Sonntag, 7. November 2010

Damals - Schnurtelefon und Telegramm

Ich spiele mit Kindern und einer "antiken" Kinderpost aus den 70er Jahren. Dabei wird mir bewusst, wie sehr sich die Welt verändert hat. Die durchsichtige Plastikwand der Kinderpost erinnert mich an die Glasscheiben vor den Postschaltern, hinter denen sich mit finsterer Miene die Beamten verschanzten, während man durch einige Löcher in der Scheibe seine Wünsche sprechen musste. Geld und Formulare wechselten durch einen Schlitz die Seiten. Und kinderfreundlich war auch niemand. Ich erinnere mich an einige äußerst traumatische Erlebnisse im Kontakt mit einem besonders grimmig drein blickenden Postbeamten. Wörter wie Kundennähe und Kundenbindung waren damals noch unbekannt.

„Was ist ein Telegramm?“ fragen die Kinder.
Ich erzähle und erinnere mich daran, wie es war, wenn bei uns zuhause ein Telegrammbote geklingelt hat, abends spät manchmal. Ein Geburtstagstelegramm, überreicht auf einer großen Schmuckkarte, war etwas sehr Besonderes. Aufgeregt starrten wir auf die wenigen Worte als seien sie uns direkt vom Mars gesandt worden. Wenn es keinen außergewöhnlichen Anlass gab, dann enthielten die Telegramme in der Regel Hiobsbotschaften. Unsere Verwandten in der DDR hatten fast alle kein Telefon. Im Notfall schickten sie ein Telegramm, das uns in hilflosen Schrecken versetzte.
„Wie teuer war denn so ein Telegramm?“ fragt eins der Kinder.
„Sehr teuer“, sage ich. Eine genaue Vorstellung habe ich auch nicht. „Ich habe nie selbst eins aufgegeben.“
In meiner Generation verschwand das Telegramm in der Bedeutungslosigkeit, lange bevor es Handys und Internetanschlüsse in jedem Haushalt gab.

„Wofür sind diese Scheine hier da?“
Ich muss erst mal genauer hinschauen, so fremd kommen selbst mir die Formulare vor.
„Ach richtig, die musste man ausfüllen, wenn man am Schalter Geld abgehoben hat. Da gab es noch keine Geldautomaten.“ Während ich das sage, frage ich mich, wie das überhaupt ging – bei den mageren Öffnungszeiten von Postämtern und Banken.

„Und wie rum hält man den Hörer bei diesem Telefon mit der Wählscheibe?“
Ich schaue irritiert. Wie – das wissen die Kinder nicht? Nein, woher auch. Sie sind im Zeitalter der Schnurlostelefone aufgewachsen. Ich überlege, wann meine Eltern ihr erstes Schnurlostelefon hatten und kann mich nicht mehr genau daran erinnern. Davor gab es ja noch die Tastentelefone. Das meiner Eltern war grün, das in meiner Studenten-WG rot. Es blieb dort, als ich wieder auszog. Telefone gehörten einem schließlich nicht, man mietete sie nur.
„Und der Anrufbeantworter stand in einem kleinen Gerät daneben. Die Nachrichten wurden auf kleinen Kassetten aufgenommen.“
„Hä? Wie seltsam. Hast du so was auch gehabt?“
„Ja, natürlich. Meine Eltern hatten allerdings überhaupt nie einen Anrufbeantworter.“
Ich komme mir wie ein Fossil aus der Steinzeit vor, dabei ist das alles ja Teil meines eigenen Lebens – und so alt bin ich nun wirklich noch nicht. Ich erinnere mich an das graue, schwere Telefon mit dem riesigen Hörer, das auf dem Schreibtisch meines Vaters stand. Weil mein Vater manchmal nachts Bereitschaftsdienst hatte, gehörten wir zu den fortschrittlichen Haushalten, die auch noch einen zweiten Telefonanschluss im Schlafzimmer besaßen. Das bedeutete, dass ich mich für ungestörte Telefonate mit meinen Freundinnen zurückziehen konnte und nicht von neugierigen Familienmitgliedern belauscht wurde. Einziger Nachteil: Im Schlafzimmer meiner Eltern war es im Winter eiskalt. Und wenn ich zu lange fort blieb, schaute meine Mutter vorbei und mahnte, dass das Gespräch zu teuer würde.
Ich erzähle von den Telefonzellen, die an jeder Ecke standen und von den holzverkleideten Telefonkabinen auf dem Postamt. Im Spiel zeige ich, wie nervig es war, immer das passende Kleingeld parat zu haben und mitten im Gespräch unterbrochen zu werden, weil das Geld alle war.

Die Mädchen, mit denen ich spiele, lachen sich schlapp. Für sie sind das alles reine Märchen. Für mich selbst Jugenderinnerungen.

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Hat ja geklappt :)
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Ja, ich erinnere mich...
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