Umnebelt
Ich stehe auf dem Friedhof. Wohlweislich gehe ich nicht am Sonntag, wenn die ganzen Familien kommen und Tannengestecke auf die Gräber ihrer Lieben legen. Ich gehe einen Tag früher, da treffe ich nur Leute, die genauso allein und verloren wirken wie ich. Keine Ahnung, warum ich neuerdings immer heulen muss, wenn ich da so einsam am Grab stehe. Das war doch früher nicht so. Aber der Verlust wiegt mit den Jahren immer schwerer, weil ich erst jetzt begreife, was meine Eltern alles verpassen – und wir Hiergebliebenen auch.
Die Freundin, die später anruft und sich spontan mit mir verabredet, schickt der Himmel. Mir ist jetzt jede Ablenkung willkommen! Wir gehen aufs Schiff und schippern bei fröhlicher Partymusik die Elbe rauf und runter. Eine dichte Nebelwand zieht auf, die Sicht wird immer spärlicher, Hafen und Speicherstadt wirken geradezu mystisch. „Jetzt fehlen bloß noch die Untoten“, sagt meine Freundin mit Blick auf die Schiffe, die im Hafen festgemacht haben und gespenstisch vom Nebel umhüllt werden. Passanten stehen wie erstarrt am Kai und heben sich als schwarze Scherenschnitte von den hell erleuchteten Häusern dahinter ab. Wir starren ins schwarze Wasser hinab und warten förmlich darauf, dass plötzlich eine weiße Hand daraus auftaucht.
Leider sind wir nicht allein. Mit an Bord: eine Gruppe Herren aus dem Hamburger Umland, die einen Junggesellenabschied feiern. Anfangs finde ich sie noch ganz amüsant – bis sie extrem plumpe Annäherungsversuche bei uns Frauen starten. Die Männer sind alle schon nicht mehr ganz nüchtern – dabei hat der Abend gerade erst angefangen. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann sind es angetrunkene fremde Kerle. Einer von ihnen zwängt sich zwischen meine Freundin und mich, geht schnell auf Tuchfühlung. Ich bügele ihn mit einer eisigen Bemerkung ab. Meine Freundin hingegen – bügelt mich ab. Sie lässt sich von dem Mann in eine Unterhaltung verwickeln. Ich höre kaum, was sie sagen, weil die Musik zu laut ist. Doch ich sehe, wie sie immer dichter zusammenrücken und lauthals lachen. Verständnislos starre ich hinüber und beschließe dann, einfach die wunderbare Aussicht auf die beleuchtete Speicherstadt zu genießen und alles andere im Nebel versinken zu lassen.
Später, nachdem die Junggesellen das Boot verlassen haben, entschuldigt sich meine Freundin. Sie habe momentan so viel Stress in der Arbeit und hätte einfach das dringende Bedürfnis verspürt, mal ein paar total banale Augenblicke erleben zu dürfen. Ich kann sie verstehen. Und frage mich sogar, warum ich nicht einfach mitalbern konnte. Es hätte die vergangene halbe Stunde deutlich unterhaltsamer gestaltet. Aber, wie gesagt, bei betrunkenen Fremden gehen bei mir sämtliche Jalousien runter. Versöhnlich stehen meine Freundin und ich den Rest der Fahrt nebeneinander. Wir sprechen über das Leben und den Tod. Über zerplatzte Träume, falsche Hoffnungen und die Liebe, die sich manchmal, vielleicht, doch noch dazwischen schleicht. Und wir schauen stumm hinaus auf den Nebel, der sich immer tiefer auf die Stadt herabsenkt und allen Schmutz, alle Enttäuschungen und falschen Sehnsüchte, Einsamkeiten und Verluste sanft bedeckt.
Die Freundin, die später anruft und sich spontan mit mir verabredet, schickt der Himmel. Mir ist jetzt jede Ablenkung willkommen! Wir gehen aufs Schiff und schippern bei fröhlicher Partymusik die Elbe rauf und runter. Eine dichte Nebelwand zieht auf, die Sicht wird immer spärlicher, Hafen und Speicherstadt wirken geradezu mystisch. „Jetzt fehlen bloß noch die Untoten“, sagt meine Freundin mit Blick auf die Schiffe, die im Hafen festgemacht haben und gespenstisch vom Nebel umhüllt werden. Passanten stehen wie erstarrt am Kai und heben sich als schwarze Scherenschnitte von den hell erleuchteten Häusern dahinter ab. Wir starren ins schwarze Wasser hinab und warten förmlich darauf, dass plötzlich eine weiße Hand daraus auftaucht.
Leider sind wir nicht allein. Mit an Bord: eine Gruppe Herren aus dem Hamburger Umland, die einen Junggesellenabschied feiern. Anfangs finde ich sie noch ganz amüsant – bis sie extrem plumpe Annäherungsversuche bei uns Frauen starten. Die Männer sind alle schon nicht mehr ganz nüchtern – dabei hat der Abend gerade erst angefangen. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann sind es angetrunkene fremde Kerle. Einer von ihnen zwängt sich zwischen meine Freundin und mich, geht schnell auf Tuchfühlung. Ich bügele ihn mit einer eisigen Bemerkung ab. Meine Freundin hingegen – bügelt mich ab. Sie lässt sich von dem Mann in eine Unterhaltung verwickeln. Ich höre kaum, was sie sagen, weil die Musik zu laut ist. Doch ich sehe, wie sie immer dichter zusammenrücken und lauthals lachen. Verständnislos starre ich hinüber und beschließe dann, einfach die wunderbare Aussicht auf die beleuchtete Speicherstadt zu genießen und alles andere im Nebel versinken zu lassen.
Später, nachdem die Junggesellen das Boot verlassen haben, entschuldigt sich meine Freundin. Sie habe momentan so viel Stress in der Arbeit und hätte einfach das dringende Bedürfnis verspürt, mal ein paar total banale Augenblicke erleben zu dürfen. Ich kann sie verstehen. Und frage mich sogar, warum ich nicht einfach mitalbern konnte. Es hätte die vergangene halbe Stunde deutlich unterhaltsamer gestaltet. Aber, wie gesagt, bei betrunkenen Fremden gehen bei mir sämtliche Jalousien runter. Versöhnlich stehen meine Freundin und ich den Rest der Fahrt nebeneinander. Wir sprechen über das Leben und den Tod. Über zerplatzte Träume, falsche Hoffnungen und die Liebe, die sich manchmal, vielleicht, doch noch dazwischen schleicht. Und wir schauen stumm hinaus auf den Nebel, der sich immer tiefer auf die Stadt herabsenkt und allen Schmutz, alle Enttäuschungen und falschen Sehnsüchte, Einsamkeiten und Verluste sanft bedeckt.
Unterwegs - feinstrick - 20. Nov, 22:41
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