Folgt der Sandale - nicht!
Ich hatte eigentlich überhaupt nicht vor, mich mit dem Thema intensiver zu befassen. Aber da mir in den letzten Tagen so einiges sehr sauer aufgestoßen ist, müssen Sie neben vielen anderen klugen und weniger klugen nun leider auch meine Gedanken zur Bildungssituation in Deutschland ertragen – oder Sie hüpfen schnell weiter zu unterhaltsameren Seiten, das nehme ich Ihnen nicht übel, wirklich.
Es gab Zeiten, in denen wurde Deutschland mal als das Land der Dichter und Denker gerühmt. Ich glaube, es gibt immer noch sehr viele kluge Köpfe hier, aber sie erhalten immer weniger Gehör. Glaubhaft wirkt heute nicht mehr, wer schön bescheiden intelligente, wahrhaftige Weisheiten preis gibt, sondern wer möglichst laut und bunt daher kommt und mit viel Getöse den letzten Unsinn in die Welt posaunt. Das ist schade. Denn billiges Getöse hat zwar einen großen Unterhaltungswert, bringt aber eine Gesellschaft nicht voran – den Einzelnen sehr wohl, die Masse jedoch nicht.
Das Dumme ist nur: Da lautes Geschrei eben leider diesen enorm großen Unterhaltungswert hat, kann man damit wunderbar die Massen mobilisieren. „Folgt der Sandale!“ - oder so ähnlich, Sie wissen schon. Das ist für Zuschauer einen Moment lang enorm witzig, aber dann kippt es plötzlich und löst Beklemmungen aus. Muss ich tatsächlich der Sandale folgen, bloß, weil das alle anderen auch machen? Sollte ich nicht vielleicht mal innehalten, mein Gehirn einschalten und überlegen, wofür diese Sandale eigentlich steht und wem sie überhaupt gehört? Ja, unbedingt!
Aber da kommen wir zu einem grundlegenden Problem: Um selbstständig denken zu können, um eine Situation losgelöst von der Meinung anderer einschätzen und bewerten zu können, benötige ich viele, viele Informationen, sprich: ich muss gebildet sein. Nun ist das aber mit der Bildung in diesem Land leider so eine Sache. Sie wird nämlich schon lange nicht mehr als eins der höchsten und kostbarsten Güter unserer Gesellschaft erachtet, und das ist nicht nur schade, es ist eine Katastrophe. Denn Bildung ermöglicht es den Menschen, Dinge zu erkennen und zu entdecken, Situationen zu bewerten und zu beurteilen, die Welt zu begreifen und zu verstehen. Wenn ich aber genau daran spare, dann ziehe ich mir ein Volk von Dummköpfen heran. Das mag gewollt sein, denn Dummköpfe kann man mit marktschreierischen Parolen sehr bequem lenken und zufrieden stellen. Und jüngste Beispiele zeigen ja auch, wie leicht das ist und wie gut so mancher davon profitiert. Da wird Unrecht plötzlich zu Recht, ein Betrüger zum Ehrenmann, die gesamte deutsche Wissenschaft (die mal den Ruf genoss, weltweit eine der besten zu sein) lächerlich gemacht. Applaus, liebe Vertreter von Staats- und Medienmacht, das habt ihr großartig hinbekommen!
Allerdings geht so was natürlich nicht lange gut. Man kann unmöglich ein ganzes Volk total verblöden lassen. Es gibt immer Widerständler, Querdenker, Freigeister, die sich trotz Bildungsverbot schlau machen. Die nicht nur das Sprachrohr des Staatsorgans lesen, das staatlich gelenkte Fernsehen schauen, den bunten Clowns folgen. Für die Ehre und Anstand keine hohlen Floskeln sind, die man beliebig einsetzt, um den eigenen Ruhm zu mehren. Denen es nicht um ihr eigenes, persönliches Ansehen geht, sondern um die Sache. Die mal sagen: Hallo, so aber bitte nicht! Von dieser Sorte Mensch waren in den letzten Wochen viele erstaunlich aktiv. Sie verdienen meinen Respekt und meine Hochachtung und machen mir Hoffnung, dass es um dieses Land doch noch nicht so schlecht bestellt ist, wie ich oft denke. Dass diese mutigen Menschen ziemlich viel Gegenwind von der vereinten Dummheit dieses Landes erhalten, überrascht mich hingegen nicht.
Neu daran ist, dass wir daran alle ganz unmittelbar teilhaben können, weil das Internet, eine Technologie, die ursprünglich ausschließlich von Akademikern genutzt und entwickelt wurde, mittlerweile beim gemeinen Volk angekommen ist. Dieses unakademische Volk – auch das vergessen wir gerne mal – stellt den weitaus größten Teil unserer Bevölkerung dar. Und diese Menschen freuen sich darüber, dass sie endlich einen Kanal gefunden haben, auf dem sie Gehör finden und posaunen ihre Meinung fröhlich in die Welt hinaus – zur Begeisterung vieler Gleichgesinnter und zur Bestürzung weniger Andersdenkender. Können wir ihnen das übel nehmen? Nein, natürlich nicht! Ich kann niemanden dafür verachten, dass er in seinem Leben die falschen Dinge gelernt hat. Mein Respekt vor dem anderen verbietet es mir, mich darüber lustig zu machen, dass er keine Ahnung von wissenschaftlichem Arbeiten hat und überhaupt nicht einschätzen kann, welchen Stellenwert so eine Promotion eigentlich hat – vermutlich kennt er das Wort nicht mal. Was ich aber wirklich übel nehmen kann und was mich wahnsinnig aufregt, ist die Tatsache, dass wir alle zuschauen, wie diese Menschen immer mehr verblöden und es keine Aussicht auf Besserung gibt. Es nervt mich maßlos, dass wir in diesem Land jede Menge Geld zum Fenster raus werfen, aber immer weniger in Bildung investieren. Dass wir jedes Jahr in irgendeinem Bundesland irgendeine Schulreform haben, die bald darauf rückgängig gemacht wird – mit fatalen Folgen für die Ausbildung der Schüler. Dass wir bereitwillig glauben, die allgemeine Volksverdummung sei bloß den vielen Zuwanderern zuzuschreiben, statt zu merken, dass die überhaupt nichts dafür können, sondern leider nur die ersten Opfer waren. Und es macht mich echt sauer, dass es viel zu viele kluge, gebildete Menschen gibt, die wissentlich eine Politik stützen und stärken, in der es nur noch um das Wohl einzelner machtgieriger, skrupelloser Leute geht und schon lange, lange nicht mehr um das Wohl der gesamten Bevölkerung. Was für Folgen das haben kann, sehen wir momentan mit erschütternder Deutlichkeit.
Denn auch das hat mit Bildung zu tun: die Vermittlung von Werten. Wer gut von schlecht nicht mehr unterscheiden kann, der hat ein Problem. Wer eine große Lüge zu einer kleinen macht, auch. Wer einem ganzen Land auch noch weismachen will, dass diese Lüge keine Bedeutung hat, der wird selbst zum Problem. Ich wünsche mir daher, dass die Querdenker und Freigeister unter uns viel häufiger laut protestieren und Nein sagen. Dass wir uns nicht mehr nur berieseln lassen, sondern viel öfter mal unsere eigenen Köpfe zum Denken bringen. Und vor allem: dass die, die eine gute Bildung genossen haben und sehr wohl Unrecht von Recht unterscheiden können, ein Vorbild für jene sind, die dies (noch) nicht gelernt haben. Das, so meine ich, sind wir uns allen schuldig. Damit wir in Zukunft eben keiner Sandale (oder Schlimmerem) mehr hinterher rennen und uns von billigen Parolen blenden lassen. Dann klappt das auch wieder mit dem Volk der Dichter und Denker. Und mit dem Respekt. Und dem Anstand. Und dem guten Regieren. Und überhaupt.
And now for something completely different …
Es gab Zeiten, in denen wurde Deutschland mal als das Land der Dichter und Denker gerühmt. Ich glaube, es gibt immer noch sehr viele kluge Köpfe hier, aber sie erhalten immer weniger Gehör. Glaubhaft wirkt heute nicht mehr, wer schön bescheiden intelligente, wahrhaftige Weisheiten preis gibt, sondern wer möglichst laut und bunt daher kommt und mit viel Getöse den letzten Unsinn in die Welt posaunt. Das ist schade. Denn billiges Getöse hat zwar einen großen Unterhaltungswert, bringt aber eine Gesellschaft nicht voran – den Einzelnen sehr wohl, die Masse jedoch nicht.
Das Dumme ist nur: Da lautes Geschrei eben leider diesen enorm großen Unterhaltungswert hat, kann man damit wunderbar die Massen mobilisieren. „Folgt der Sandale!“ - oder so ähnlich, Sie wissen schon. Das ist für Zuschauer einen Moment lang enorm witzig, aber dann kippt es plötzlich und löst Beklemmungen aus. Muss ich tatsächlich der Sandale folgen, bloß, weil das alle anderen auch machen? Sollte ich nicht vielleicht mal innehalten, mein Gehirn einschalten und überlegen, wofür diese Sandale eigentlich steht und wem sie überhaupt gehört? Ja, unbedingt!
Aber da kommen wir zu einem grundlegenden Problem: Um selbstständig denken zu können, um eine Situation losgelöst von der Meinung anderer einschätzen und bewerten zu können, benötige ich viele, viele Informationen, sprich: ich muss gebildet sein. Nun ist das aber mit der Bildung in diesem Land leider so eine Sache. Sie wird nämlich schon lange nicht mehr als eins der höchsten und kostbarsten Güter unserer Gesellschaft erachtet, und das ist nicht nur schade, es ist eine Katastrophe. Denn Bildung ermöglicht es den Menschen, Dinge zu erkennen und zu entdecken, Situationen zu bewerten und zu beurteilen, die Welt zu begreifen und zu verstehen. Wenn ich aber genau daran spare, dann ziehe ich mir ein Volk von Dummköpfen heran. Das mag gewollt sein, denn Dummköpfe kann man mit marktschreierischen Parolen sehr bequem lenken und zufrieden stellen. Und jüngste Beispiele zeigen ja auch, wie leicht das ist und wie gut so mancher davon profitiert. Da wird Unrecht plötzlich zu Recht, ein Betrüger zum Ehrenmann, die gesamte deutsche Wissenschaft (die mal den Ruf genoss, weltweit eine der besten zu sein) lächerlich gemacht. Applaus, liebe Vertreter von Staats- und Medienmacht, das habt ihr großartig hinbekommen!
Allerdings geht so was natürlich nicht lange gut. Man kann unmöglich ein ganzes Volk total verblöden lassen. Es gibt immer Widerständler, Querdenker, Freigeister, die sich trotz Bildungsverbot schlau machen. Die nicht nur das Sprachrohr des Staatsorgans lesen, das staatlich gelenkte Fernsehen schauen, den bunten Clowns folgen. Für die Ehre und Anstand keine hohlen Floskeln sind, die man beliebig einsetzt, um den eigenen Ruhm zu mehren. Denen es nicht um ihr eigenes, persönliches Ansehen geht, sondern um die Sache. Die mal sagen: Hallo, so aber bitte nicht! Von dieser Sorte Mensch waren in den letzten Wochen viele erstaunlich aktiv. Sie verdienen meinen Respekt und meine Hochachtung und machen mir Hoffnung, dass es um dieses Land doch noch nicht so schlecht bestellt ist, wie ich oft denke. Dass diese mutigen Menschen ziemlich viel Gegenwind von der vereinten Dummheit dieses Landes erhalten, überrascht mich hingegen nicht.
Neu daran ist, dass wir daran alle ganz unmittelbar teilhaben können, weil das Internet, eine Technologie, die ursprünglich ausschließlich von Akademikern genutzt und entwickelt wurde, mittlerweile beim gemeinen Volk angekommen ist. Dieses unakademische Volk – auch das vergessen wir gerne mal – stellt den weitaus größten Teil unserer Bevölkerung dar. Und diese Menschen freuen sich darüber, dass sie endlich einen Kanal gefunden haben, auf dem sie Gehör finden und posaunen ihre Meinung fröhlich in die Welt hinaus – zur Begeisterung vieler Gleichgesinnter und zur Bestürzung weniger Andersdenkender. Können wir ihnen das übel nehmen? Nein, natürlich nicht! Ich kann niemanden dafür verachten, dass er in seinem Leben die falschen Dinge gelernt hat. Mein Respekt vor dem anderen verbietet es mir, mich darüber lustig zu machen, dass er keine Ahnung von wissenschaftlichem Arbeiten hat und überhaupt nicht einschätzen kann, welchen Stellenwert so eine Promotion eigentlich hat – vermutlich kennt er das Wort nicht mal. Was ich aber wirklich übel nehmen kann und was mich wahnsinnig aufregt, ist die Tatsache, dass wir alle zuschauen, wie diese Menschen immer mehr verblöden und es keine Aussicht auf Besserung gibt. Es nervt mich maßlos, dass wir in diesem Land jede Menge Geld zum Fenster raus werfen, aber immer weniger in Bildung investieren. Dass wir jedes Jahr in irgendeinem Bundesland irgendeine Schulreform haben, die bald darauf rückgängig gemacht wird – mit fatalen Folgen für die Ausbildung der Schüler. Dass wir bereitwillig glauben, die allgemeine Volksverdummung sei bloß den vielen Zuwanderern zuzuschreiben, statt zu merken, dass die überhaupt nichts dafür können, sondern leider nur die ersten Opfer waren. Und es macht mich echt sauer, dass es viel zu viele kluge, gebildete Menschen gibt, die wissentlich eine Politik stützen und stärken, in der es nur noch um das Wohl einzelner machtgieriger, skrupelloser Leute geht und schon lange, lange nicht mehr um das Wohl der gesamten Bevölkerung. Was für Folgen das haben kann, sehen wir momentan mit erschütternder Deutlichkeit.
Denn auch das hat mit Bildung zu tun: die Vermittlung von Werten. Wer gut von schlecht nicht mehr unterscheiden kann, der hat ein Problem. Wer eine große Lüge zu einer kleinen macht, auch. Wer einem ganzen Land auch noch weismachen will, dass diese Lüge keine Bedeutung hat, der wird selbst zum Problem. Ich wünsche mir daher, dass die Querdenker und Freigeister unter uns viel häufiger laut protestieren und Nein sagen. Dass wir uns nicht mehr nur berieseln lassen, sondern viel öfter mal unsere eigenen Köpfe zum Denken bringen. Und vor allem: dass die, die eine gute Bildung genossen haben und sehr wohl Unrecht von Recht unterscheiden können, ein Vorbild für jene sind, die dies (noch) nicht gelernt haben. Das, so meine ich, sind wir uns allen schuldig. Damit wir in Zukunft eben keiner Sandale (oder Schlimmerem) mehr hinterher rennen und uns von billigen Parolen blenden lassen. Dann klappt das auch wieder mit dem Volk der Dichter und Denker. Und mit dem Respekt. Und dem Anstand. Und dem guten Regieren. Und überhaupt.
And now for something completely different …
Unterwegs - feinstrick - 4. Mär, 20:03
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
kid37 - 4. Mär, 21:11
Pst! "And now for something completely different..." Pst! ;-)
Man könnte ketzerisch natürlich fragen, wozu Bildung - wo doch ganz offensichtlich Erfolg und Ansehen gar nicht mehr auf Leistung beruhen. (So jedenfalls könnte man desillusioniert glauben.)
Man könnte ketzerisch natürlich fragen, wozu Bildung - wo doch ganz offensichtlich Erfolg und Ansehen gar nicht mehr auf Leistung beruhen. (So jedenfalls könnte man desillusioniert glauben.)
feinstrick - 4. Mär, 21:30
Danke! So viel zum Thema Bildung ... ;-)
Das ist ja das Schlimme. Aber meine Hoffnung ist eben, dass die erschlichene Anerkennung immer seltener von Dauer ist.
Das ist ja das Schlimme. Aber meine Hoffnung ist eben, dass die erschlichene Anerkennung immer seltener von Dauer ist.
Nature of Decay (Gast) - 5. Mär, 12:16
So ist es
leider,
allerdings nicht nur hier bei uns in Deutschland,
sondern würde ich jetzt einfach mal behaupten
auf fast der ganzen Welt...
Werd diesen Text hier mal ein wenig verbreiten,
mit deiner Zustimmung,
die Quelle wird natürlich verlinkt. :)
ps.:
Mein anderer Kommentar kann gern gelöscht werden,
hatte ausversehn was gelöscht und vergessen noch mal nachzulesen. ;)
Und wen ein Admin das liest:
Gibt man keinen Titel / Text an,
kommt immer die Fehlermeldung:
Sie haben das verzerrt angezeigte Wort falsch eingegeben.
allerdings nicht nur hier bei uns in Deutschland,
sondern würde ich jetzt einfach mal behaupten
auf fast der ganzen Welt...
Werd diesen Text hier mal ein wenig verbreiten,
mit deiner Zustimmung,
die Quelle wird natürlich verlinkt. :)
ps.:
Mein anderer Kommentar kann gern gelöscht werden,
hatte ausversehn was gelöscht und vergessen noch mal nachzulesen. ;)
Und wen ein Admin das liest:
Gibt man keinen Titel / Text an,
kommt immer die Fehlermeldung:
Sie haben das verzerrt angezeigte Wort falsch eingegeben.
feinstrick - 5. Mär, 12:37
Das ist in gewisser Weise tatsächlich ein weltweites Problem. Wobei Bildung in anderen Ländern, gerade in Europa, doch einen anderen Stellenwert hat, als es mittlerweile in Deutschland der Fall ist.
Verbreitung meiner Texte ist natürlich immer schön - dass so was nicht ohne Quellenangabe/Verlinkung geschehen sollte, versteht sich von selbst und gilt nicht nur für Doktorarbeiten. ;-)
Verbreitung meiner Texte ist natürlich immer schön - dass so was nicht ohne Quellenangabe/Verlinkung geschehen sollte, versteht sich von selbst und gilt nicht nur für Doktorarbeiten. ;-)
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