Zufall
Zufall ist, wenn einem zufällt, was man gerade braucht.
Wenn man bedenkt, wie lange ich mit mir rang, ob und wenn ja, wo und wann und wie ich diesen Urlaub machen sollte, dann ist es schon erstaunlich, dass ich am Ende haargenau den richtigen Ort und Zeitpunkt ausgewählt habe. Zufall? Wie immer man es nennen mag, es war jedenfalls großartig.
Vor der Abreise erhielt ich noch wohlmeinende Ratschläge, mit welcher Lektüre ich wohl am besten einen Mann angeln könnte. Man riet mir, für jeden Typ Mann etwas parat zu haben: Wittgenstein, die FAZ, die Times, einen Krimi, Irvin Yalom – doch bei Letzterem zögerte ich: Würde ich damit nicht nur Lehrer und Möchtegern-Psychologen anziehen, Berufsgruppen, um die ich gerne einen großen Bogen mache? Trotzdem packte ich den Yalom ein. Und was soll ich sagen? Ich angelte mir mit ihm – eine Frau.
Zum ersten Mal begegneten wir uns bibbernd auf dem Weg in die Sauna, weil es an den ersten Tagen doch etwas kühl und wir noch gar nicht entspannt und aufgewärmt waren. Am nächsten Tag gab es ein paar Verwirrungen beim Frühstück. Ein Herr hatte sich im Tisch geirrt und sich bei mir niedergelassen, statt bei seiner Gattin nebenan. „Ich sah nur die rote Jacke“, entschuldigte er sich mit Blick auf meine Jacke, die über der Stuhllehne hing, während ich mich am Buffet bediente. Am Stuhl seiner Frau hing ebenfalls eine rote Jacke. Kurz darauf schob der Mann ein Buch von seinem auf meinen Tisch: „Das gehört wohl Ihnen“, sagte er. Verwundert schaute ich auf den Titel - „Irvin Yalom – Die Liebe und ihr Henker“ – und schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht mein Buch. Ratlos blickten wir uns an. So was! Kurz darauf erschien die Frau aus der Sauna auf der Bildfläche und griff nach dem Buch. Auch sie hatte meine rote Jacke mit der roten Jacke der anderen Frau verwechselt und sich an deren Tisch niedergelassen, in der Hoffnung, mich dort anzutreffen.
Das war übrigens nicht das einzige Mal, dass ich erlebte, wie Leute sich in den Tischen irrten. Einmal gestand mir eine Frau, die sich am Tisch eines Fremden niedergelassen hatte, den sie für ihren Mann hielt: „Ich habe mich fürchterlich erschrocken, als ich genauer hinsah.“ Nun, ich erschrak nicht bei all dem Kuddelmuddel, sondern amüsierte mich prächtig. Und die Frau mit ihrem Yalom wurde mir zu einer wunderbaren Begleitung für den Rest meines Urlaubs. Nachdem wir merkten, dass wir uns voreinander so überhaupt gar nicht verstellen mussten, packten wir übrigens beide die Therapeuten-Bücher ebenso wie die Klamotten weg, legten uns nackt nebeneinander an den Strand und holten die leichtere Lektüre hervor. Wir ließen die Sonne bis in unsere Seelen kriechen, schwammen im Meer, kämpften uns über Klippen und steinige Wege zu einsamen Buchten und schlugen uns erfolgreich in der Schlacht am Buffet. Wir lachten und weinten gemeinsam Tränen und staunten immer wieder neu über all die Parallelen in unseren Lebensgeschichten. Das gab’s doch gar nicht!

Ebenso unglaublich und geradezu unwirklich fand ich es, aus dem tiefsten Winter in die frühlingshaft-sommerliche Sonne zu geraten. Abflug bei Schneesturm:

Wenige Stunden später sah es dann so aus:

Als ich nach Hause zurückkehrte, war ich direkt verwundert, dass hier nicht auch alles grünte und blühte, sondern es noch genauso aussah wie vor einer Woche. Wie deprimierend! Aber die Woche Wärme und Licht tat mir gut. Dabei gab es keineswegs nur schöne Tage, sondern war anfangs recht stürmisch.

Und die Männer? Ach, die Männer. Was soll ich sagen? Da war zum Beispiel jener Kellner, der auf äußerst plumpe und ungeschickte Weise immer wieder neu versuchte, sich mit mir zu verabreden. Von südländischem Charme hatte er wohl noch nie etwas gehört. Oder jene beiden Mannsbilder in bestem Alter, die sich einbildeten, dass sie gemeinsam alle Frauen kriegen konnten. Alles Weibliche unter Fünfzig wurde von ihnen auf so penetrante Weise angebaggert, dass ich schnell das Interesse verlor. Jäger ohne Witz und Hirn sind nicht so mein Fall. Und schließlich war da noch jener Herr, dem ich samt Gattin in der Sauna begegnete. Kaum hatte sie den Raum verlassen, fing er an, auf mich einzureden und verfolgte mich sogar bis in die Dusche. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie solche Männer sich benehmen, wenn ihre Frauen sich nicht nur nebenan, sondern deutlich weiter weg befinden. So fuhr ich also solo wieder heim. Ob’s an der falschen Lektüre lag? Hätte ich doch besser die Times …? Wer weiß.
Wenn man bedenkt, wie lange ich mit mir rang, ob und wenn ja, wo und wann und wie ich diesen Urlaub machen sollte, dann ist es schon erstaunlich, dass ich am Ende haargenau den richtigen Ort und Zeitpunkt ausgewählt habe. Zufall? Wie immer man es nennen mag, es war jedenfalls großartig.
Vor der Abreise erhielt ich noch wohlmeinende Ratschläge, mit welcher Lektüre ich wohl am besten einen Mann angeln könnte. Man riet mir, für jeden Typ Mann etwas parat zu haben: Wittgenstein, die FAZ, die Times, einen Krimi, Irvin Yalom – doch bei Letzterem zögerte ich: Würde ich damit nicht nur Lehrer und Möchtegern-Psychologen anziehen, Berufsgruppen, um die ich gerne einen großen Bogen mache? Trotzdem packte ich den Yalom ein. Und was soll ich sagen? Ich angelte mir mit ihm – eine Frau.
Zum ersten Mal begegneten wir uns bibbernd auf dem Weg in die Sauna, weil es an den ersten Tagen doch etwas kühl und wir noch gar nicht entspannt und aufgewärmt waren. Am nächsten Tag gab es ein paar Verwirrungen beim Frühstück. Ein Herr hatte sich im Tisch geirrt und sich bei mir niedergelassen, statt bei seiner Gattin nebenan. „Ich sah nur die rote Jacke“, entschuldigte er sich mit Blick auf meine Jacke, die über der Stuhllehne hing, während ich mich am Buffet bediente. Am Stuhl seiner Frau hing ebenfalls eine rote Jacke. Kurz darauf schob der Mann ein Buch von seinem auf meinen Tisch: „Das gehört wohl Ihnen“, sagte er. Verwundert schaute ich auf den Titel - „Irvin Yalom – Die Liebe und ihr Henker“ – und schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht mein Buch. Ratlos blickten wir uns an. So was! Kurz darauf erschien die Frau aus der Sauna auf der Bildfläche und griff nach dem Buch. Auch sie hatte meine rote Jacke mit der roten Jacke der anderen Frau verwechselt und sich an deren Tisch niedergelassen, in der Hoffnung, mich dort anzutreffen.
Das war übrigens nicht das einzige Mal, dass ich erlebte, wie Leute sich in den Tischen irrten. Einmal gestand mir eine Frau, die sich am Tisch eines Fremden niedergelassen hatte, den sie für ihren Mann hielt: „Ich habe mich fürchterlich erschrocken, als ich genauer hinsah.“ Nun, ich erschrak nicht bei all dem Kuddelmuddel, sondern amüsierte mich prächtig. Und die Frau mit ihrem Yalom wurde mir zu einer wunderbaren Begleitung für den Rest meines Urlaubs. Nachdem wir merkten, dass wir uns voreinander so überhaupt gar nicht verstellen mussten, packten wir übrigens beide die Therapeuten-Bücher ebenso wie die Klamotten weg, legten uns nackt nebeneinander an den Strand und holten die leichtere Lektüre hervor. Wir ließen die Sonne bis in unsere Seelen kriechen, schwammen im Meer, kämpften uns über Klippen und steinige Wege zu einsamen Buchten und schlugen uns erfolgreich in der Schlacht am Buffet. Wir lachten und weinten gemeinsam Tränen und staunten immer wieder neu über all die Parallelen in unseren Lebensgeschichten. Das gab’s doch gar nicht!

Ebenso unglaublich und geradezu unwirklich fand ich es, aus dem tiefsten Winter in die frühlingshaft-sommerliche Sonne zu geraten. Abflug bei Schneesturm:

Wenige Stunden später sah es dann so aus:

Als ich nach Hause zurückkehrte, war ich direkt verwundert, dass hier nicht auch alles grünte und blühte, sondern es noch genauso aussah wie vor einer Woche. Wie deprimierend! Aber die Woche Wärme und Licht tat mir gut. Dabei gab es keineswegs nur schöne Tage, sondern war anfangs recht stürmisch.

Und die Männer? Ach, die Männer. Was soll ich sagen? Da war zum Beispiel jener Kellner, der auf äußerst plumpe und ungeschickte Weise immer wieder neu versuchte, sich mit mir zu verabreden. Von südländischem Charme hatte er wohl noch nie etwas gehört. Oder jene beiden Mannsbilder in bestem Alter, die sich einbildeten, dass sie gemeinsam alle Frauen kriegen konnten. Alles Weibliche unter Fünfzig wurde von ihnen auf so penetrante Weise angebaggert, dass ich schnell das Interesse verlor. Jäger ohne Witz und Hirn sind nicht so mein Fall. Und schließlich war da noch jener Herr, dem ich samt Gattin in der Sauna begegnete. Kaum hatte sie den Raum verlassen, fing er an, auf mich einzureden und verfolgte mich sogar bis in die Dusche. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie solche Männer sich benehmen, wenn ihre Frauen sich nicht nur nebenan, sondern deutlich weiter weg befinden. So fuhr ich also solo wieder heim. Ob’s an der falschen Lektüre lag? Hätte ich doch besser die Times …? Wer weiß.
Unterwegs - feinstrick - 7. Feb, 19:19
13 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
testsiegerin - 7. Feb, 20:01
das klingt wunderbar.
feinstrick - 7. Feb, 20:03
Das WAR wunderbar. Nur leider viiieeeel zu kurz.
flying turtle (Gast) - 8. Feb, 19:41
Ach cool! Daran wir noch oft gedacht werden in den nächsten Wochen!
feinstrick - 8. Feb, 20:47
Ganz sicher! Das trägt mich ein Stück weit vorwärts.
wasserfrau - 9. Feb, 13:01
ein toller bericht!!!
und wo war das jetzt? kanaren? ich bin soooo neugierig.
und wo war das jetzt? kanaren? ich bin soooo neugierig.
feinstrick - 9. Feb, 21:07
Ja, genau. Auf der Insel mit den schönsten Stränden. :-)
wasserfrau - 9. Feb, 23:44
und das ist??? da kenne ich nur gerüchte, die, ach lassen sie mich überlegen, vielleicht auf fuerteventura hindeuten?!
ich persönlich habe ja eine sehnsuchtsbrücke nach lanzarote, aber es wäre vermessen dort die schönsten strände zu behaupten.
ich persönlich habe ja eine sehnsuchtsbrücke nach lanzarote, aber es wäre vermessen dort die schönsten strände zu behaupten.
feinstrick - 10. Feb, 09:50
Genau. Die anderen Inseln haben sicher auch ihre Reize, aber wenn man Ruhe liebt und gerne lange Strandspaziergänge zu relativ leeren ("einsamen" zu schreiben wäre doch nicht so ganz angebracht), kleinen Buchten macht, dann ist man auf Fuerteventura richtig. ;-)
wasserfrau - 10. Feb, 21:44
mhm... vielleicht sollte ich das auch mal probieren. aber derzeit will kein urlaub auf mich zufallen. doch diese strandkneipe sieht einfach bezaubernd aus.
rosmarin - 11. Feb, 00:50
ach liebe frau feinstrick, welch vortreffliches textchen... und die entspannung macht sich beim lesen breit, fast so..... als käme etwas kanarische sonne durch den bildschirm geschlichen, um seelchen aufzuhellen.
feinstrick - 11. Feb, 09:45
Ich trage die kanarische Sonne auch immer noch in mir. Jedenfalls friere ich kein bisschen mehr, trotz frostiger Temperaturen da draußen. Ich gebe Ihnen gerne ein bisschen davon ab, denn Seelchenaufhellungen können Sie ja momentan ganz besonders gut gebrauchen.
Michael (Gast) - 16. Feb, 10:07
Das Leben liebt Überraschungen! Wenn Du gar nicht daran denkst, dann wird der "Richtige" schon plötzlich in Deinem Leben sein. Ich habe "nur" neue Bekannte in meiner Wahlheimat gesucht und dann war plötzlich "SIE" da. Du hast nach einem Mann Ausschau gehalten und hast aber eine neue Freundin gefunden. Das Leben mag sowas :-)
feinstrick - 21. Feb, 18:56
Das stimmt. Meistens kriegen wir genau das, was wir gerade nicht erwarten. Und dann ist es trotzdem immer gut und richtig. Ich denke ehrlich gesagt momentan kaum an "den Richtigen". Vielleicht ist das ja eine gute Voraussetzung.
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