Freitag, 17. Juni 2011

Unter Wert

Ich schufte und schufte und schufte. Aber mein Konto sieht trotzdem schlimm aus. Meine kollegialen Berater sagen einstimmig: „Du musst höhere Honorare nehmen. Du musst dir selbst was wert sein.“ Ich nicke brav und spreche mit ihnen durch, was realistisch ist. Dann gehe ich nach Hause, kriege beim Schreiben eines Angebots eine mittlere Krise – und entscheide mich am Ende wieder für zu wenig. So wird das nie was mit dem Reichtum.

Ich unterhalte mich mit zwei Kolleginnen über Singlebörsen. Eine sagt: „Ich würde mich das nie trauen, mich mit wildfremden Männern zu verabreden.“ „Ach“, sage ich, „so wild ist das gar nicht. Ich bin eigentlich nie einem begegnet, der mir unheimlich war. Schlimmstenfalls waren sie verklemmte Langweiler. Aber die meisten sind einfach nur nette Kerle.“ Und plötzlich geht mir auf, dass ich schon Dutzende dieser netten Kerle fortgeschickt habe. Weil ich fand, sie seien nicht gut genug für mich. Oder weil ich Angst hatte – vor ihren Sehnsüchten, ihren Ansprüchen, ihren Verbindlichkeiten. Je unverbindlicher, desto besser. Für billigen Sex bin ich schnell zu haben. Aber das Teure, Kostbare, das horte ich bis zum Sankt Nimmerleinstag. Gerade neulich bin ich wieder panisch vor einem dieser gut situierten Männer geflüchtet, der viel Interesse an mir hatte, der mir große Sicherheiten bieten könnte. Aber ich kriegte eine Krise, ähnlich wie beim Schreiben meiner Angebote – und zog mich zurück. So wird das nie was mit den Männern.

Manchmal ist es wichtig, sich nicht unter Wert zu verkaufen. Manchmal aber braucht man eine Weile, um die eigentlichen Werte von etwas oder jemandem zu entdecken und sollte ein Angebot nicht sofort ablehnen. Aber manche Fehler macht man wohl ein Leben lang. Aus anderen lernt man allerdings doch ein bisschen. Meine Honorare werden besser. Sie sind noch lange nicht gut, aber ich bin auf dem richtigen Weg. Immerhin. Und mit den Männern? Ich weiß nicht. Es ist so leicht, sich mit diesem Mann abzugeben, der ein Meister des Unverbindlichen ist und es gleichzeitig fertig bringt, den Kontakt nie abreißen zu lassen. Wenn es nach ihm geht, wird unsere Affäre vermutlich die nächsten zwanzig Jahre überdauern. „Das ist doch endlich mal eine gewisse Kontinuität“, stellt eine Freundin fest, der ich davon erzähle. Wir lachen beide. Eine langfristige Affäre ohne tiefere Gefühle scheint für mich leichter zu sein als eine dauerhafte Liebe. Aber wer weiß, vielleicht lerne ich eines Tages auch in dieser Hinsicht noch dazu.

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