Montag, 7. März 2011

Zentrale Fragen

„Ohne eigene Wohnung habe ich mein Zentrum verloren. Das ist es wohl, was mich zurzeit so belastet.“ Er wirkt kläglich, als er das sagt, und einen schrecklichen Moment lang fürchte ich, er könne anfangen zu weinen. Doch sein Blick ist fest, als er den Kopf hebt. „Was ist denn das Zentrum deines Lebens?“ fragt er mich. „Deine Wohnung?“

Das ist eine Frage, auf die ich so schnell keine Antwort weiß. Das Zentrum meines Lebens? Die Achse, um die sich alles dreht? Die Mitte? Meine Wohnung ist auf jeden Fall mein Ruhepol, mein Rückzugsort, meine Höhle, in der ich mich verkriechen kann und in der ich mich immer wohl fühle, auch nach all den Jahren noch, in denen ich jetzt hier lebe. Es ist nicht alles optimal hier, und es gibt durchaus Tage, an denen ich mich nach einer anderen Bleibe sehne. Aber dann wieder ist alles so gut, so schön, so perfekt, dass ich über einen Umzug nicht mal nachdenke. Ja, meine Wohnung könnte man als das äußere Zentrum meines Lebens bezeichnen.

Aber mein inneres Zentrum ist meine Familie. Diese Erkenntnis überrascht mich selbst, denn das war viele Jahre keineswegs so. Aber es hat sich viel verändert. Heute sind meine Geschwister und ihre Kinder die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie stützen und stärken mich (und machen mich manchmal auch nieder – ja, auch das, aber sie tun das nie mit Absicht, ich weiß das), zu ihnen pflege ich den intensivsten, beständigsten Kontakt. Die Kinder lieben mich auf eine selbstverständliche, innige Weise, die mich immer wieder rührt und mir zeigt, dass ich zumindest als Tante einen richtig guten Job mache. Natürlich ist es nicht so, dass meine Geschwister immer alles von mir erfahren. Es gibt sicher Menschen, denen ich viel intimere Details über meine Ängste und Nöte, meine Sehnsüchte und Begierden erzähle. Aber das ist nicht wichtig. Entscheidend ist das Gefühl von Geborgenheit, von Vertrautheit, das mich umgibt, wenn ich mit meiner Familie zusammen bin. In ihrer Nähe fühle ich mich nie fremd (auch das war früher ganz anders). Dort muss ich mich nicht verstellen, muss weder cool, noch fröhlich, noch klug tun. Es nimmt mir niemand übel, wenn ich zu Besuch komme und das ganze Wochenende nur abhänge, weil mir so danach ist. Oder wenn ich mich mal eine Weile nicht melde, weil ich zu viel um die Ohren oder einfach keine Lust habe. Und dabei weiß ich genau, dass ich in Notzeiten auf niemanden so gut zählen kann wie auf meine Geschwister. Am Ende scheint Blut doch dicker als Freundschaft. Das ist ein gutes Gefühl.

Er hört meiner Erklärung aufmerksam zu. „Mit einem meiner Brüder geht es mir auch so“, sagt er nachdenklich. Mit seinen anderen fünf Geschwistern offenbar nicht. Dann richtet er sich etwas auf. „Aber weißt du was? Vermutlich brauche ich einfach nur dringend eine Frau.“ Ich halte seinem Blick stand, hoffe aber gleichzeitig, dass er nicht findet, ich könne diese Frau sein – trotz all der liebevollen Gefühle, die ich für ihn hege. „Mit einer Frau verschwinden aber auch nicht automatisch alle Probleme“, gebe ich zu bedenken. „Oft wird es dann erst richtig kompliziert.“ „Aber nicht nur.“ Er wirkt fast trotzig, als er das sagt. Und ich frage mich, ob es jemals in meinem Leben einen Mann geben wird, von dem ich sagen kann, er sei mein Zentrum. Und ob das überhaupt erstrebenswert ist.

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