Mittwoch, 24. Juli 2013

Herzstillstand

Vor vielen Jahren hatte ich eine recht unglückliche Affäre mit einem Kollegen. Ich schlidderte da irgendwie hinein, wusste gar nicht so recht, wie mir geschah, und fühlte mich hauptsächlich geschmeichelt, weil ein Mann, der erheblich älter war, mich junges Ding toll fand. Er war verheiratet und hatte Kinder, die fast so alt wie ich waren. Ich ignorierte den Altersunterschied ebenso wie die Ehefrau, den eher dürftigen Sex und alles andere, was so gar nicht zwischen uns stimmte. Er ignorierte all das erst recht und erzählte in totaler Verklärung seiner Frau von mir. Doch die holte ihn sehr energisch auf den Boden der Tatsachen und ins eheliche Bett zurück. Sie war weder an einer Ménage-à-trois (was ihm wohl vorschwebte) noch an einer Scheidung interessiert.

Über uns schwebten Traurigkeit und Verzweiflung, die Geschichte führte zu gar nichts mehr. Wir sahen einander nur noch im Büro, was schlimm war, vor allem für ihn. Bei mir vollzog sich jedoch allmählich eine Wandlung. Immer häufiger kamen mir Zweifel, immer öfter war ich verärgert und genervt, immer mehr schaute ich nach links und rechts – bis ich mich in einen anderen Mann verliebte. Er war in meinem Alter und ungebunden. Wunderbar! Wir führten mehrere Jahre eine schöne Beziehung.

Meinen Kollegen, mit dem ich weiterhin eng zusammenarbeitete, hätte ich sehr gern zum guten Freund gehabt, doch das war völlig unmöglich. Während ich emotional weitergezogen war, hing er innerlich wie eine Klette an mir. In den nächsten Jahren schenkten wir uns nichts. Er erstickte mich mit seiner Liebe, ich hasste ihn dafür, und er wiederum hasste mich, weil ich ihn nicht mehr liebte. Ich hätte eigentlich den Job wechseln müssen, aber das ging aus verschiedenen Gründen nicht so schnell.

Nachdem ich endlich eine neue Arbeit hatte, schlief unser Kontakt ein. Die letzten Begegnungen sind mehrere Jahre her und fanden zufällig auf der Straße statt, verkrampft und unbeholfen. Er schien jedes Mal vor mir zu fliehen. Ich rannte ihm nicht nach, war im Grunde froh, dass dieses Kapitel endlich beendet war. Ich dachte nur noch selten an ihn. Umso überraschter war ich, als er mir kürzlich schrieb. Er gehe aus der Stadt fort und wolle sich von mir verabschieden. Schnell war klar, dass er nicht nur zum Teetrinken vorbei kommen wollte. Er liebte und begehrte mich wie am ersten Tag. Und in seiner Fantasie hatte er sich offenbar ausgemalt, ich würde all das nach wie vor erwidern. Ich war bestürzt. So viel Realitätsferne passte gar nicht zu ihm.

Nun stand er plötzlich vor meiner Tür - unangemeldet. Wir saßen nur kurz beieinander, vertraut wie ein altes Ehepaar und ganz so, als hätten wir uns erst gestern zum letzten Mal gesehen. Ich fand das schön und dachte wieder einmal: Ach, hätte ich doch damals nie diese Affäre angefangen. Dann wären wir heute vielleicht richtig gute Freunde. So aber geht das natürlich nicht mehr. Er bekannte, dass er mich nie loslassen konnte, dass ich all die Jahre seine stete Begleiterin gewesen sei. Das berührt mich sehr. Und ich denke, wie tragisch das Leben doch oft ist. Ausgerechnet der Mann, dessen Liebe mir rückblickend am wenigsten bedeutet, hält am längsten an mir fest. Aber das kann er vermutlich auch nur, weil er mit einem Fantasiegespinst lebt und nicht mit einer echten Frau.

Unser Abschied war leise und wehmütig. Wir hatten wohl beide das Gefühl, etwas Kostbares verloren zu haben.

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