Das Brodeln nimmt zu, der Boden unter mir gerät ins Wanken. Ich stelle ihm innerlich ein Ultimatum: Wenn er sich bis dann und dann nicht meldet, braucht er gar nicht mehr wiederzukommen, dieser egoistische, gedankenlose Blödmann.
Er meldet sich innerhalb des Ultimatums, und mein Zorn verraucht augenblicklich. Aber er spürt meine Schieflage sofort und ermutigt mich, zu erklären, was in meinem Inneren passiert ist. Das fällt mir schwer, fast schwerer als die Handlung, um die es ging. Ja, was genau ist eigentlich passiert? Ich hätte seine Nähe hinterher gebraucht, das Gefühl, geliebt zu werden, auch jetzt noch, nachdem er dieses intime Detail über mich kennt, gerade jetzt. Er begreift augenblicklich, worum es geht und entschuldigt sich, weil er nicht eher auf die Idee gekommen ist, mich anzurufen. Er hat nicht geahnt, wie bedürftig ich bin. Auf seine Frage, warum ich mich nicht selber bei ihm gemeldet habe, weiß ich keine Antwort. Weil ich mich nicht getraut habe? Wie albern. Und doch irgendwie wahr. Lieber tobe ich innerlich, statt mir eine Schwäche einzugestehen. Ich begreife: Es gibt keinen Schuldigen in dieser Geschichte, wir haben beide nicht aufgepasst.
Wir reden lange. Über uns und darüber, welchen Rahmen wir brauchen, um Grenzen überschreiten zu können. Ich fühle mich hinterher getröstet und aufgehoben und gleichzeitig unendlich verloren. Der freie Fall ist noch lange nicht vorbei, wie mir scheint. Ich stelle alles infrage. Dieses ganze eigenwillige Konstrukt, das wir da miteinander haben, mit so viel Nähe und so viel Distanz in einem. Mit großer Angst auf der einen Seite und riesengroßem Vertrauen auf der anderen. Mit der Weigerung, dem Kind einen Namen zu geben, weil es dann ja was Festes wäre, etwas, das Verbindlichkeit einfordert und Verpflichtungen mit sich bringt. Lieber tun wir so, als habe das alles gar keine große Bedeutung. Doch in Momenten wie diesem merke ich, wie sehr wir uns damit selbst belügen. Wie sehr ich mich danach sehne, einfach zu ihm zu gehen und mich in seine Arme zu werfen und mich sicher und geborgen zu fühlen, statt nur seine Stimme am Telefon zu hören - so schön die Worte auch sind, die er zu mir sagt. Aber sie machen mich nicht glücklich, sondern lösen in mir eine tiefe Traurigkeit aus. So einsam und verloren habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Auf diese Grenzerfahrung hätte ich gern verzichtet.
Schlafzimmer - feinstrick - 12. Dez, 23:33
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