Donnerstag, 11. Juli 2013

Ungeduld

Geduld war noch nie meine Stärke. Während mir alle Welt riet, erst mal meinen Gefühlen nachzuspüren, bevor ich voreilige Schritte tue, und ein Teil von mir diesen Rat auch außerordentlich gut fand, begann ein anderer Teil innerlich zu zappeln. Als ich das Zappeln nicht mehr aushielt, unternahm ich einen ersten Vorstoß und fragte mal vorsichtig per Mail beim Mann an, wie lange denn sein Schweigen noch dauern werde. Die Antwort kam rasch. Sie klang genervt, gequält, aber auch nicht völlig ablehnend. Im Moment sei ihm der Kontakt zu anstrengend, er denke aber immer noch nach.

Vielleicht hätte ich ihm diese Zeit gewähren sollen. Aber da war meine Unruhe. Und da waren die ganzen vorformulierten Abschiedsbriefe. Ich wollte nicht mehr warten. Ich wollte mich nicht mehr hinhalten lassen. Ich wollte mich nicht schlecht behandelt fühlen. Ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Die hätte ich zwar auch gehabt, wenn ich einfach geschwiegen hätte, aber ich liebe das Drama, Sie wissen ja. Also brachte ich die finalen Abschiedsworte auf die Festplatte. Zack, raus damit, fertig!

Meine erste Reaktion: Erleichterung. Endlich hatte ich diese Sache auch geklärt. Dabei war es das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich von einem Mann trennte, den ich immer noch begehrte und liebte. Und darauf war ich stolz. Endlich wartete ich mal nicht, bis das bittere Ende noch bitterer wurde, verlängerte ich das Rumgequäle nicht mehr unnötig und demütigte mich nicht damit, einem Mann hinterherzurennen. Hurra! Ich ging ins Café, bestellte ein deftiges Essen, gab dem Kellner ein üppiges Trinkgeld, weil er so jung und hübsch war und so schöne Tattoos hatte, machte noch einen Bummel an die Elbe und genoß den wunderbar sonnigen Abend. Alles war gut.

Am nächsten Tag setzten erste Zweifel ein. Der Mann hatte doch gar nicht so genervt geklungen, nur irgendwie ruhebedürftig. Ich hätte ihm die Nachdenkzeit wirklich geben sollen. Jeder Mensch hat das Recht, Abstand zu nehmen und Verhältnisse zu überprüfen. Zumal ich überhaupt nicht weiß, was in seinem Leben gerade los ist. Vielleicht hat er totalen Stress. Vielleicht läuft es auch bei ihm überhaupt nicht rund. Vielleicht fühlt er sich überfordert, hilflos, was auch immer. Ich hätte ja auch das mal erfragen können.

Heute, am dritten Tag, kommen zu den Zweifeln Wehmutsgefühle. Eigentlich war doch unser Miteinander immer schön – jedenfalls in den Zeiten, in denen wir im Fluss waren. Was ist denn nur passiert? Warum, verdammt noch mal, kriege ich das nie hin? Warum kann ich nicht einfach genießen, was da ist, nehmen, was mir gegeben wird und mir ansonsten ein schönes Leben machen? Warum wird bei mir jede Begegnung mit einem Mann zu einem filmreifen Melodram? Ich bin doch im Umgang mit anderen Leuten ganz anders, entspannt, fröhlich, bei mir. Meine dreizehnjährige Nichte sagte kürzlich, ich sei immer ihr Vorbild gewesen, sie wolle mal so werden wie ich. Das klingt doch nicht so, als sei ich eine Zicke, die allen auf die Nerven geht. Nur dem Mann gehe ich gehörig auf die Nerven. Und er geht mir auf die Nerven. Naja, manchmal jedenfalls, irgendwie, also … wie soll ich sagen?

Was ich weiß: So verschieden wir auch in vielen Dingen sind, so ähnlich sind wir uns doch in unseren Gefühlen. Wir sind an denselben Stellen empfindlich, ziehen uns aus denselben Gründen zurück, haben vor denselben Dingen (zu viel Nähe) Angst. Ich brauche aber einen Mann, der mich aushält. Der nicht wegläuft, wenn ich klammere, weil er weiß, dass ich das nicht mache, um ihn zu beherrschen, sondern um selber nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Der weiß, dass ich mich sofort wieder entspanne, wenn er da ist, nah genug, dass ich ihn spüren kann, fern genug, damit ich mich nicht erdrückt fühle. Der unbedachte Bemerkungen von mir mit einem Achselzucken abtun kann – ach ja, sie hat grade ihre Tage, das geht gleich wieder vorbei. Das ging in dieser Beziehungsaffäre leider nicht, von uns beiden aus nicht. Ich konnte seine Launen auch nicht aushalten, sein großes Rückzugsbedürfnis nicht ertragen, seine Ängste nicht auffangen. Irgendwie haben wir uns wohl so hochgeschaukelt. Meine Ängste wurden zu seinen, und umgekehrt.

Jetzt ist hier Katzenjammer angesagt, war ja klar. Tagsüber bin ich unkonzentriert, nachts schlafe ich schlecht und schrecke aus gruseligen Träumen hoch. Und natürlich habe ich schon wieder die Finger nach ihm ausgestreckt … Aber das war sicher keine gute Idee. Genau genommen war sie noch schlechter als das Schlussmachen. Denn so komme ich wirklich nie zur Ruhe. Doch die bräuchte ich gerade in diesen Tagen so dringend.

Ich glaube, eine Reise täte mir jetzt gut. Ganz lange und ganz weit weg.

Flattr this

Gäste

Neugierig?

Klatsch und Tratsch

Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
Hat ja geklappt :)
steppenhund - 11. Feb, 22:02
Ja, ich erinnere mich...
Ja, ich erinnere mich gut daran. Ich mache mich mal...
feinstrick - 11. Feb, 20:08
Ich hab meine Statistik...
Ich hab meine Statistik ewig nicht angeschaut, aber...
feinstrick - 11. Feb, 20:08

Post an Frau Feinstrick

feinstrick bei googlemail com

Gezwitscher

Suche

 

Status

Online seit 6287 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Mai, 21:06

Hausordnung

Credits

Knallgrau New Media Solutions - Web Agentur f�r neue Medien

powered by Antville powered by Helma


Creative Commons License

xml version of this page (summary)

twoday.net AGB

blogoscoop


Arbeitszimmer
Badezimmer
Balkonien
Dachboden
Hausordnung
Hobbykeller
Kinderzimmer
Kleiderschrank
Küche
Schlafzimmer
Treppenhaus
Unterwegs
Wohnzimmer
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development