Sonntag, 14. Dezember 2014

Käthe Wunderlich

Ich werde wunderlich. Oder genauer gesagt: Ich bin es bereits. Woran das liegt, weiß ich nicht so genau. Vielleicht bin ich zu viel alleine. Oder es ist das Alter. Oder beides zusammen. Jedenfalls verbringe ich mein Leben mit immer größerer Begeisterung im Bett. Nein, nicht das, was Sie jetzt denken, obwohl das natürlich auch großartig wäre; ja, ich gebe es zu: Ein weiblicher Hugh Hefner zu sein und den ganzen Tag von männlichen Bunnys umschwirrt zu werden, hätte schon was. Wobei ich meine Spielzeuge nicht in so alberne Häschenkostüme stecken würde, sondern mir was Männlicheres überlegen würde - Tiger vielleicht ...? Doch ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen wollte: Ich genieße es einfach, mich in meine Höhle zurückzuziehen und den Rest der Welt auszusperren.

Das fing irgendwann im vergangenen Jahr an. Ich hatte eine Krise und außerdem war mein Fernseher kaputt. Statt wie sonst in solchen Phasen auf dem Sofa zu sitzen und mich mit dumpfen TV-Sendungen zu betäuben, kroch ich mit dem Notebook in mein Bett und betäubte mich nun also mit Filmen aus den Mediatheken, mit DVDs und Facebook-Chats. Ich war damals sehr erschöpft und schlief entgegen meinen üblichen Gewohnheiten auch oft sehr früh ein. Das Bett war mein sicherer Hafen, mein Ort der Heilung.

Unmerklich begann ich, mich an diesem Ort einzurichten. Ich öffnete das Schlafzimmerfenster weit und ließ die Sommerluft und das Vogelgezwitscher aus dem anliegenden Park herein. Ich stellte ein Tablett mit Essen aufs Bett und Alkoholika und Chips in Reichweite. Ans Telefon ging ich nur noch, wenn Leute anriefen, die ich ertragen konnte (also praktisch nie), und wer nach Sechs unangemeldet an der Haustür klingelte, hatte grundsätzlich Pech. Die Geborgenheit meiner Höhle gab mir Trost und Kraft und half mir, meine Krise zu überwinden.

Doch als es mir besser ging, behielt ich die Angewohnheit bei, mich am frühen Abend im Bett zu verkriechen. Ich kaufte mir keinen neuen Fernseher, weil ich das TV-Programm ohnehin nur noch schrecklich fand. Außerdem strengt es mich an, auf meinem alten, unbequemen Sofa zu sitzen. In meinem Bett kann ich meinen Rücken viel besser entspannen, mit Kissen und Wärmflasche im Nacken. Ich gehe mittlerweile nicht mehr grundsätzlich am frühen Abend zu Bett, sondern richte mich nach dem Sonnenuntergang. Das heißt, im Sommer bin ich deutlich länger aktiv, aber jetzt im Winter ist allerspätestens um halb acht Feierabend. Jedenfalls nach außen. Ich will niemanden mehr sehen, nichts mehr erleben, mich nicht mehr auf der Straße herumtreiben. Ich will nicht mehr am Schreibtisch sitzen oder auf dem Sofa oder in der Küche oder mit Freunden endlose Telefonate führen oder ausgehen und tanzen und Konzerte besuchen und mich amüsieren. Nicht, dass ich das alles nicht mehr mag, im Gegenteil. Aber es kostet mich immer mehr Überwindung, mich zu motivieren, nach Sonnenuntergang noch vor die Tür zu gehen. Ganz besonders, wenn niemand mitkommt, und das ist bei Singles leider ziemlich oft der Fall.

In meinem Bett bin ich übrigens durchaus produktiv. Ich arbeite hier oft noch bis zum späten Abend, schreibe berufliche Mails, plane und organisiere und habe bereist einen halben Roman geschrieben. Es ist also keineswegs Faulheit, die mich in meine Höhle treibt. Es ist einfach nur ... wunderlich. Inzwischen frühstücke ich am Wochenende auch ziemlich oft im Bett, lese dabei, höre Radio und fühle mich herrlich, wenn ich mich in meine Decken kuschele, während das Glockengeläut der nahen Kirche zu mir herüberweht und all die frommen, braven Menschen zum Gottesdienst ruft, während ich nicht im Traum daran denke, irgendwo hinzugehen, schon gar nicht in die Kirche. Stattdessen beiße ich in mein Brot und überlege, ob es überhaupt Sinn macht, aufzustehen oder ich nicht einfach mal den ganzen Tag ... Aber nein, da bin ich dann doch streng mit mir. Ein paar Stunden Bewegung, frische Luft, Tapetenwechsel pro Tag müssen schon sein. Vorerst jedenfalls. Aber wer weiß, was noch alles kommt. Ich befinde mich vermutlich erst ganz am Anfang meiner wunderlichen Phase.

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