Überbleibsel
Fotos gucken in familiärer Runde:
„Das da ist meine Schwägerin. Die lebt immer noch bei ihrer Mutter und versorgt sie.“ Schneller Blick in meine Richtung: „Die ist auch so eine Übriggebliebene - wie du.“
Übriggebliebene? Ich schaue entgeistert.
„Ich wohne aber nicht zuhause und pflege niemanden.“
„Nein.“ Der Blick bleibt ungerührt. „Aber das hätte dir auch gut passieren können.“
„Wann schaffst du dir endlich einen Hund an?“ drängelt das hundenärrische Kind. „Ich weiß nicht“, sage ich unbestimmt. „Beruflich ist alles bei mir so ungewiss. Wer weiß, ob ich dauerhaft zuhause arbeite. Vielleicht fange ich ja doch wieder irgendwo fest an. Dann ist der Hund den ganzen Tag alleine.“ „Ach was“, sagt das Kind energisch, „du bist doch schon so alt. Du kriegst sowieso keinen Job mehr.“
Das Überbleibsel, das keiner mehr will und braucht. Das höchstens noch nützlich ist, wenn alle anderen keine Zeit und Lust haben. Ist es so? Bin ich zu alt? Für alles? Gescheitert auf ganzer Linie? In früheren Zeiten würde ich immer noch „Fräulein“ heißen. Fräulein Feinstrick, die Übriggebliebene, die keinen Mann abbekommen hat und es beruflich auch nicht weit brachte. Die man anstandshalber mit in den Urlaub nimmt, damit sie nicht immer so alleine sein muss. Mit der man sich gerne bei Familienfeiern umgibt, weil sie immer so schöne Anekdoten aus ihrem bewegten Leben erzählen kann. Die aber ansonsten niemand richtig ernst nimmt. Schließlich ist sie durch sämtliche gesellschaftliche Raster hindurchgefallen. Kein Kerl. Keine Kinder. Keine Karriere. Hinter vorgehaltener Hand tuschelt man, sie sei auch finanziell bankrott, aber das wisse man nicht so genau. Man hoffe nur, sie nicht irgendwann mit durchfüttern zu müssen. Aber man werde natürlich gegebenenfalls seine Pflicht tun, das gehöre sich schließlich so.
Jetzt frage ich mich, ob ich mir eine andere Verwandtschaft suchen oder nachsichtig sein soll, weil ich es genauso machen würde, wenn ich an deren Stelle wäre. Einfach, weil ich nicht wüsste, wie sich dieses ganz andere Leben anfühlt, und mir nicht klar wäre, dass solche unbedachten Äußerungen wie feine Nadelstiche sind. Denn das, was den anderen lustig erscheint, empfindet Fräulein Feinstrick gelegentlich als tragisch. Das hingegen, was die anderen schlimm finden, genießt der Großstadt-Single Feinstrick in vollen Zügen. Ich weiß, es ist kompliziert.
Ich werde daher wohl einfach über das Geplapper hinwegsehen, ebenso über die Nadelstiche in meinem zarten Herzelein. Stattdessen werde ich jetzt ganz fest daran glauben, dass vielleicht nicht alles, aber doch einiges ganz wunderbar wird – irgendwann in naher Ferne. Ein Anfang ist bereits gemacht. Das spüre ich.
„Das da ist meine Schwägerin. Die lebt immer noch bei ihrer Mutter und versorgt sie.“ Schneller Blick in meine Richtung: „Die ist auch so eine Übriggebliebene - wie du.“
Übriggebliebene? Ich schaue entgeistert.
„Ich wohne aber nicht zuhause und pflege niemanden.“
„Nein.“ Der Blick bleibt ungerührt. „Aber das hätte dir auch gut passieren können.“
„Wann schaffst du dir endlich einen Hund an?“ drängelt das hundenärrische Kind. „Ich weiß nicht“, sage ich unbestimmt. „Beruflich ist alles bei mir so ungewiss. Wer weiß, ob ich dauerhaft zuhause arbeite. Vielleicht fange ich ja doch wieder irgendwo fest an. Dann ist der Hund den ganzen Tag alleine.“ „Ach was“, sagt das Kind energisch, „du bist doch schon so alt. Du kriegst sowieso keinen Job mehr.“
Das Überbleibsel, das keiner mehr will und braucht. Das höchstens noch nützlich ist, wenn alle anderen keine Zeit und Lust haben. Ist es so? Bin ich zu alt? Für alles? Gescheitert auf ganzer Linie? In früheren Zeiten würde ich immer noch „Fräulein“ heißen. Fräulein Feinstrick, die Übriggebliebene, die keinen Mann abbekommen hat und es beruflich auch nicht weit brachte. Die man anstandshalber mit in den Urlaub nimmt, damit sie nicht immer so alleine sein muss. Mit der man sich gerne bei Familienfeiern umgibt, weil sie immer so schöne Anekdoten aus ihrem bewegten Leben erzählen kann. Die aber ansonsten niemand richtig ernst nimmt. Schließlich ist sie durch sämtliche gesellschaftliche Raster hindurchgefallen. Kein Kerl. Keine Kinder. Keine Karriere. Hinter vorgehaltener Hand tuschelt man, sie sei auch finanziell bankrott, aber das wisse man nicht so genau. Man hoffe nur, sie nicht irgendwann mit durchfüttern zu müssen. Aber man werde natürlich gegebenenfalls seine Pflicht tun, das gehöre sich schließlich so.
Jetzt frage ich mich, ob ich mir eine andere Verwandtschaft suchen oder nachsichtig sein soll, weil ich es genauso machen würde, wenn ich an deren Stelle wäre. Einfach, weil ich nicht wüsste, wie sich dieses ganz andere Leben anfühlt, und mir nicht klar wäre, dass solche unbedachten Äußerungen wie feine Nadelstiche sind. Denn das, was den anderen lustig erscheint, empfindet Fräulein Feinstrick gelegentlich als tragisch. Das hingegen, was die anderen schlimm finden, genießt der Großstadt-Single Feinstrick in vollen Zügen. Ich weiß, es ist kompliziert.
Ich werde daher wohl einfach über das Geplapper hinwegsehen, ebenso über die Nadelstiche in meinem zarten Herzelein. Stattdessen werde ich jetzt ganz fest daran glauben, dass vielleicht nicht alles, aber doch einiges ganz wunderbar wird – irgendwann in naher Ferne. Ein Anfang ist bereits gemacht. Das spüre ich.
Wohnzimmer - feinstrick - 17. Nov, 22:48
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