Aus dem Leben
Das alte Paar bringt mich zum Schmunzeln. Sie ist 74, er 89 Jahre alt. Im Seniorenheim haben sie sich frisch verliebt und – geheiratet.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so glücklich sein könnte. Darauf habe ich die letzten dreißig Jahre gewartet“, sagt die strahlende Braut. Und während ihr Gatte sie küsst und ihr dabei vor laufender Kamera beherzt an die Brust greift, grübele ich noch darüber, wie traurig es ist, dass man manchmal dreißig Jahre Pech zu haben scheint – und wie wundervoll, wenn man dann im hohen Alter doch noch tiefe, innige Liebe erfahren darf.
Und dann ruft mich eine Freundin an und erzählt mir, dass ihr Schwiegervater ganz überraschend gestorben ist. Auf einmal bin ich in einem ganz anderen Film. Ich spüre, wie aufgelöst meine Freundin ist, die eine Dienstreise abgebrochen hat und nun von sonst wo nach Hause fährt. Zuhause wird sie Verzweiflung erwarten, Fassungslosigkeit, das Unvermögen, etwas Unbegreifliches zu begreifen. Sie weiß noch nicht mal, woran ihr Schwiegervater gestorben ist und ob er im Krankenhaus oder daheim liegt. Da ist nur ein dumpfer Schmerz, der Schock, der alle Beteiligten ergreift. Selbst ich spüre, wie mir kalt wird und meine Stimme anfängt zu zittern. Und während meine Freundin mich um Rat fragt, was nun zu tun sei und ich sachlich-konfuse Antworten gebe, denke ich daran, wie es sich anfühlen muss, wenn man nach über vierzig Jahren den Mann verliert.
Ich bin bestürzt, betroffen, bewegt, während sich zwischen meine nüchternen Tipps Bilder mischen, die so neu aussehen, als seien sie erst gestern entstanden. Ich sehe wieder zu, wie ein Sarg geschlossen wird, ich blättere in Katalogen von Bestattungsinstituten, ich schreibe unendlich viele Adressen auf Umschläge mit schwarzen Rändern, ich stehe an einem offenen Grab und werfe Erde hinein. Es ist bitter kalt, auch in meinem Herzen. Irgendjemand weint und ich merke erst später, dass ich das bin. Und dann esse ich belegte Brötchen und mache Scherze mit Verwandten, die mir vollkommen gleichgültig sind. Erst Tage später weine ich zum ersten Mal richtig, aus tiefster Seele, aus abgrundtiefer Einsamkeit heraus. Manchmal kommt diese tiefe Verzweiflung heute noch in mir hoch. Man hört nie auf, um Menschen zu trauern, die man geliebt hat.
Das alte, junge Ehepaar gibt im Fernsehen ein Interview. Es gehört sehr viel Lebensmut dazu, in diesem Alter noch einmal von vorne anzufangen, Enttäuschungen, Verletzungen, die Angst vor Abschied, vor Verlust, vor Tod einfach zu ignorieren. Der Bericht über die Beiden tröstet mich ein wenig. Das Leben geht weiter. Und man weiß nie, was der nächste Tag bringen wird.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so glücklich sein könnte. Darauf habe ich die letzten dreißig Jahre gewartet“, sagt die strahlende Braut. Und während ihr Gatte sie küsst und ihr dabei vor laufender Kamera beherzt an die Brust greift, grübele ich noch darüber, wie traurig es ist, dass man manchmal dreißig Jahre Pech zu haben scheint – und wie wundervoll, wenn man dann im hohen Alter doch noch tiefe, innige Liebe erfahren darf.
Und dann ruft mich eine Freundin an und erzählt mir, dass ihr Schwiegervater ganz überraschend gestorben ist. Auf einmal bin ich in einem ganz anderen Film. Ich spüre, wie aufgelöst meine Freundin ist, die eine Dienstreise abgebrochen hat und nun von sonst wo nach Hause fährt. Zuhause wird sie Verzweiflung erwarten, Fassungslosigkeit, das Unvermögen, etwas Unbegreifliches zu begreifen. Sie weiß noch nicht mal, woran ihr Schwiegervater gestorben ist und ob er im Krankenhaus oder daheim liegt. Da ist nur ein dumpfer Schmerz, der Schock, der alle Beteiligten ergreift. Selbst ich spüre, wie mir kalt wird und meine Stimme anfängt zu zittern. Und während meine Freundin mich um Rat fragt, was nun zu tun sei und ich sachlich-konfuse Antworten gebe, denke ich daran, wie es sich anfühlen muss, wenn man nach über vierzig Jahren den Mann verliert.
Ich bin bestürzt, betroffen, bewegt, während sich zwischen meine nüchternen Tipps Bilder mischen, die so neu aussehen, als seien sie erst gestern entstanden. Ich sehe wieder zu, wie ein Sarg geschlossen wird, ich blättere in Katalogen von Bestattungsinstituten, ich schreibe unendlich viele Adressen auf Umschläge mit schwarzen Rändern, ich stehe an einem offenen Grab und werfe Erde hinein. Es ist bitter kalt, auch in meinem Herzen. Irgendjemand weint und ich merke erst später, dass ich das bin. Und dann esse ich belegte Brötchen und mache Scherze mit Verwandten, die mir vollkommen gleichgültig sind. Erst Tage später weine ich zum ersten Mal richtig, aus tiefster Seele, aus abgrundtiefer Einsamkeit heraus. Manchmal kommt diese tiefe Verzweiflung heute noch in mir hoch. Man hört nie auf, um Menschen zu trauern, die man geliebt hat.
Das alte, junge Ehepaar gibt im Fernsehen ein Interview. Es gehört sehr viel Lebensmut dazu, in diesem Alter noch einmal von vorne anzufangen, Enttäuschungen, Verletzungen, die Angst vor Abschied, vor Verlust, vor Tod einfach zu ignorieren. Der Bericht über die Beiden tröstet mich ein wenig. Das Leben geht weiter. Und man weiß nie, was der nächste Tag bringen wird.
Wohnzimmer - feinstrick - 24. Sep, 22:28
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