Samstag, 24. Juli 2010

Männer

Die Männer und ich – das ist so ein Kapitel für sich. Ich hatte im Laufe meines Lebens viele Begegnungen mit ihnen: amüsant, skurril, lustvoll, flüchtig, eng, nah, intensiv, bleibend, intim, vergänglich, liebend, hassend, distanziert, umwerfend, beängstigend, qualvoll. Kein einziger Mann, zu dem ich ein intimes Verhältnis hatte, steht noch in Kontakt zu mir. Sie sind unwiderruflich verschwunden, wie jeder Tag sich des Nachts einfach verflüchtigt und nie mehr wiederkommt, so sehr man sich das manchmal auch wünscht. Aber in den meisten Fällen wünsche ich es mir gar nicht. Manche Begegnungen waren so flüchtig, dass ich mich nicht mal mehr an die Namen der Männer erinnere. Das ist ein bisschen peinlich und eigentlich eher typisch männlich, oder? Andererseits, was bedeutet eine Nacht mit schlechtem bis mäßig gutem Sex schon? Warum sollte ich mich an sie mehr erinnern als an andere Nächte?

Ich traf mal einen Mann, der im Bett stumm wie ein Fisch war, mir hinterher aber vorwarf, ich sei so leise gewesen. Als ob guter Sex davon abhängt, wie laut man stöhnt. Der Mann rief mich nie wieder an, aber er besuchte immer mal wieder mein Internet-Profil. Irgendwann (ich hatte mittlerweile meinen Profilnamen geändert) schickte er mir exakt dieselbe Anfrage, die er mir schon einmal geschickt hatte. Natürlich antwortete ich kein zweites Mal darauf.

Ein anderer Man verführte mich zwar sehr kunstvoll, murmelte dann aber wiederholt in mein Ohr, dass er mich lieben würde. Ich war irritiert und abgestoßen. Dies war unser zweites Treffen und der erste intime Kontakt. Wer wollte da von Liebe sprechen? Ich jedenfalls nicht. Ich schickte den Mann fort und meldete mich nie wieder bei ihm.

Ein andermal hatte ich eine Affäre mit einem Mann, der eine sehr starke Körperbehaarung hatte. Meine Mitbewohnerin ergriff kreischend die Flucht, als eines Morgens ein Orang-Utan aus unserer Dusche kam. Ich merkte auch bald, dass wir nicht zueinander passten. Nicht nur wegen der vielen Haare an den falschen Stellen. Der Mann studierte Psychologie, und irgendwann gingen mir seine Selbstanalysen und ausführlichen Therapieberichte zu sehr auf die Nerven.

Noch ein Mann befand sich auf einem Selbstfindungstrip. Er ließ mich nach wenigen Wochen ohne ersichtlichen Grund sitzen und reiste monatelang durch Südamerika. Als er wieder kam, war er ein neuer Mensch, und vielleicht hätte aus uns noch etwas ganz Großes werden können. Aber wir hatten leider kein gutes Timing. Immer, wenn wir uns in den nächsten Jahren wieder begegneten, hatte einer von uns gerade einen anderen Partner. Manchmal verfingen sich unsere Blicke in traurigem Verlangen ineinander, aber wir schafften es nie, daraus wieder mehr zu machen.

Ein Mann betrog mich jahrelang, und als ich ihn dann wiederum mit dem Orang-Utan betrog, flippte er komplett aus. Es gab jedoch einen feinen, kleinen Unterschied zwischen seinen Betrügereien und meinen: Ich beichtete meine sofort, er erzählte mir seine hingegen nie. Ich erfuhr erst lange nach unserer Trennung von Freunden, was da eigentlich gelaufen war. Danach verbannte ich ihn mit einer Konsequenz aus meinem Leben, die ich bei späteren Männer besser auch angewandt hätte.

Für Betrüger habe ich nämlich ein Händchen. Der letzte schoss den Vogel ab. Ich glaube, es gab kaum ein Wort, das er mir sagte oder schrieb, das nicht erfunden war. Viel zu lange gab ich mich Träumen und Illusionen hin, bis ich die Kraft hatte, mich von diesem Schaumschläger zu lösen. Stumm schaue ich heute zu, wie er sich immer wieder neu erfindet. Seine jetzige Rolle ist die des verantwortungsvollen Gutmenschen. Manchmal juckt es mich in den Fingern, mal ein paar freundliche, aufklärende Worte an seine Jünger zu richten, die ihm auf sämtlichen Internet-Kanälen zujubeln. Aber er ist die Mühe gar nicht wert. Geblieben ist mir, von meinem Hass auf ihn abgesehen, nur eine Fülle wirklich guter Musik.

Mit einem Mann verbrachte ich nur 24 Stunden – verteilt auf zwei Treffen. Sie gehörten zu den berührendsten, intensivsten 24 Stunden, die ich je mit einem Mann verbracht habe. Obwohl dieses Glück sehr unglücklich endete, habe ich heute noch ein warmes Gefühl im Bauch, wenn ich an diesen Mann denke. Und ich frage mich, wie es ihm wohl geht.

Auch von einem anderen Mann wüsste ich gerne, wie es ihm geht. Wir verbrachten einige Jahre zusammen, und ich träumte bereits von Kindern und Eigenheim. Manchmal frage ich mich, was aus uns, aus mir geworden wäre, wenn er nicht eines Tages aufgehört hätte, mit mir zu schlafen. Aber eine Partnerschaft ohne Sex war für mich unerträglich. Und so stolperten wir auseinander, traurig, verloren, hilflos. Ich begann eine beispiellose Karriere als Singlefrau. Und er? Ich weiß es nicht.

Mit einem Mann hatte ich über einen langen Zeitraum nur Sex – intensiv, aufregend, betörend. Er führte mich in eine Welt ein, die mir bis dahin vollkommen fremd war. Ich lernte viel über Verführung, Hingabe und eine Erotik jenseits des Alltäglichen. Er war der erste Mann, bei dem ich mich vollkommen fallen lassen konnte, dem ich blind vertraute. Geliebt habe ich ihn jedoch nie. Und als ich merkte, dass er gerne mehr von mir wollte, ging ich von einem Tag auf den anderen fort. Es blieb nichts als ein leises Bedauern – und die Sehnsucht, diese Art der Sinnlichkeit wieder zu erleben.

In den letzten Jahren gab es keine Männer in meinem Leben. Keine Abenteuer, kein Herzklopfen, keine lustvollen, witzigen, albernen Begegnungen. Ich war zu oft verletzt worden, hatte mich zu vielen Illusionen hingegeben und haufenweise Zeit vergeudet, während um mich herum alle Welt ihr Leben in feste Bahnen führte. In meinem Freundeskreis gibt es kaum noch Singles. Selbst jene, die ein noch turbulenteres Liebesleben hatten als ich, sind plötzlich solide Familienväter und -mütter geworden. Nur ich habe das irgendwie verpasst. Ich bin die Übriggebliebene, die immer seltener eingeladen wird, weil ich zum Pärchenfrühstück genauso wenig passe wie zum Familiennachmittag, auf dem sich die Eltern über ihre Sprösslinge austauschen. Lange fiel mir das gar nicht weiter auf. Ich war zu sehr mit dem Wundenlecken und Aufbauen meiner beruflichen Existenz beschäftigt.

Doch allmählich spüre ich eine Veränderung. Ich möchte wieder mitmischen, möchte Kribbeln im Bauch fühlen, Nähe spüren, Leidenschaft empfinden. Ich möchte mir einen der letzten Single-Männer schnappen und auch endlich ankommen. Nicht zuletzt haben mir die einsamen Stunden im Krankenhaus gezeigt, wie unschön das Leben eines Singles sein kann. Daher habe ich mich wieder auf den Markt begeben und bei einer Single-Börse angemeldet. Das hat früher schon nicht geklappt, ich vermute daher, dass es diesmal auch nicht klappt. Aber es gibt mir das Gefühl, etwas zu tun, nicht nur zuhause zu sitzen und mich selbst zu bemitleiden. Und so schwanke ich zwischen Spaß und Widerwillen, während mir ein 75jähriger ein Leben in einer traumhaft schönen Villa an der Ägäis anbietet und ein 25jähriger so ernsthaft um mich wirbt, als sei ich knackige 20 und nicht so alt, dass ich seine Mutter sein könnte. Es ist ein Spiel, weiter nichts. Und seit ich mein Profil so eingestellt habe, dass die Lustgreise mich nicht mehr finden können, ist es sogar ein recht vergnügliches Spiel.

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