Samstag, 18. Juli 2009

Sommer

Auf dem Dach gegenüber werden Dacharbeiten vorgenommen. Ein junger, gut gebauter Arbeiter zieht sich täglich mehr aus: Erst fällt das Shirt, dann das Unterhemd, schließlich wird die lange Jeans gegen eine Shorts eingetauscht. Als ich mich frage, was wohl als nächstes kommt, wird der Dachdecker leider von einer Gruppe Gerüstbauer abgelöst. Immerhin: Die sind auch kein schlechter Anblick.

Am Fischmarkt vergnügen sich zwei Männer direkt vor der Fischauktionshalle miteinander. Sie liegen hinter dem Geländer auf der schmalen Kaimauer. Ständig kommen Leute an ihnen vorbei, die den lauen Sommerabend genießen wollen. Öffentlicher geht es kaum. Ich schaue beim ersten Mal noch neugierig über das Geländer, weil mir der eine so vorkommt, als gehe es ihm nicht gut. Aber die Beiden sind so ineinander vertieft, dass sie mich gar nicht wahrnehmen. Als ich auf dem Rückweg wieder vorbei komme, haben sie die Rollen getauscht, und jetzt ist die Sache auch für mich sehr eindeutig und sehr klar. Einer von ihnen steckt mit seinem Kopf zwischen den nackten Beinen des anderen. Skurrilerweise unterhalten sie sich die ganze Zeit, als würden sie nichts weiter tun, als in Ruhe den Sonnenuntergang betrachten. Ein Mann, der mit seinem Fahrrad vorbei kommt, baut auf dem holprigen Kopfsteinpflaster fast einen Unfall, so sehr scheint ihn diese Szene zu irritieren. Und ich frage mich, wie lange es wohl noch dauert, bis einer von ihnen von der schmalen Mauer in die Elbe fällt.

Ich sitze am späten Abend im Dunkeln auf einer Bank unter den Bäumen im Hof und lausche den Großstadtgeräuschen, die weit weg zu sein scheinen. Dieser Platz ist eine kleine, geschützte Oase, in der ich mich sicher und geborgen fühle. Niemand sonst ist um diese Zeit hier draußen im Hof. Viele Fenster meiner Nachbarn sind weit geöffnet. Hinter einigen brennt Licht. Ich stelle mir vor, wie die Nachbarn vor ihren Fernsehern sitzen oder mit einem Buch im Bett liegen und nicht schlafen können, weil es zu warm ist. Aus einem der Fenster erklingen auf einmal leise Geräusche. Ein klagendes Seufzen wird zu einem hohen, lustvollen Gesang, der immer lauter wird. Sehnsüchtig lausche ich dem Liebesspiel meiner Nachbarn, und einen Moment lang wünsche ich mir, auch dort oben zu sein, Haut zu spüren, Nähe zu fühlen, Lust zu genießen. Ich stehe auf und schlendere noch ein paar Schritte durch den nächtlichen Hof, hellwach und müde zugleich. Eine Katze huscht an mir vorbei und verschwindet zwischen den Büschen.

Es ist Sommer in Hamburg.

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