Gedankenkino
Der Mann stand mir mit seinem Einkaufswagen im Weg. Als er zur Seite treten musste, schaute er unfreundlich. Er war recht klein, schätzungsweise um die sechzig, mit grauen Haaren, die sich nur am Hinterkopf etwas lichteten und im Nacken eine Spur zu lang waren. In seinem langen, grauen Wollmantel und der schwarzen Hose darunter wirkte er unauffällig, wie ein mürrischer älterer Mann eben, der einkaufen geht und von der Welt in Ruhe gelassen werden will.
An der Kasse stand ich zufällig direkt hinter dem Mann. Und da sah ich, dass er im linken Ohrläppchen zwei Ohrstecker trug und im rechten einen. Ich konnte nicht genau erkennen, ob die kleinen Steine, die in den Fassungen blitzten, echte Brillianten oder nur billiges Plastik waren. Aber ich war erstaunt und musterte den Mann nun eingehend. Die in Form rasierten und leicht angemalten Augenbrauen, die sonore, wohl artikulierte Stimme, die ausgesuchte Höflichkeit, mit der er mit der Kassiererin sprach, erzeugten auf einmal ein ganz anderes Bild in mir. Schlagartig stellte ich mir vor, wie der Mann Strapse unter seinem unauffälligen Wollmantel trug, wie er in Frauenkleidern und mit Perücke auf dem Kopf wilde Orgien feierte, wie er auf allen Vieren auf dem Fußboden kroch und es sich von einem anderen Kerl besorgen ließ.
Ich staunte, was die Entdeckung von ein paar kleinen Ohrringen an der falschen Person auslösen kann. Fast schämte ich mich dafür, dass ich den Mann alleine durch sein äußeres Auftreten nun schon wieder in eine Schublade befördert hatte, die ihm vielleicht gar nicht gerecht wurde. Und ich fragte mich, was er wohl umgekehrt in mir sah, wie ich auf ihn wirkte, ob er mich auch in eine Schublade gequetscht hatte, in die ich gar nicht reinpasste. Aber vielleicht hatte er mich überhaupt nicht wahrgenommen. So wenig, wie ich ihn wahrgenommen hätte, wenn ich die kleinen Ohrringe nicht entdeckt hätte.
An der Kasse stand ich zufällig direkt hinter dem Mann. Und da sah ich, dass er im linken Ohrläppchen zwei Ohrstecker trug und im rechten einen. Ich konnte nicht genau erkennen, ob die kleinen Steine, die in den Fassungen blitzten, echte Brillianten oder nur billiges Plastik waren. Aber ich war erstaunt und musterte den Mann nun eingehend. Die in Form rasierten und leicht angemalten Augenbrauen, die sonore, wohl artikulierte Stimme, die ausgesuchte Höflichkeit, mit der er mit der Kassiererin sprach, erzeugten auf einmal ein ganz anderes Bild in mir. Schlagartig stellte ich mir vor, wie der Mann Strapse unter seinem unauffälligen Wollmantel trug, wie er in Frauenkleidern und mit Perücke auf dem Kopf wilde Orgien feierte, wie er auf allen Vieren auf dem Fußboden kroch und es sich von einem anderen Kerl besorgen ließ.
Ich staunte, was die Entdeckung von ein paar kleinen Ohrringen an der falschen Person auslösen kann. Fast schämte ich mich dafür, dass ich den Mann alleine durch sein äußeres Auftreten nun schon wieder in eine Schublade befördert hatte, die ihm vielleicht gar nicht gerecht wurde. Und ich fragte mich, was er wohl umgekehrt in mir sah, wie ich auf ihn wirkte, ob er mich auch in eine Schublade gequetscht hatte, in die ich gar nicht reinpasste. Aber vielleicht hatte er mich überhaupt nicht wahrgenommen. So wenig, wie ich ihn wahrgenommen hätte, wenn ich die kleinen Ohrringe nicht entdeckt hätte.
Unterwegs - feinstrick - 11. Mär, 12:09
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