Aufdränger
Es ist schon ein Jammer, dass sich gewisse Klischees immer wieder erfüllen. So wie heute. Man wagt es ja angesichts all der Unwetter- und Katastrophenmeldungen kaum zu sagen, aber wir hier im Norden haben richtig Sommer. Mit blauem Himmel und Hitze und so. Temperaturen um die 28 Grad holen die Leute vor die Tür. Für alle Südländer: Nein, so warm ist es hier normalerweise Anfang Juni nicht. Überhaupt ist es im gesamten Sommer selten so warm und sonnig. Darum dürfen wir das jetzt auch mal genießen. Und darum dürfen alle, die nicht von Unwettern geplagt werden, sondern bloß mal ein bisschen Regen haben, gern den Mund halten, denn während 80 Prozent des Sommers ist das genau andersrum: Norden kalt und nass. Süden trocken und sonnig. Aber ich schweife ab.
Die Leute gehen also vor die Tür. Ich auch. Erst sitze ich auf dem Balkon und arbeite, dann, gegen Abend, packe ich einen Rucksack und gehe an die Elbe zum Strand. Ich finde ein halbwegs leeres Plätzchen. Links von mir lagert eine größere Gruppe, alle in meinem Alter. Die beachten mich gar nicht. Rechts, in deutlicher Entfernung, sitzt ein älterer einzelner Herr. Er mustert mich eingehend, als ich meine Decke ausbreite, und kurz habe ich den Impuls, weiterzugehen. Aber weiter links ist es zu voll und weiter rechts wird es bald schattig werden. Und überhaupt, nicht jeder ältere Herr, der einen beim Auspacken der Picknickutensilien beobachtet, ist gleich ein Spanner. Also bleibe ich und packe aus. Nudelsalat, Frikadellen, Brot und eine Flasche Wein.
Es ist wirklich richtig schönes Wetter und ich genieße es unendlich, hier in der Sonne auf meiner Decke zu sitzen, die Füße im Sand zu vergraben und die Schiffe auf der Elbe zu beobachten. Dass ich alleine bin, stört mich kein bisschen. Ich bin so mit mir im Reinen an diesem Abend, dass ich niemanden und nichts vermisse. Vielmehr genieße ich die Sonne und mein Essen. Oder besser: Ich würde genießen, wenn da nicht ständig dieser starrende Blick von rechts wäre. Mein erster Impuls hatte mich leider nicht getrogen. Aus den Augenwinkeln bemerke ich genau, dass der Kerl mich unentwegt beobachtet. Glauben Männer wirklich, dass Frauen es a) nicht bemerken, wenn sie angestarrt werden, oder das b) total toll finden? Nicht Euer Ernst, Jungs, oder?
Erst als sich ein Pärchen auf die freie Fläche zwischen uns legt, gibt der Mann das Glotzen auf. Doch dann verschwindet die Sonne hinter den Bäumen und lange Schatten wandern langsam von West nach Ost. Der Spanner hockt eher im Schatten als ich. Und steht bald darauf auf. Ich liege inzwischen rücklings auf meiner Decke, stütze mich auf den Ellbogen ab und schaue einem Hund zu, der in der Elbe badet. Da baut sich der Spanner direkt vor meiner Decke auf und starrt nun unverfroren auf mich herab, wie ich da so zu seinen Füßen liege. „Sie haben ja auch ordentlich aufgetischt“, zwängt er mir ein Gespräch auf. „Da war ja alles dabei, von der Vorspeise bis zum Dessert.“ Natürlich konnte er das auf die Entfernung gar nicht so genau sehen, sonst hätte er bemerkt, dass es kein Dessert gab, aber es ist klar, dass es darum nicht geht. Er sucht Kontakt.
Ich lache freundlich, bleibe aber sehr reserviert mit meinen Antworten. Das sei ja so viel gewesen, als hätte ich eine ganze Partygesellschaft erwartet, plappert er weiter und ich nicke höflich und wünsche ihn innerlich zum Teufel. „Und nun sitzen Sie immer noch alleine hier. Und Sie haben mich gar nicht eingeladen.“ Ja, denke ich, und das wird auch so bleiben. Mein Lächeln gefriert zunehmend. Einen schrecklichen Moment lang fürchte ich, der Mann werde sich direkt neben mir auf einem der letzten Sonnenplätze niederlassen. Aber zum Glück bleibt er stehen. Er habe ja gar keinen Hunger, fährt er fort, nur Durst. Sein Blick wandert vielsagend zu meinem Glas. Mein Lächeln ist wie festgetackert, aber ich sage kein Wort. „Sind Sie immer hier?“, unternimmt er einen letzten Versuch. „Nein“, sage ich und nun lächle ich gar nicht mehr. „Also nur gelegentlich?“ „Genau.“ Ich bin so reglos wie eine Sphinx. Der Mann gibt auf und verabschiedet sich freundlich.
Ich trinke Wein und bin grimmig. Die schöne Stimmung ist im Eimer. Aber im Grunde war sie das von Anfang an. Ich hatte es gewusst: Dieser Typ Mann, um die siebzig, gut situiert, durchaus attraktiv für sein Alter, ist genau der Typ Mann, mit dem ich mich seit Ewigkeiten herumschlage. Es ist die Sorte Mann, die sich für unwiderstehlich hält und mich für leichte Beute. Doch ich bin nicht interessiert, nie. Und ich würde diesen Kerlen am liebsten jedes Mal ihr schleimiges Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber ich habe gelernt, höflich zu bleiben, wenn man mir höflich begegnet. Und das ist genau die Krux an der Sache: Streng genommen hat der Mann mich nicht belästigt. Er blieb die ganze Zeit höflich. Wäre er dreißig Jahre jünger und hätte etwas wirklich Witziges gesagt, hätte ich mich vielleicht über den netten Flirt gefreut. Aber so? Männer, die so eindeutig auf der Jagd sind, dass man es auf 100 Kilometer Entfernung spürt, sind die langweiligsten Jäger, die ich kenne. Und ich gestehe, ich bin froh, wenn diese Generation Mann allmählich in das Alter kommt, in dem sie sich mehr auf ihren Rollator konzentrieren muss als auf junge Frauen, die vermeintlich leicht rumzukriegen sind.
Und bevor jetzt wieder einige Herren hier beleidigt sind: Ihr seid alle nicht gemeint. Ehrlich. Und ihr dürft gerne mit mir flirten, wenn ich euch über den Weg laufe. Nur bitte nicht starren und schleimen und den Gockel mimen.
Die Leute gehen also vor die Tür. Ich auch. Erst sitze ich auf dem Balkon und arbeite, dann, gegen Abend, packe ich einen Rucksack und gehe an die Elbe zum Strand. Ich finde ein halbwegs leeres Plätzchen. Links von mir lagert eine größere Gruppe, alle in meinem Alter. Die beachten mich gar nicht. Rechts, in deutlicher Entfernung, sitzt ein älterer einzelner Herr. Er mustert mich eingehend, als ich meine Decke ausbreite, und kurz habe ich den Impuls, weiterzugehen. Aber weiter links ist es zu voll und weiter rechts wird es bald schattig werden. Und überhaupt, nicht jeder ältere Herr, der einen beim Auspacken der Picknickutensilien beobachtet, ist gleich ein Spanner. Also bleibe ich und packe aus. Nudelsalat, Frikadellen, Brot und eine Flasche Wein.
Es ist wirklich richtig schönes Wetter und ich genieße es unendlich, hier in der Sonne auf meiner Decke zu sitzen, die Füße im Sand zu vergraben und die Schiffe auf der Elbe zu beobachten. Dass ich alleine bin, stört mich kein bisschen. Ich bin so mit mir im Reinen an diesem Abend, dass ich niemanden und nichts vermisse. Vielmehr genieße ich die Sonne und mein Essen. Oder besser: Ich würde genießen, wenn da nicht ständig dieser starrende Blick von rechts wäre. Mein erster Impuls hatte mich leider nicht getrogen. Aus den Augenwinkeln bemerke ich genau, dass der Kerl mich unentwegt beobachtet. Glauben Männer wirklich, dass Frauen es a) nicht bemerken, wenn sie angestarrt werden, oder das b) total toll finden? Nicht Euer Ernst, Jungs, oder?
Erst als sich ein Pärchen auf die freie Fläche zwischen uns legt, gibt der Mann das Glotzen auf. Doch dann verschwindet die Sonne hinter den Bäumen und lange Schatten wandern langsam von West nach Ost. Der Spanner hockt eher im Schatten als ich. Und steht bald darauf auf. Ich liege inzwischen rücklings auf meiner Decke, stütze mich auf den Ellbogen ab und schaue einem Hund zu, der in der Elbe badet. Da baut sich der Spanner direkt vor meiner Decke auf und starrt nun unverfroren auf mich herab, wie ich da so zu seinen Füßen liege. „Sie haben ja auch ordentlich aufgetischt“, zwängt er mir ein Gespräch auf. „Da war ja alles dabei, von der Vorspeise bis zum Dessert.“ Natürlich konnte er das auf die Entfernung gar nicht so genau sehen, sonst hätte er bemerkt, dass es kein Dessert gab, aber es ist klar, dass es darum nicht geht. Er sucht Kontakt.
Ich lache freundlich, bleibe aber sehr reserviert mit meinen Antworten. Das sei ja so viel gewesen, als hätte ich eine ganze Partygesellschaft erwartet, plappert er weiter und ich nicke höflich und wünsche ihn innerlich zum Teufel. „Und nun sitzen Sie immer noch alleine hier. Und Sie haben mich gar nicht eingeladen.“ Ja, denke ich, und das wird auch so bleiben. Mein Lächeln gefriert zunehmend. Einen schrecklichen Moment lang fürchte ich, der Mann werde sich direkt neben mir auf einem der letzten Sonnenplätze niederlassen. Aber zum Glück bleibt er stehen. Er habe ja gar keinen Hunger, fährt er fort, nur Durst. Sein Blick wandert vielsagend zu meinem Glas. Mein Lächeln ist wie festgetackert, aber ich sage kein Wort. „Sind Sie immer hier?“, unternimmt er einen letzten Versuch. „Nein“, sage ich und nun lächle ich gar nicht mehr. „Also nur gelegentlich?“ „Genau.“ Ich bin so reglos wie eine Sphinx. Der Mann gibt auf und verabschiedet sich freundlich.
Ich trinke Wein und bin grimmig. Die schöne Stimmung ist im Eimer. Aber im Grunde war sie das von Anfang an. Ich hatte es gewusst: Dieser Typ Mann, um die siebzig, gut situiert, durchaus attraktiv für sein Alter, ist genau der Typ Mann, mit dem ich mich seit Ewigkeiten herumschlage. Es ist die Sorte Mann, die sich für unwiderstehlich hält und mich für leichte Beute. Doch ich bin nicht interessiert, nie. Und ich würde diesen Kerlen am liebsten jedes Mal ihr schleimiges Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber ich habe gelernt, höflich zu bleiben, wenn man mir höflich begegnet. Und das ist genau die Krux an der Sache: Streng genommen hat der Mann mich nicht belästigt. Er blieb die ganze Zeit höflich. Wäre er dreißig Jahre jünger und hätte etwas wirklich Witziges gesagt, hätte ich mich vielleicht über den netten Flirt gefreut. Aber so? Männer, die so eindeutig auf der Jagd sind, dass man es auf 100 Kilometer Entfernung spürt, sind die langweiligsten Jäger, die ich kenne. Und ich gestehe, ich bin froh, wenn diese Generation Mann allmählich in das Alter kommt, in dem sie sich mehr auf ihren Rollator konzentrieren muss als auf junge Frauen, die vermeintlich leicht rumzukriegen sind.
Und bevor jetzt wieder einige Herren hier beleidigt sind: Ihr seid alle nicht gemeint. Ehrlich. Und ihr dürft gerne mit mir flirten, wenn ich euch über den Weg laufe. Nur bitte nicht starren und schleimen und den Gockel mimen.
Unterwegs - feinstrick - 4. Jun, 23:24
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