Mittwoch, 19. Februar 2014

"Das steht mir zu!"

Ich habe eine Freundin, die sehr esoterisch ist. Sie denkt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt. Dabei geht es nicht nur um große Erfolge oder Lebensziele, sondern auch um Alltagsdinge - zum Beispiel darum, selbst in den unmöglichsten Ecken einen Parkplatz zu finden. Sie meint, es stehe ihr zu, ein gesegnetes Luxusleben einzufordern, in dem sie wie im Schlaraffenland alles erhält, was sie sich wünscht.

Bei genauer Betrachtung hat das alles jedoch überhaupt nichts mit höheren Mächten und der mentalen Beeinflussung des Universums zu tun. Vielmehr sind die Erfolge meiner Freundin das Ergebnis großer Hartnäckigkeit, die nicht selten an penetrante Aufdringlichkeit grenzt, getrieben von einem großen Vertrauen in das Gelingen des eigenen Vorhabens. Scham, dass sie zu fordernd oder aufdringlich sein könnte, kennt sie nicht. Rücksichtslosigkeit ist für sie ein Fremdwort. Und wenn etwas mal nicht hundertprozentig nach Plan lief, redet sie es sich passend. „Hey, komm, dafür, dass wir in Eimsbüttel sind, ist der Parkplatz doch super. Wir mussten nur zehn Minuten bis ins Restaurant laufen.“

Ich gestehe, dass mir diese Weltsicht nicht nur fremd ist, sie stößt mich auch ab. Was sind das für Menschen, die von einem selbsternannten Guru zum nächsten rennen, ständig von der Kraft höherer Mächte sprechen, sich stundenlang in Meditationen versenken – und im Alltag rücksichtslos und egoistisch sind? „Sorge für DICH“ bleuen die Gurus ihnen ein, und ich habe mit diesem immer mehr um sich greifenden Egoismus meine liebe Mühe.

Ich rege mich zum Beispiel in der Sauna immer wieder neu über Menschen auf, die Liegen blockieren, obwohl sie sie gar nicht benutzen. Stundenlang liegen Handtücher auf leeren Liegen, während die Leute schwimmen gehen, im Bistro sitzen, Schönheitspflege betreiben, oder, oder, oder. Derweilen irren andere Leute, die gerade aus der Sauna kommen und vielleicht einen wackeligen Kreislauf haben, suchend umher, bis sie in der letzten Ecke eventuell noch ein freies Plätzchen finden. Eventuell.

Wenn jeder nach dem Ausruhen sein Handtuch nehmen und die Liege freiräumen würde, gäbe es dieses Problem nicht. Dann wären immer genug Liegen verfügbar und die Atmosphäre wäre einladend und willkommen mit viel freiem Raum zum Wohlfühlen und Entspannen. Aber das ist natürlich ein bisschen unbequemer, weil die Liegenblockierer nicht nur ihr Handtuch auf die Liegen legen, sondern auch noch Bücher, Getränke, Essen um sich ausbreiten wie beim Picknick am Strand. Das alles ständig wieder einzusammeln, ist mühsam, klar. Aber diese winzige Mühe würde anderen Leuten das Leben erleichtern. Doch wer will das schon?

Auch meine esoterische Freundin findet so was anstrengend. Sie gehört zu den Liegenblockierern im ganz großen Stil. „Für mich ist das keine Entspannung, wenn ich keinen festen Platz habe“, sagt sie bestimmt. Natürlich, das verstehe ich. Und doch ist es rücksichtslos all jenen gegenüber, die später gekommen sind und keine Möglichkeit mehr haben, eine Liege in bevorzugter Lage zu belegen. Aus gutem Grund verbietet die Hausordnung der meisten Schwimmbäder das Blockieren der Liegen; allerdings setzten viele Bäder dieses Verbot nicht durch.

Als ich meiner Freundin entgegne, dass ich ihre Haltung egoistisch finde, starrt sie mich feindselig an. Kein: „Ich verstehe, was du meinst, aber ...“. Erst recht kein: „Du hast recht, ich habe da noch nie drüber nachgedacht.“ Nur ein böser, abwehrender Blick. Sie will nicht egoistisch genannt werden. Sie will nur eine Frau sein, mit der das Universum es immer gut meint, und die immer alles bekommt, was sie will. Zu welchem Preis, ist ihr völlig wurscht.

Fast ärgere ich mich, dass ich nicht auch so egoistisch veranlagt bin. Dann könnte ich mich sicher auch viel besser entspannen und müsste nicht solche Blogtexte schreiben.

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Igelskalar (Gast) - 19. Feb, 21:53

Wut und Unmut

Liebe Frau Feinstrick,

Ihre Wut oder ihren Unmut verstehe ich sehr gut, überfallen sie mich doch auch regelmäßig, wenn ich auf dieses immer egozentrischer werdende Verhalten vieler Menschen stoße. Sie interessieren sich selten ehrlich und wirklich für ihre Mitmenschen und versuchen meist alles um den Nachbarn, Freund, Vereins- oder Parteikollegen zu übertrumpfen. Im Berufsleben trauen sie sich jedoch selten mit dem gleichen Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl ernsthaft Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen.

Viele Grüße

Ihr Mitfühler und fleißiger Mitleser
Igelskalar

flyhigher - 20. Feb, 07:21

Ja, den Unmut über den immer größer werdenden Egoismus der Menschen kann ich nachvollziehen. Darüber diskutieren wir auch zu Hause oft. Rücksicht auf andere ist irgendwie nicht mehr "in".
Allerdings möchte ich anmerken, dass mE dieses Verhalten nicht unbedingt in Zusammenhang mit der esoterischen Haltung deiner Freundin zu sehen ist. Viele Menschen sind egoistisch, manche nur in einigen Belangen, manche Menschen sind das garnicht. und unter all diesen gibt es Esoteriker und solche, die nichts mit Esoterik anfangen können.

Im Übrigen gab es in meinem Leben auch so eine egoistische Freundin. Ich habe irgendwann erkannt, dass sie mein größter Energieräuber war. Menschen, die nur auf ihren eigenen Vorteil und ihr eigenes Wohlergehen bedacht sind, saugen sich an den Menschen fest, die etwas zu geben haben und die gerne geben. Sie nutzen das weidlich zu ihrem Vorteile aus, so lange sie können und so lange man es sich gefallen lässt. Setzt man einen Schlusspunkt, ist die Freundschaft damit auch am Ende. Logisch. Denn nun haben sie ja keinen Vorteil mehr daraus, wozu also die Freundschaft aufrecht erhalten. (Wobei das eigene Wohlergehen schon sehr wichtig ist, aber halt nicht auf Kosten anderer... aber das würde jetzt den Rahmen hier sprengen.)

Regine Heidorn (Gast) - 20. Feb, 08:42

Möglicherweise will diese Freundin nicht nur nicht egoistisch genannt werden (ja, ich habe auch die Erfahrung, dass sie nicht kritikfähig sind). Möglicherweise verachtet sie Dich insgeheim, weil Du nichts anderes kannst, als Dich beschweren. Das Universum meint es doch mit Dir auch gut, sei doch froh, dass Du noch die Liege in der Ecke bekommst, ist doch schon gut für eine von skrupellosen Egoisten bevölkerte Sauna. Unvermittelt denke ich an elitäre narzisstische Persönlichkeitsstörung. Wir sind da die Opfer, die sich halt selbst nichts wert sind.

Seit ich durch so einen Menschen mal einen psychischen Schock mit mehreren Wochen Gastritis bekam und merkte, daß diese ignoranten Dummköpfe sich ihr schlechtes Gewissen bzw die verkümmerten Reste davon schönreden, halte ich einfach nur noch meilenweit Abstand. In der Sauna allerdings habe ich auch schonmal deren Kram einfach auf den Boden gestellt und sie ignoriert, wenn sie kamen. Wenn sie sich beschwert haben, habe ich erklärt, das wäre doch noch freundlich von mir gewesen, ich hätte den Müll ja auch wegwerfen können.
Nee, ich kenne da keine Gnade mehr. Die Tante, von der ich die Gastritis hatte, hätte mich einfach mal abkratzen lassen. Einige gute Freunde haben sich um mich gekümmert, während Madame (ich nenne sie in den besseren Momenten "mein kleiner Ego-Tripper") mir in's Gesicht sagte, durch meine Schockreaktion würde sie einen hohen Preis zahlen, ich solle ihr gefälligst Glück wünschen. Das ist so widerlich.

Neoliberaler Chauvinismus mit pseudoreligiösen Phrasen getarnt, mir wird davon nur noch schlecht. Aber das Universum meint es sicher gut mit mir, dass ich solche Idioten mittlerweile fix erkenne und Abstand halten kann. Ist doch super, dass ich ihnen auch mal die Stirn bieten kann und weiss, dass es wichtig ist, ihnen Selbstverständlichkeiten in Rechnung zu stellen - die sind nämlich nicht gottgegeben, sondern werden von anderen Mitmenschen geleistet und mir steht es zu, für das, was ich zu geben habe, gewürdigt zu werden. So ist die Welt nämlich und ich habe das verdient, bin ja kein Opfer.

Sarkasmus Ende, Tschuldigung, konnte nicht widerstehen ...

feinstrick - 20. Feb, 09:46

Wie ich sehe, stehe ich nicht alleine da mit meiner Wahrnehmung. Danke für Eure ergänzenden Gedanken!

@flyhigher: Nein, natürlich kann man Egoismus nicht nur bei Esoterikern ausmachen. Ich finde die Mischung hier nur besonders fatal: Auf der einen Seite sind diese Leute auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach spiritueller Erleuchtung und Weisheit. Auf der anderen Seite sind gerade sie oft alles andere als weise, sondern besonders rücksichtslos. Das passt für mich nicht zusammen.

@Regine: Ich nehme dich zu meinem nächsten Saunabesuch mit und lasse mir von dir den Weg freikämpfen. ;-)

Und ja, sich von solchen Menschen abzugrenzen, ist auf jeden Fall klug. Ich bin in Bezug auf diese Freundin jedenfalls schon seit geraumer Zeit sehr auf der Hut.

Regine Heidorn (Gast) - 20. Feb, 10:26

Hehehe, ja, wir hätten sicher viel Spaß :D
Der_Eisenschmyd - 20. Feb, 10:48

Man kann Leute wie die genannte Freundin auch ganz einfach mit einem Wort benennen.

Im wahren Wortsinn A-Soziale.

Bezüglich der Sauna und den Handtüchern:

Dieses Revierverhalten findet man auch auf Autowaschplätzen mit SB Waschboxen.
Jemand fährt in eine Waschbox, holt alle Fußmatten aus dem Auto und legt diese als Markierung an einen freien Saugplatz.
Und dann wäscht er erst mal 20min sein Auto und wenn es ein anderer wagt, "seinen" Saugplatz in der Zeit zu nutzen gibts mächtig Ärger. Teilweise auch handgreiflichkeiten.

feinstrick - 20. Feb, 20:11

Autowaschplätze? Die Leute kommen auf Ideen ... meine Güte.
kid37 - 20. Feb, 19:42

Als Esoteriker öffentliche Liegen in Schwimmbädern zu blockieren fällt aber unter praktizierter Satanismus.

rosmarin - 20. Feb, 20:03

:-) kreiiiiiiiiiiiiiiiiisch.... ja genau..... *gacker*
feinstrick - 20. Feb, 20:10

Haha! Manchmal wünschte ich, ich hätte hier in den Kommentaren so einen riesigen, blinkenden "Groooßartig!!!"-Button.
kittykoma - 21. Feb, 11:21

Es ist ja eigentlich schon alles gesagt und in befreiendes Lachen aufgelöst. Aber ich würde zu Ergänzung das Wort Korrektiv einwerfen. Das von mir missbilligte Verhalten anderer ändert sich erst, wenn ich mein Verhalten ändere.
Meinen Platz merklich beanspruche und mir nicht nur wünsche, der andere würde ihn freimachen oder der Meinung bin, das gehöre sich nicht. Wir haben viele Formen, Normen und Korrektive abgelegt um nennen das individuelle Freiheit. Jedesmal zu checken, wem man da grade auf den Schlips stehen könnte (nennt sich Achtsamkeit und wird in Seminaren vermittelt) ist auch ziemlich anstrengend, deshalb mag ich es konservativ-formeller, vulgo Höflich.
Gerade solche Erleuchteten setzen sich ungern auseinander und kuschen sehr gut vor Präsenz. Sonst wären sie nicht so autoritätsgläubig, mit Guru und Universumschef und dem ganzen Gedöns.
Solchen Leuten muss man immer mal gepflegt vor den Koffer sch..., sonst glauben die wirklich dran.

Andererseits ist es nachdenkenswert, warum man sich mit solchen Leuten abgibt. Ich erwische mich immer mal dabei, dass ich solche Chuzpe bewundere und in deren Fahrwasser ganz bequem mitsurfen kann. -Solange, wie mich dieser Egoismus nicht selbst trifft. Aber da habe ich gelernt, mich abzugrenzen.

perlentaucherin - 10. Mär, 11:22

mich irritiert nur, dass du sie trotzdem zu deinen freunden zählst...

steppenhund - 1. Apr, 09:57

Ich versteh zwar das Beispiel mit der Sauna, doch bei uns wäre das irrelevant. Jeder besetzt, doch es sind so viele Liegen, dass es immer noch einen Platz gibt. Und in der Saunakammer selbst wird höflichst Platz gemacht, wenn z.B. zuerst einer liegt und sich die Sauna dann bei bevorstehendem Aufguss langsam füllt.
Als Jahreskartenbesitzer kann ich da schon meine persönlichen Statistiken anstellen.
Aber das Verhalten selbst gibt es in vielen Formen. Sehr schön auch an den Badeorten bemerkbar. Früher hatte ich gedacht, dass es eine besondere Verhaltensweise der Deutschen und der Wiener (nicht aller Österreicher ist), doch die Russen können das in Montenegro auch.
Vielleicht ist das der "Zeitgeist" :)

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