Abserviert
Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich zu exzessivem, beziehungslosem Sex neigte. Ich hatte eine Affäre nach der nächsten, oft nur für eine Nacht, manches Mal liefen mehrere Geschichten parallel. Das Schizophrene daran: Gleichzeitig war ich in einer der besonders seriösen Singlebörsen angemeldet und auf der Suche nach dem Mann fürs Leben. Ich hatte mit den potenziellen Heiratskandidaten ein Date nach dem nächsten und wurde von Mal zu Mal abgebrühter. Bald kam es mir so vor, als würden die Männer zum Bewerbungsgespräch bei mir antanzen, aufgeregt, voller Hoffnungen, während ich nüchtern wie eine Personalchefin ihre Zeugnisse begutachtete und in sämtlichen Fällen für viel zu schlecht befand. Natürlich. Ich war gar nicht offen für einen Mann, der mich verehrte, der mir sein Herz schenkte und es gut mit mir meinte. Aber das verstand ich damals nicht.
Ich hatte gerade mehrere dramatische Verluste erlitten – Tod meiner Eltern und anderer naher Menschen, Zerbrechen des familiären Gefüges, Scheitern einer Beziehung, Gewalt und Verrat. Mein ganzes Leben war auseinander gebrochen, ich hatte völlig den Boden unter den Füßen verloren, taumelte ziellos durch die Welt, hilflos und überfordert mit Schmerz und Trauer. Der Sex war die einzige Möglichkeit, mich selbst intensiv zu spüren, Lebendigkeit zu fühlen und dabei gleichzeitig alles um mich herum zu vergessen. Die Männer waren dabei bis auf wenige Ausnahmen nur Mittel zum Zweck. Gleichgültig ließ ich sie wieder fallen, wenn ich sie nicht mehr brauchte oder sie meinen Ansprüchen nicht genügten. Ich bin sicher, dass ich einigen sehr weh dabei tat. Aber ich war selbst so voller Schmerz, dass ich mich nicht noch um den Schmerz anderer kümmern konnte.
Das ist lange her. Danach gab es einige Jahre nur noch einen einzigen Mann in meinem Leben (an den ich mich geradezu verzweifelt klammerte, obwohl er mir absolut nichts bieten konnte und wollte) und dann noch länger gar keinen mehr. In dieser Zeit kam ich zur Ruhe. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren fand ich zu mir selbst, ging meinen Bedürfnissen und Sehnsüchten nach, veränderte mich beruflich, setzte mich mit der Vergangenheit auseinander und nahm Abschied von schmerzhaften Gefühlen und Erinnerungen. Trauerarbeit, so erkannte ich, ist wichtig, um vorwärts gehen zu können. Irgendwann war ich so weit, mich auch Männern wieder zu öffnen - auf unverbindliche, leichte Art, für tiefere Gefühle reichte es wohl doch noch nicht.
Bis zum vergangenen Wochenende. Was da passiert ist, begreife ich immer noch nicht. Nur so viel steht fest: Er und ich sind mit verschiedenen Erwartungen aufeinander zugegangen. Ich suchte tatsächlich Liebe, er aber brauchte wohl nur eine beziehungslose Begegnung – obwohl er in der Singlebörse nicht auf der Suche nach einer Affäre, sondern einer festen Partnerin ist. In dieser Widersprüchlichkeit erinnert er mich sehr an mich selbst. Einerseits ist da die Sehnsucht nach der großen Liebe, nach Nähe, nach Geborgenheit. Andererseits aber steht man sich selbst im Weg mit den eigenen unguten Gefühlen, die sich vor allem in einer riesengroßen, diffusen Angst ausdrücken.
Er mochte mich, das war unübersehbar. Oder war das nur oberflächliche Show, so wie ich früher auch oft unbeabsichtigt eine Intimität vorgegaukelt habe, die ich innerlich nicht wirklich fühlte? Weil ich bloß nett sein wollte, weil ich Lust auf Sex hatte und dafür vorher ein bisschen höflich sein musste? Ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich bis jetzt nichts mehr von ihm gehört, und ich gehe davon aus, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Meine zaghaften Versuche, ihn per SMS zu erreichen, liefen ins Leere. Vermutlich fühlte er sich sogar bedrängt dadurch. Er hat mich abgehakt, so wie ich in der Vergangenheit einen Mann nach dem nächsten abgehakt habe. Dass ich mit wundem Herzen und ganz viel Sehnsucht hier sitze, ist mein Problem, nicht seins. Er denkt vermutlich nicht mal mehr an mich, hat vielleicht sogar schon Kontakt zur nächsten Frau aufgenommen. Meine Enttäuschung, mein Herzweh, meine Fassungslosigkeit ahnt er nicht mal, weil er selbst so zu ist, dass er diese Gefühle für sich selbst vollkommen ausgeblendet hat und gar nicht mehr weiß, wie sich Herzschmerz anfühlt. Vermutlich. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Kann auch sein, dass alles völlig anders ist. Nur eins steht fest: Ich fühle mich sehr, sehr mies.
Ich hatte gerade mehrere dramatische Verluste erlitten – Tod meiner Eltern und anderer naher Menschen, Zerbrechen des familiären Gefüges, Scheitern einer Beziehung, Gewalt und Verrat. Mein ganzes Leben war auseinander gebrochen, ich hatte völlig den Boden unter den Füßen verloren, taumelte ziellos durch die Welt, hilflos und überfordert mit Schmerz und Trauer. Der Sex war die einzige Möglichkeit, mich selbst intensiv zu spüren, Lebendigkeit zu fühlen und dabei gleichzeitig alles um mich herum zu vergessen. Die Männer waren dabei bis auf wenige Ausnahmen nur Mittel zum Zweck. Gleichgültig ließ ich sie wieder fallen, wenn ich sie nicht mehr brauchte oder sie meinen Ansprüchen nicht genügten. Ich bin sicher, dass ich einigen sehr weh dabei tat. Aber ich war selbst so voller Schmerz, dass ich mich nicht noch um den Schmerz anderer kümmern konnte.
Das ist lange her. Danach gab es einige Jahre nur noch einen einzigen Mann in meinem Leben (an den ich mich geradezu verzweifelt klammerte, obwohl er mir absolut nichts bieten konnte und wollte) und dann noch länger gar keinen mehr. In dieser Zeit kam ich zur Ruhe. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren fand ich zu mir selbst, ging meinen Bedürfnissen und Sehnsüchten nach, veränderte mich beruflich, setzte mich mit der Vergangenheit auseinander und nahm Abschied von schmerzhaften Gefühlen und Erinnerungen. Trauerarbeit, so erkannte ich, ist wichtig, um vorwärts gehen zu können. Irgendwann war ich so weit, mich auch Männern wieder zu öffnen - auf unverbindliche, leichte Art, für tiefere Gefühle reichte es wohl doch noch nicht.
Bis zum vergangenen Wochenende. Was da passiert ist, begreife ich immer noch nicht. Nur so viel steht fest: Er und ich sind mit verschiedenen Erwartungen aufeinander zugegangen. Ich suchte tatsächlich Liebe, er aber brauchte wohl nur eine beziehungslose Begegnung – obwohl er in der Singlebörse nicht auf der Suche nach einer Affäre, sondern einer festen Partnerin ist. In dieser Widersprüchlichkeit erinnert er mich sehr an mich selbst. Einerseits ist da die Sehnsucht nach der großen Liebe, nach Nähe, nach Geborgenheit. Andererseits aber steht man sich selbst im Weg mit den eigenen unguten Gefühlen, die sich vor allem in einer riesengroßen, diffusen Angst ausdrücken.
Er mochte mich, das war unübersehbar. Oder war das nur oberflächliche Show, so wie ich früher auch oft unbeabsichtigt eine Intimität vorgegaukelt habe, die ich innerlich nicht wirklich fühlte? Weil ich bloß nett sein wollte, weil ich Lust auf Sex hatte und dafür vorher ein bisschen höflich sein musste? Ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich bis jetzt nichts mehr von ihm gehört, und ich gehe davon aus, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Meine zaghaften Versuche, ihn per SMS zu erreichen, liefen ins Leere. Vermutlich fühlte er sich sogar bedrängt dadurch. Er hat mich abgehakt, so wie ich in der Vergangenheit einen Mann nach dem nächsten abgehakt habe. Dass ich mit wundem Herzen und ganz viel Sehnsucht hier sitze, ist mein Problem, nicht seins. Er denkt vermutlich nicht mal mehr an mich, hat vielleicht sogar schon Kontakt zur nächsten Frau aufgenommen. Meine Enttäuschung, mein Herzweh, meine Fassungslosigkeit ahnt er nicht mal, weil er selbst so zu ist, dass er diese Gefühle für sich selbst vollkommen ausgeblendet hat und gar nicht mehr weiß, wie sich Herzschmerz anfühlt. Vermutlich. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Kann auch sein, dass alles völlig anders ist. Nur eins steht fest: Ich fühle mich sehr, sehr mies.
Schlafzimmer - feinstrick - 5. Jul, 10:05
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