Kleiner Bruder
Wir stehen gemeinsam am Grab, und auf einmal scheint die Zeit rückwärts zu rennen, und es kommt uns so vor, als sei das alles erst gestern geschehen. Wir schlucken beide wie verrückt unsere Tränen runter, wie früher wollen wir uns nicht diese Blöße geben, einander nicht zeigen, wie schwach wir eigentlich sind. Doch wir wissen genau, wie schwer uns beiden dieser Verlust immer noch fällt, immer wieder, heute manchmal fast stärker als vor neun Jahren, weil wir erst im Laufe der Zeit gemerkt haben, was uns alles fehlt.
„Ich träume ständig von ihnen“, sagt mein Bruder.
„Ich auch.“
Wir schauen einander an, fast verlegen, verbunden in der gemeinsamen Erinnerung. In seinen Träumen werden sie immer wieder gesund, in meinen nicht. Aber in einem sind wir uns einig: Die Träume sind so real, dass wir beim Aufwachen noch die Gesichter sehen, die Stimmen hören, die Nähe spüren, so, als hätten wir die Beiden gestern erst zum letzten Mal gesehen.
Mein Bruder rennt los und kauft lauter Zeugs für das Grab. Er stellt kleine Keramikvögel auf den Grabstein, steckt bunte Käfer zwischen die Blumen und setzt eine fröhlich grinsende Schnecke in die Erde. Eigentlich passt das überhaupt nicht zu ihm. Es wirkt so kindlich. Und plötzlich sehe ich wieder den kleinen Jungen neben mir, der sich weinend an die Mama klammert, weil er nicht alleine in den Kindergarten gehen will. Ich glaube, sie fehlt ihm noch viel mehr als mir.
Dann sprechen wir über damals, diese schreckliche Zeit des Abschiednehmens, und wir halten uns dabei an den Dingen fest, die uns zornig machen. Am Schluss streiten wir uns sogar ein bisschen. So ist es leichter, den Schmerz zu ertragen.
„Schlaft schön, Mama und Papa“, sage ich leise, als wir gehen. Ich weiß nicht, ob mein Bruder es noch hört. Er eilt schon wieder los, das Handy am Ohr, zurück in die Gegenwart, die von ihm Stärke und Lebendigkeit fordert, und in der nur wenig Platz ist für den kleinen, sensiblen Jungen und seine sehnsüchtigen Erinnerungen.
„Ich träume ständig von ihnen“, sagt mein Bruder.
„Ich auch.“
Wir schauen einander an, fast verlegen, verbunden in der gemeinsamen Erinnerung. In seinen Träumen werden sie immer wieder gesund, in meinen nicht. Aber in einem sind wir uns einig: Die Träume sind so real, dass wir beim Aufwachen noch die Gesichter sehen, die Stimmen hören, die Nähe spüren, so, als hätten wir die Beiden gestern erst zum letzten Mal gesehen.
Mein Bruder rennt los und kauft lauter Zeugs für das Grab. Er stellt kleine Keramikvögel auf den Grabstein, steckt bunte Käfer zwischen die Blumen und setzt eine fröhlich grinsende Schnecke in die Erde. Eigentlich passt das überhaupt nicht zu ihm. Es wirkt so kindlich. Und plötzlich sehe ich wieder den kleinen Jungen neben mir, der sich weinend an die Mama klammert, weil er nicht alleine in den Kindergarten gehen will. Ich glaube, sie fehlt ihm noch viel mehr als mir.
Dann sprechen wir über damals, diese schreckliche Zeit des Abschiednehmens, und wir halten uns dabei an den Dingen fest, die uns zornig machen. Am Schluss streiten wir uns sogar ein bisschen. So ist es leichter, den Schmerz zu ertragen.
„Schlaft schön, Mama und Papa“, sage ich leise, als wir gehen. Ich weiß nicht, ob mein Bruder es noch hört. Er eilt schon wieder los, das Handy am Ohr, zurück in die Gegenwart, die von ihm Stärke und Lebendigkeit fordert, und in der nur wenig Platz ist für den kleinen, sensiblen Jungen und seine sehnsüchtigen Erinnerungen.
Kinderzimmer - feinstrick - 25. Apr, 10:35
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