Vertrauen
Morgens in einer kleinen Straße auf St. Pauli. Eine Frau überholt mich mit ihrem Hund an der Leine. Der Hund wird langsamer, bleibt stehen und schnüffelt am Straßenrand. Dann hebt er den Kopf und schaut sich nach mir um. Er ist groß, dunkelbraun und kurzhaarig, von undefinierbarer Rasse. Er dreht sich um und kommt langsam auf mich zu. Ich beobachte ihn wachsam – man weiß ja nie bei fremden Hunden - und bleibe stehen, als er mich erreicht hat. „Hallo, wer bist du denn?“, sage ich freundlich und lasse ihn an meiner Hand schnuppern. Er wirkt neugierig, ich könnte ihn sicher auch streicheln, lasse es aber. Da erst dreht sich die Besitzerin um: „Huch? Was machst du denn da?“, sagt sie zu ihrem Hund und kommt näher. „Ist schon okay“, sage ich. Ich nehme an, es ist ihr unangenehm, dass ihr Hund sich mir so aufdrängt. Doch sie ist sichtlich verwirrt und sagt mit erstauntem Blick auf den Hund: „Das macht er sonst nie. Er hat nämlich eigentlich totale Angst vor Fremden.“ Und im Weitergehen ruft sie mir nach: „Er findet Sie offenbar sympathisch. Da können Sie sich was drauf einbilden.“ Ich freue mich, bin aber nicht sonderlich überrascht. Ich hatte schon immer einen besonderen Draht zu ängstlichen Lebewesen, egal ob Hunde, Pferde oder Kinder. Sie kommen einfach an und schenken mir ihr Vertrauen – zu meinem Vergnügen und zur großen Überraschung von Tierhaltern und Müttern. Komisch, denke ich, wieso kriege ich das bei allen Angsthasen dieser Welt hin, nur bei den Männern nicht?
Unterwegs - feinstrick - 24. Mai, 20:03
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perlentaucherin - 24. Mai, 23:02
vielleicht hätten sie dir gar nichts zu geben...
die geschichte mit dem hund erinnert mich an meinen letzten traum. lächel
die geschichte mit dem hund erinnert mich an meinen letzten traum. lächel
feinstrick - 25. Mai, 23:46
Ach, ich glaube schon, dass sie mir eine ganze Menge zu geben hätten und ja auch bereits gegeben haben.
Zaubermann - 25. Mai, 23:08
Vielleicht haben Männer nicht (mehr) diesen feinen Instinkt für das, was Vertrauen verdient?
Die Welt macht es ihnen aber auch nicht unbedingt leicht diesbezüglich.
Die Welt macht es ihnen aber auch nicht unbedingt leicht diesbezüglich.
feinstrick - 25. Mai, 23:55
Daran liegt es auch nicht. Sie kommen ja durchaus an und schnuppern neugierig an meiner Hand (äh - oder so ähnlich ...). Es liegt daran, dass ich von Kindern und Hunden nichts erwarte und sie mir oft sogar ziemlich egal sind (jedenfalls, wenn es sich um fremde Kinder handelt). Und dass ich mit ihnen keine negativ besetzten Erinnerungen verbinde. Das gibt mir die Freiheit, ihnen gegenüber ganz entspannt zu sein und ihr Vertrauen dauerhaft zu gewinnen. Wenn es um einen Mann geht, ist das leider völlig anders.
Kellerwohnung (Gast) - 28. Mai, 13:53
Vertrauen
Vertrauen braucht Zeit - nur wer nimmt sich heute noch wirklich Zeit? Man(n) könnte ja in dieser "Zeit" etwas verpassen - noch besser, noch interessanter ....
Und zu oft heisst "Vertrauen" auch die Maske fallen zulassen - können die wenigsten Menschen wirklich.
Und zu oft heisst "Vertrauen" auch die Maske fallen zulassen - können die wenigsten Menschen wirklich.
feinstrick - 28. Mai, 14:03
Ja, das stimmt. Beides.
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