Alte Bäume
Ich bin es ja eigentlich gewohnt, belogen zu werden. Von der Werbung, von Politikern, von Männern. Und von den Meteorologen. Darum war ich gestern auch sehr überrascht, als der Radiosprecher verkündete: „Es folgt nun eine langanhaltende Phase mit“ – dramatische Pause – „sehr viel Regen und Kälte.“ Diese Nachricht erzeugte bei mir Beklemmungen, denn wenn schon in den Nachrichten verkündet wird, dass es sehr lange schlechtes Wetter geben wird, dann kann man eigentlich von einem Weltuntergangsszenario mit jahrelangem Dauerregen ausgehen.
Ich beschloss daher, den letzten Tag, an dem ich noch mal das Sonnenlicht sehen könnte, richtig zu genießen. Hausputz und Schreibtisch mussten warten, stattdessen packte ich einen Picknickkorb und verstaute ihn zusammen mit einer Decke auf meinem Fahrradgepäckträger. Ich radelte durch die schicken Villenvororte an der Elbe in meinen Lieblingspark, brutzelte erst eine Weile in der Sonne und suchte mir dann ein schattiges Plätzchen unter einer großen, alten Eiche. Ich lag im Bikini auf meiner Decke, beobachtete aus schläfrigen Augen Kinder beim Fußballspielen, Liebespaare, die eng umschlungen in der Sonne lagen und ältere Damen, die sich trotz Gehbehinderung langsam quer durch die Wiesen bewegten. Wie aus dem Nichts tauchten am blassblauen Himmel auf einmal zwei Fallschirmspringer auf, die langsam zur Erde herabsegelten und dann irgendwo hinter den Bäumen am Horizont verschwanden.
Es war ein wundervoll friedlicher Sonntagnachmittag, und auch ohne die apokalyptische Wettervorhersage hätte ich dieses Gefühl von Abschied verspürt, diese Ahnung, dass ich wohl das letzte Mal in diesem Jahr die Wärme der Sonne auf meiner nackten Haut fühlte, dass ich noch einmal die Leichtigkeit des Sommers atmen konnte, bevor er dem Herbst Platz machen würde.
Ich rollte auf den Rücken und schaute hinauf in das dichte Blattwerk der Eiche. Ihr hohler Stamm wurde mit Eisenstangen gestützt und schimmerte stellenweise in einem eigentümlich phosphoreszierenden Blassgrün. Oben in der Baumkrone ließen sich direkt über mir ein paar Krähen nieder und ich dachte, dass es ausgesprochen ungünstig sei, wenn eine von ihnen gerade jetzt das Bedürfnis verspüren würde, zu verdauen. Ich fragte mich, wie lange dieser Baum wohl schon hier stand, zusammen mit den anderen großen, alten Bäumen, wie viele Menschen schon in seinem Schatten gelagert hatten, was er dabei alles gesehen und gehört hatte.
Und ich dachte an einen eigentümlichen Traum, den ich in der Nacht zuvor gehabt hatte. Darin wurden vor meinem Haus mehrere große, alte Bäume gefällt. Ich war entsetzt und wütend. Man konnte doch nicht einfach diese schönen alten Bäume fällen, was fiel denen denn ein? Es war mir egal, dass es nun viel heller und sonniger in meiner Wohnung war, dafür blickte ich jetzt nämlich auch auf ein paar seltsam verbaute, hässliche Häuser, die vorher von den Bäumen schön verdeckt worden waren. Ich ging hinunter auf die Straße und schaute mir das Spektakel aus der Nähe an. Die Baumstämme hatten die Arbeiter in rund zwei Metern Höhe stehen lassen. Wie Mahnmahle ragten sie nun in den Himmel. Etliche der alten Stämme waren innen hohl und sahen bei näherem Betrachten gar nicht mehr so standfest aus wie ich gedacht hatte. Von den gefällten Überresten konnte man sich Rindenskulpturen als Andenken mitnehmen, doch mich interessierte das nicht. Ich wollte diese Bäume ganz haben oder gar nicht.
Ein braunes, trockenes Eichenblatt wurde vom sanften Sommerwind auf meine Picknickdecke geweht. In meinen Träumen waren Bäume gefällt worden, Symbole für alte, tief verwurzelte Ansichten, Gefühle, Erinnerungen, Ereignisse. Ich nahm das trockene Eichenblatt in die Hand, dachte an die Fallschirmspringer von vorhin und fragte mich, was eigentlich mehr Mut erfordert: In ein paar tausend Metern Höhe aus einem Flugzeug zu springen oder alte Bäume zu fällen. Dann stand ich auf, packte meine Sachen ein und radelte nach Hause, dem Herbst entgegen.
Ich beschloss daher, den letzten Tag, an dem ich noch mal das Sonnenlicht sehen könnte, richtig zu genießen. Hausputz und Schreibtisch mussten warten, stattdessen packte ich einen Picknickkorb und verstaute ihn zusammen mit einer Decke auf meinem Fahrradgepäckträger. Ich radelte durch die schicken Villenvororte an der Elbe in meinen Lieblingspark, brutzelte erst eine Weile in der Sonne und suchte mir dann ein schattiges Plätzchen unter einer großen, alten Eiche. Ich lag im Bikini auf meiner Decke, beobachtete aus schläfrigen Augen Kinder beim Fußballspielen, Liebespaare, die eng umschlungen in der Sonne lagen und ältere Damen, die sich trotz Gehbehinderung langsam quer durch die Wiesen bewegten. Wie aus dem Nichts tauchten am blassblauen Himmel auf einmal zwei Fallschirmspringer auf, die langsam zur Erde herabsegelten und dann irgendwo hinter den Bäumen am Horizont verschwanden.
Es war ein wundervoll friedlicher Sonntagnachmittag, und auch ohne die apokalyptische Wettervorhersage hätte ich dieses Gefühl von Abschied verspürt, diese Ahnung, dass ich wohl das letzte Mal in diesem Jahr die Wärme der Sonne auf meiner nackten Haut fühlte, dass ich noch einmal die Leichtigkeit des Sommers atmen konnte, bevor er dem Herbst Platz machen würde.
Ich rollte auf den Rücken und schaute hinauf in das dichte Blattwerk der Eiche. Ihr hohler Stamm wurde mit Eisenstangen gestützt und schimmerte stellenweise in einem eigentümlich phosphoreszierenden Blassgrün. Oben in der Baumkrone ließen sich direkt über mir ein paar Krähen nieder und ich dachte, dass es ausgesprochen ungünstig sei, wenn eine von ihnen gerade jetzt das Bedürfnis verspüren würde, zu verdauen. Ich fragte mich, wie lange dieser Baum wohl schon hier stand, zusammen mit den anderen großen, alten Bäumen, wie viele Menschen schon in seinem Schatten gelagert hatten, was er dabei alles gesehen und gehört hatte.
Und ich dachte an einen eigentümlichen Traum, den ich in der Nacht zuvor gehabt hatte. Darin wurden vor meinem Haus mehrere große, alte Bäume gefällt. Ich war entsetzt und wütend. Man konnte doch nicht einfach diese schönen alten Bäume fällen, was fiel denen denn ein? Es war mir egal, dass es nun viel heller und sonniger in meiner Wohnung war, dafür blickte ich jetzt nämlich auch auf ein paar seltsam verbaute, hässliche Häuser, die vorher von den Bäumen schön verdeckt worden waren. Ich ging hinunter auf die Straße und schaute mir das Spektakel aus der Nähe an. Die Baumstämme hatten die Arbeiter in rund zwei Metern Höhe stehen lassen. Wie Mahnmahle ragten sie nun in den Himmel. Etliche der alten Stämme waren innen hohl und sahen bei näherem Betrachten gar nicht mehr so standfest aus wie ich gedacht hatte. Von den gefällten Überresten konnte man sich Rindenskulpturen als Andenken mitnehmen, doch mich interessierte das nicht. Ich wollte diese Bäume ganz haben oder gar nicht.
Ein braunes, trockenes Eichenblatt wurde vom sanften Sommerwind auf meine Picknickdecke geweht. In meinen Träumen waren Bäume gefällt worden, Symbole für alte, tief verwurzelte Ansichten, Gefühle, Erinnerungen, Ereignisse. Ich nahm das trockene Eichenblatt in die Hand, dachte an die Fallschirmspringer von vorhin und fragte mich, was eigentlich mehr Mut erfordert: In ein paar tausend Metern Höhe aus einem Flugzeug zu springen oder alte Bäume zu fällen. Dann stand ich auf, packte meine Sachen ein und radelte nach Hause, dem Herbst entgegen.
Unterwegs - feinstrick - 1. Sep, 10:42
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
rosmarin (Gast) - 1. Sep, 11:40
sehr stimmungsvoll.
so ein schöner herbsttext und so ein prima filmemacher im kopf, der den schein feststehender eichen wunderbar belüftet.
so ein schöner herbsttext und so ein prima filmemacher im kopf, der den schein feststehender eichen wunderbar belüftet.
feinstrick - 2. Sep, 08:30
Ach ja, der schöne Schein... :-)
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