Dienstag, 8. September 2009

Herbst

Als ich auf meinem Balkon sitze, denke ich: Ja, das ist schon der Herbst, dieses weiche Licht, die kühle Feuchtigkeit in der Luft, die verblühten, gelblichen Pflanzen. Die zarten Sommerfarben sind flammenden Rottönen gewichen. Beim Spazierengehen kullern mir die ersten Kastanien vor die Füße. Und abends bricht die Dunkelheit mit einer Macht herein, die mich erschreckt.

Ein eigenartiger Sommer war das, voller Arbeit, intensiv, beglückend und anstrengend zugleich. Viele der typischen Sommeraktivitäten habe ich in diesem Jahr nicht gemacht. Keine Zeit. Kein Geld. Ich habe viel geschwitzt, aber nicht in der Sonne, sondern beim Arbeiten. Ich habe auch viel gefroren, ebenfalls beim Arbeiten. Meine beiden Jobs konnten gegensätzlicher nicht sein, der eine fand in stickiger Hitze statt, der andere in dunklen, kühlen Räumen. Der eine war eine stille, einsame Angelegenheit, der andere laut, bunt, hektisch. Am schönsten waren diese Rituale, wenn ich am späten Abend heimkam, noch ein paar Minuten unter den Bäumen im Hof saß, die Hektik der Arbeit abschüttelte, in die Nacht lauschte, bevor ich hinauf ging, mir etwas zu essen machte und mich mit einem Feierabenddrink vor den Fernseher setzte. Das werde ich vermissen.

Jetzt fühle ich mich erschöpft und ausgelaugt. Ich merke, dass ich keinen Urlaub hatte, dass ich ununterbrochen gearbeitet habe, sieben Tage die Woche, teilweise bis spät in die Nacht. Mein Einsatz scheint sich nur teilweise gelohnt zu haben, der Herbst steht voller Unsicherheiten vor mir. Ich fühle mich kraftlos, wenn ich an die Hürden denke, die ich in den nächsten Wochen nehmen muss, und zum ersten Mal seit langem regen sich Zweifel, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg bin, ob meine Energie reicht, heil durch den Winter zu kommen.

Die milde Septembersonne malt goldene Lichtflecken auf meinen Balkon. Ich esse Mirabellen, während mich die letzten Wespen des Jahres träge umkreisen. Kein Zweifel, der Sommer ist vorbei.

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