Terror
Ich war schon im Bett und hatte es mir mit einem Glas Rotwein und meinem Laptop gemütlich gemacht, auf dem ich die NDR Talkshow ansah. Es ging dort gerade ziemlich lustig zu, die ganze Runde lachte ausgelassen und ich mit ihr. Im Hintergrund lief Facebook und gelegentlich klickte ich mich nebenbei durch neue Nachrichten. Plötzlich begannen Leute, ihre Profilbilder zu ändern. Je suis … Paris … der Eiffelturm als Friedenszeichen … Wie ein Ruck ging es durch mich hindurch: Nicht schon wieder. Oh nein, bitte nicht schon wieder. Ich wechselte zu Twitter, wo die Nachrichten geballter und präziser reinkamen, wo ich schneller Links zu den passenden Quellen fand.
Anschließend verbrachte ich die halbe Nacht am Rechner, sah die Live-Berichterstattungen aus Paris, bekam mit, wie die Zahl der Toten ständig wuchs und die Verzweiflung kaum noch in Worte zu fassen war. Paris, die Stadt der Liebe, an die auch ich wunderschöne Erinnerungen von zahlreichen Besuchen habe. Und nun die Stadt des Terrors. Schon wieder.
Und natürlich dauerte es nicht lange, bis sich zwischen all die Betroffenheit auch Stimmen mischten, die regelrecht schadenfroh wirkten. Endlich werden die Regierungen zum Handeln gezwungen, hurra. Geht’s noch? Wie widerwärtig gefühlskalt muss man drauf sein, um aus diesem Grauen Profit für die eigene Profilierung zu schlagen? Dass die Regierungen handeln müssen, und das schon lange, ist ja klar. Aber das so abgeschmackt zu verpacken, ist ekelhaft.
Und genau das ist es, was mich bei dieser ganzen Geschichte unentwegt Schüttelfrost haben lässt: Dass ich dank der Flüchtlinge nicht nur gezwungen werde, permanent in die hässliche Fratze des Terrors zu schauen, sondern auch in die meines Nachbarn. Nur, um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Ich finde auch nicht, dass wir unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen können. Ich finde auch, dass unsere Regierung gewaltige Fehler gemacht hat und immer noch macht. Aber ich finde nicht, dass man nun losrennen und sagen muss: Sofort alle Grenzen dicht, alle Flüchtlinge zurück nach Hause, denn die sind alle Terroristen, wirklich alle. Auch die zweijährigen Kinder und ihre schwangeren Mütter. Genauso dämlich ist es, zu sagen: Alle CSU- und AfD-Politiker sind braune Hohlköpfe. Oder: Alle Linken sind kurzsichtige Gutmenschen.
Wenn wir damit nicht bald aufhören, dann hat der Terror schon ein bisschen gewonnen. Dann machen wir uns gemein mit ihm.
Heute Morgen bin ich vom Geräusch eines kreisenden Hubschraubers aufgewacht. Mein erster Gedanke war: Jetzt ist in Hamburg auch was passiert. Ja, ich habe diese Angst. Und ich spreche sie laut aus, und niemand, der mich kennt, schiebt mich dadurch in eine Ecke, in die ich nicht gehöre. Wir dürfen Angst haben und wir dürfen sie äußern und unsere Politiker dazu zwingen, sich dieser Angst anzunehmen. Das ist schließlich ihre Aufgabe. Und ja, wir dürfen auch wütend darüber sein, dass die Politik diese Aufgabe schon sehr lange nicht mehr ernst genommen hat.
Ich habe versucht, den Horror des vergangenen Abends zu verdrängen. Ich habe fröhliche Mails geschrieben, war Shoppen und Kaffeetrinken. Aber es hat nicht geklappt. Die ganze Zeit stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn unter einem dieser Leichentücher jemand gelegen hätte, den ich kenne. Ich denke daran, wie schnell es gehen kann, dass aus Frieden Krieg wird. Jetzt werde ich ganz still eine Kerze anzünden und diesen kindlichen, naiven Wunsch aussprechen, dass die Menschen auf dieser Welt eines fernen Tages zur Vernunft kommen mögen. Und vermutlich werde ich dabei die eine oder andere Träne vergießen, weil ich weiß, dass ich das nicht mehr erleben werde.
Hier noch ein paar Links zu Beiträgen, die mich zum Nachdenken angeregt haben - und zwar in allen Richtungen.
Exporteure des Todes - was wir lernen müssen (Süddeutsche)
Nils Minkmar: "-Die französische Regierung hat versagt. Das macht mich wütend" (Video)
Über die katastrophalen Zustände auf der griechischen Insel Lesbos (Video)
Anschließend verbrachte ich die halbe Nacht am Rechner, sah die Live-Berichterstattungen aus Paris, bekam mit, wie die Zahl der Toten ständig wuchs und die Verzweiflung kaum noch in Worte zu fassen war. Paris, die Stadt der Liebe, an die auch ich wunderschöne Erinnerungen von zahlreichen Besuchen habe. Und nun die Stadt des Terrors. Schon wieder.
Und natürlich dauerte es nicht lange, bis sich zwischen all die Betroffenheit auch Stimmen mischten, die regelrecht schadenfroh wirkten. Endlich werden die Regierungen zum Handeln gezwungen, hurra. Geht’s noch? Wie widerwärtig gefühlskalt muss man drauf sein, um aus diesem Grauen Profit für die eigene Profilierung zu schlagen? Dass die Regierungen handeln müssen, und das schon lange, ist ja klar. Aber das so abgeschmackt zu verpacken, ist ekelhaft.
Und genau das ist es, was mich bei dieser ganzen Geschichte unentwegt Schüttelfrost haben lässt: Dass ich dank der Flüchtlinge nicht nur gezwungen werde, permanent in die hässliche Fratze des Terrors zu schauen, sondern auch in die meines Nachbarn. Nur, um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Ich finde auch nicht, dass wir unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen können. Ich finde auch, dass unsere Regierung gewaltige Fehler gemacht hat und immer noch macht. Aber ich finde nicht, dass man nun losrennen und sagen muss: Sofort alle Grenzen dicht, alle Flüchtlinge zurück nach Hause, denn die sind alle Terroristen, wirklich alle. Auch die zweijährigen Kinder und ihre schwangeren Mütter. Genauso dämlich ist es, zu sagen: Alle CSU- und AfD-Politiker sind braune Hohlköpfe. Oder: Alle Linken sind kurzsichtige Gutmenschen.
Wenn wir damit nicht bald aufhören, dann hat der Terror schon ein bisschen gewonnen. Dann machen wir uns gemein mit ihm.
Heute Morgen bin ich vom Geräusch eines kreisenden Hubschraubers aufgewacht. Mein erster Gedanke war: Jetzt ist in Hamburg auch was passiert. Ja, ich habe diese Angst. Und ich spreche sie laut aus, und niemand, der mich kennt, schiebt mich dadurch in eine Ecke, in die ich nicht gehöre. Wir dürfen Angst haben und wir dürfen sie äußern und unsere Politiker dazu zwingen, sich dieser Angst anzunehmen. Das ist schließlich ihre Aufgabe. Und ja, wir dürfen auch wütend darüber sein, dass die Politik diese Aufgabe schon sehr lange nicht mehr ernst genommen hat.
Ich habe versucht, den Horror des vergangenen Abends zu verdrängen. Ich habe fröhliche Mails geschrieben, war Shoppen und Kaffeetrinken. Aber es hat nicht geklappt. Die ganze Zeit stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn unter einem dieser Leichentücher jemand gelegen hätte, den ich kenne. Ich denke daran, wie schnell es gehen kann, dass aus Frieden Krieg wird. Jetzt werde ich ganz still eine Kerze anzünden und diesen kindlichen, naiven Wunsch aussprechen, dass die Menschen auf dieser Welt eines fernen Tages zur Vernunft kommen mögen. Und vermutlich werde ich dabei die eine oder andere Träne vergießen, weil ich weiß, dass ich das nicht mehr erleben werde.
Hier noch ein paar Links zu Beiträgen, die mich zum Nachdenken angeregt haben - und zwar in allen Richtungen.
Exporteure des Todes - was wir lernen müssen (Süddeutsche)
Nils Minkmar: "-Die französische Regierung hat versagt. Das macht mich wütend" (Video)
Über die katastrophalen Zustände auf der griechischen Insel Lesbos (Video)
Unterwegs - feinstrick - 14. Nov, 18:08
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