Freitag, 16. September 2011

Auf und ab

Der Sommer ist rum, die Urlaubszeit auch, und ich bin – urlaubsreif. Das liegt einerseits daran, dass ich viel arbeite und wenig schlafe, vor allem aber daran, dass ich ewig keinen Urlaub mehr hatte. Ja, ich weiß, work-life-balance und so. Aber es passte einfach immer nicht. Entweder hatte ich kein Geld oder keine Zeit oder beides fehlte. Und jetzt liegt ein langer Herbst vor mir, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn überstehen soll. In jeder Hinsicht.

Mein Roman ist im ersten Entwurf fertig, die Figuren belagern mich immer noch und leben ihre Geschichte weiter, obwohl ich längst entschieden habe, dass das nicht geht. Aber in dieser Geschichte scheint sich niemand an Regeln zu halten. So habe ich auch entgegen meiner Gewohnheit, Halbfertiges eisern unter Verschluss zu halten, das Manuskript großzügig im Freundes- und Verwandtenkreis verteilt, nachdem ich von allen Seiten bedrängt wurde. All jene, die mir besonders hartnäckig in den Ohren lagen, sie würden gaaaanz unbedingt lesen und konstruktive Kritik üben wollen, erhielten ein Exemplar. Die Hälfte von ihnen tauchte danach ab, und auf vorsichtiges Nachfragen erhielt ich automatisch erstellte Schreiben mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“. Von den anderen selbsternannten Lektoren vertrösteten mich einige auf unbestimmte Zeit. Momentan passe es zeitlich irgendwie so überhaupt nicht mit dem Lesen. Eine einzige Leserin meldete sich sehr schnell wieder und klang wunderbar begeistert. Ein Leser war zunächst sehr angetan, brach aber nach hundert Seiten ab, als ihm klar wurde, dass die Geschichte „ein Frauenroman sei“. Den weiter zu lesen war offenbar unter seiner Würde. Eine Leserin machte mich nach den ersten fünf Seiten total nieder - „viel zu viele Adjektive, ich bin Minimalistin und hasse Bücher voller Adjektive“. Einige Tage später rief sie wieder an: „Ich habe die zweite Manuskripthälfte in einem Rutsch durchgelesen. Boah, war das plötzlich spannend.“ Na bitte, geht doch. Die weltbeste Schwester verriss das Manuskript komplett – jedenfalls die Teile, an die sie sich noch erinnern konnte: „Ach, weißt du, ehrlich gesagt war ich letzte Woche schon fertig mit dem Lesen. Irgendwie habe ich ganz vergessen, dir davon zu erzählen. Und stimmt, du hattest ein paar Fragen mitgeschickt, aber ich weiß nicht, ob ich die noch beantworten kann, ehrlich gesagt erinnere ich mich schon gar nicht mehr so genau an die Geschichte.“ Ich denke über Enterben nach und schwöre, ihr nie wieder einen Text zum Lesen zu geben. Überhaupt werde ich in Zukunft meine Geschichten wieder unter Verschluss halten und nur sehr ausgewählten, bewährten Testlesern zur Verfügung stellen.

Wenigstens läuft es mit den Männern erfreulicher. Sie umschwirren mich auf freundliche Weise, keiner von ihnen will und soll bleiben, aber ich genieße das Gefühl, dass sie da sind und sich für mich interessieren. Gleich zwei rücken mir immer dichter auf die Pelle, ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll, das kann niemals gut gehen. Die stetig wachsende Nähe und die liebevolle Fürsorge überraschen mich. So war das gar nicht gedacht. Doch ich weiß, dass es ab einem gewissen Punkt nicht weiter gehen wird, nicht weiter gehen kann. Mit dem einen Mann wird es enden, sobald er mit mir ins Bett will. Das geht leider auf keinen Fall. Mit dem anderen Mann geht das sehr wohl, läuft auch schon seit einiger Zeit überraschend gut. Aber neuerdings verändert sich etwas zwischen uns, diese Affäre erhält eine ganz neue Qualität. Verblüfft stelle ich fest, dass ich ihm offenbar wichtiger bin, als ich bisher immer dachte. Das verwirrt und verunsichert mich. Dieses fragile Gebilde kann jederzeit einstürzen, ich weiß das und schütze mich vorsichtshalber rechtzeitig - sofern das überhaupt geht. Aber vorerst genieße ich dieses kleine Glück. Seltsam, was das Leben manchmal für Überraschungen bereit hält. Darüber könnte man glatt ein Buch schreiben. Eins, das vielleicht auch Verwandte interessiert.

Dass ich in all diesem Trubel nicht zum Schlafen komme, wundert mich genau genommen nicht. Wenn doch bloß mal ein Urlaub in Aussicht wäre. Aber dafür muss das Buch wohl ein Bestseller werden. Oder doch noch mal der Mann mit dem dicken Konto auftauchen. Nichts davon ist jedoch in Sicht. Also läuft alles so weiter wie bisher.

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Danke und tschüss!
Übermorgen fliege ich in den Urlaub, und wenn ich zurückkehre,...
feinstrick - 15. Mai, 21:06
Hat ja geklappt :)
Hat ja geklappt :)
steppenhund - 11. Feb, 22:02
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Ja, ich erinnere mich gut daran. Ich mache mich mal...
feinstrick - 11. Feb, 20:08
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feinstrick - 11. Feb, 20:08

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